Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

noch zur Guitarre aus einem Garten drüben und die
Nachtigallen schlugen von den Bergen.

Er kehrte in einem wenig besuchten Gasthause
ein, das draußen auf einer Anhöhe lag und eine weite
Aussicht über die Stadt hatte. Dort mußte er lange
pochen, eh' jemand erschien. Ein alter Diener sagte
ihm endlich, es sey alles in die Stadt gezogen, wo
heute zum Geburtstag der Fürstin ein großes Fest ge¬
geben werde. -- Lothario nahm nun im oberen Stock¬
werk einen Saal in Besitz, und öffnete rasch alle
Fenster. Die prächtige Nacht duftete fast berauschend
herauf. Er ließ Licht und Wein bringen, er fühlte
seit langer Zeit wieder einmal eine rechte Lust zu dich¬
ten. -- Als er sich aber so einsam hinsetzte und hastig
trank und schrieb, da war's ihm, als riefe es durch
die Stille seinen Namen, erst leise, dann lauter, und
der Teufel sähe ihm beim Schreiben über die Schulter
und flüsterte zu ihm: nur zu, nur zu! die unschuldig
Welt mit vornehmen Worten belogen und verführt,
ich will dich dafür auf die Zinnen des Ruhms stellen
und die Welt soll dir huldigen! --

Er sprang auf und erschrak, als er sich flüchtig
in einem Wandspiegel erblickte, so bleich und wüst
sah er aus. Da streifte der Wind klingend die Sai¬
ten einer Guitarre, die am offenen Fenster lag. Der
Mond aus blassen Wolken beschien so eben wieder die

noch zur Guitarre aus einem Garten druͤben und die
Nachtigallen ſchlugen von den Bergen.

Er kehrte in einem wenig beſuchten Gaſthauſe
ein, das draußen auf einer Anhoͤhe lag und eine weite
Ausſicht uͤber die Stadt hatte. Dort mußte er lange
pochen, eh' jemand erſchien. Ein alter Diener ſagte
ihm endlich, es ſey alles in die Stadt gezogen, wo
heute zum Geburtstag der Fuͤrſtin ein großes Feſt ge¬
geben werde. — Lothario nahm nun im oberen Stock¬
werk einen Saal in Beſitz, und oͤffnete raſch alle
Fenſter. Die praͤchtige Nacht duftete faſt berauſchend
herauf. Er ließ Licht und Wein bringen, er fuͤhlte
ſeit langer Zeit wieder einmal eine rechte Luſt zu dich¬
ten. — Als er ſich aber ſo einſam hinſetzte und haſtig
trank und ſchrieb, da war's ihm, als riefe es durch
die Stille ſeinen Namen, erſt leiſe, dann lauter, und
der Teufel ſaͤhe ihm beim Schreiben uͤber die Schulter
und fluͤſterte zu ihm: nur zu, nur zu! die unſchuldig
Welt mit vornehmen Worten belogen und verfuͤhrt,
ich will dich dafuͤr auf die Zinnen des Ruhms ſtellen
und die Welt ſoll dir huldigen! —

Er ſprang auf und erſchrak, als er ſich fluͤchtig
in einem Wandſpiegel erblickte, ſo bleich und wuͤſt
ſah er aus. Da ſtreifte der Wind klingend die Sai¬
ten einer Guitarre, die am offenen Fenſter lag. Der
Mond aus blaſſen Wolken beſchien ſo eben wieder die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0256" n="249"/>
noch zur Guitarre aus einem Garten dru&#x0364;ben und die<lb/>
Nachtigallen &#x017F;chlugen von den Bergen.</p><lb/>
          <p>Er kehrte in einem wenig be&#x017F;uchten Ga&#x017F;thau&#x017F;e<lb/>
ein, das draußen auf einer Anho&#x0364;he lag und eine weite<lb/>
Aus&#x017F;icht u&#x0364;ber die Stadt hatte. Dort mußte er lange<lb/>
pochen, eh' jemand er&#x017F;chien. Ein alter Diener &#x017F;agte<lb/>
ihm endlich, es &#x017F;ey alles in die Stadt gezogen, wo<lb/>
heute zum Geburtstag der Fu&#x0364;r&#x017F;tin ein großes Fe&#x017F;t ge¬<lb/>
geben werde. &#x2014; Lothario nahm nun im oberen Stock¬<lb/>
werk einen Saal in Be&#x017F;itz, und o&#x0364;ffnete ra&#x017F;ch alle<lb/>
Fen&#x017F;ter. Die pra&#x0364;chtige Nacht duftete fa&#x017F;t berau&#x017F;chend<lb/>
herauf. Er ließ Licht und Wein bringen, er fu&#x0364;hlte<lb/>
&#x017F;eit langer Zeit wieder einmal eine rechte Lu&#x017F;t zu dich¬<lb/>
ten. &#x2014; Als er &#x017F;ich aber &#x017F;o ein&#x017F;am hin&#x017F;etzte und ha&#x017F;tig<lb/>
trank und &#x017F;chrieb, da war's ihm, als riefe es durch<lb/>
die Stille &#x017F;einen Namen, er&#x017F;t lei&#x017F;e, dann lauter, und<lb/>
der Teufel &#x017F;a&#x0364;he ihm beim Schreiben u&#x0364;ber die Schulter<lb/>
und flu&#x0364;&#x017F;terte zu ihm: nur zu, nur zu! die un&#x017F;chuldig<lb/>
Welt mit vornehmen Worten belogen und verfu&#x0364;hrt,<lb/>
ich will dich dafu&#x0364;r auf die Zinnen des Ruhms &#x017F;tellen<lb/>
und die Welt &#x017F;oll dir huldigen! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;prang auf und er&#x017F;chrak, als er &#x017F;ich flu&#x0364;chtig<lb/>
in einem Wand&#x017F;piegel erblickte, &#x017F;o bleich und wu&#x0364;&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ah er aus. Da &#x017F;treifte der Wind klingend die Sai¬<lb/>
ten einer Guitarre, die am offenen Fen&#x017F;ter lag. Der<lb/>
Mond aus bla&#x017F;&#x017F;en Wolken be&#x017F;chien &#x017F;o eben wieder die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0256] noch zur Guitarre aus einem Garten druͤben und die Nachtigallen ſchlugen von den Bergen. Er kehrte in einem wenig beſuchten Gaſthauſe ein, das draußen auf einer Anhoͤhe lag und eine weite Ausſicht uͤber die Stadt hatte. Dort mußte er lange pochen, eh' jemand erſchien. Ein alter Diener ſagte ihm endlich, es ſey alles in die Stadt gezogen, wo heute zum Geburtstag der Fuͤrſtin ein großes Feſt ge¬ geben werde. — Lothario nahm nun im oberen Stock¬ werk einen Saal in Beſitz, und oͤffnete raſch alle Fenſter. Die praͤchtige Nacht duftete faſt berauſchend herauf. Er ließ Licht und Wein bringen, er fuͤhlte ſeit langer Zeit wieder einmal eine rechte Luſt zu dich¬ ten. — Als er ſich aber ſo einſam hinſetzte und haſtig trank und ſchrieb, da war's ihm, als riefe es durch die Stille ſeinen Namen, erſt leiſe, dann lauter, und der Teufel ſaͤhe ihm beim Schreiben uͤber die Schulter und fluͤſterte zu ihm: nur zu, nur zu! die unſchuldig Welt mit vornehmen Worten belogen und verfuͤhrt, ich will dich dafuͤr auf die Zinnen des Ruhms ſtellen und die Welt ſoll dir huldigen! — Er ſprang auf und erſchrak, als er ſich fluͤchtig in einem Wandſpiegel erblickte, ſo bleich und wuͤſt ſah er aus. Da ſtreifte der Wind klingend die Sai¬ ten einer Guitarre, die am offenen Fenſter lag. Der Mond aus blaſſen Wolken beſchien ſo eben wieder die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/256
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/256>, abgerufen am 21.11.2024.