auf den Klippen ihr feuchtes Haar kämmen, das ferne Wetterleuchten der Religion verwirrte ihn nur noch mehr; so hatte er sich im schönen Leben verirrt und konnte nicht wieder nach Hause finden. Da schlug die himmlische Liebe ihren Sternenmantel um den Tod¬ müden. Er verfiel in eine schwere Krankheit, und als er wieder genas, war auf einmal alles vorbei. Die Leute nannten ihn wahnsinnig, er aber war vergnügt und blätterte Tag für Tag mit stiller, herzlicher Lust in den alten Bilderbüchern, die er als Kind gelesen; alles andere hatte er vergessen. Sie hatten ihn endlich in einem entlegenen Flügel des Schlosses absondern müssen von der Welt, die er nur noch wie im Traum von ferne sah, nur die unschuldigen Vögel sangen alle Morgen vor seinen Fenstern von der alten Zeit, daß er oft erschrocken von seinen Bildern aufhorchte. -- Aus seiner Hand aber hatte die Fürstin rasch die Zü¬ gel des Regiments ergriffen, und lenkte keck, die Rosse peitschend, in die nene Freiheit hinaus.
In dieser Zeit kam Lothario eines Abends ein¬ sam von dem Gebirge herab. Wir wissen nicht, wo¬ hin er wanderte, sein Weg führte ihn durch die Stadt. Der Mond trat manchmal heimlich lauernd zwischen den Wolken hervor, da lag die alte Residenz unten wie eine Ruine phantastisch in der schwülen Nacht um¬ her, es war schon alles still, nur ein Mädchen sang
auf den Klippen ihr feuchtes Haar kaͤmmen, das ferne Wetterleuchten der Religion verwirrte ihn nur noch mehr; ſo hatte er ſich im ſchoͤnen Leben verirrt und konnte nicht wieder nach Hauſe finden. Da ſchlug die himmliſche Liebe ihren Sternenmantel um den Tod¬ muͤden. Er verfiel in eine ſchwere Krankheit, und als er wieder genas, war auf einmal alles vorbei. Die Leute nannten ihn wahnſinnig, er aber war vergnuͤgt und blaͤtterte Tag fuͤr Tag mit ſtiller, herzlicher Luſt in den alten Bilderbuͤchern, die er als Kind geleſen; alles andere hatte er vergeſſen. Sie hatten ihn endlich in einem entlegenen Fluͤgel des Schloſſes abſondern muͤſſen von der Welt, die er nur noch wie im Traum von ferne ſah, nur die unſchuldigen Voͤgel ſangen alle Morgen vor ſeinen Fenſtern von der alten Zeit, daß er oft erſchrocken von ſeinen Bildern aufhorchte. — Aus ſeiner Hand aber hatte die Fuͤrſtin raſch die Zuͤ¬ gel des Regiments ergriffen, und lenkte keck, die Roſſe peitſchend, in die nene Freiheit hinaus.
In dieſer Zeit kam Lothario eines Abends ein¬ ſam von dem Gebirge herab. Wir wiſſen nicht, wo¬ hin er wanderte, ſein Weg fuͤhrte ihn durch die Stadt. Der Mond trat manchmal heimlich lauernd zwiſchen den Wolken hervor, da lag die alte Reſidenz unten wie eine Ruine phantaſtiſch in der ſchwuͤlen Nacht um¬ her, es war ſchon alles ſtill, nur ein Maͤdchen ſang
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auf den Klippen ihr feuchtes Haar kaͤmmen, das ferne
Wetterleuchten der Religion verwirrte ihn nur noch
mehr; ſo hatte er ſich im ſchoͤnen Leben verirrt und
konnte nicht wieder nach Hauſe finden. Da ſchlug
die himmliſche Liebe ihren Sternenmantel um den Tod¬
muͤden. Er verfiel in eine ſchwere Krankheit, und als
er wieder genas, war auf einmal alles vorbei. Die
Leute nannten ihn wahnſinnig, er aber war vergnuͤgt
und blaͤtterte Tag fuͤr Tag mit ſtiller, herzlicher Luſt
in den alten Bilderbuͤchern, die er als Kind geleſen;
alles andere hatte er vergeſſen. Sie hatten ihn endlich
in einem entlegenen Fluͤgel des Schloſſes abſondern
muͤſſen von der Welt, die er nur noch wie im Traum
von ferne ſah, nur die unſchuldigen Voͤgel ſangen alle
Morgen vor ſeinen Fenſtern von der alten Zeit, daß
er oft erſchrocken von ſeinen Bildern aufhorchte. —
Aus ſeiner Hand aber hatte die Fuͤrſtin raſch die Zuͤ¬
gel des Regiments ergriffen, und lenkte keck, die Roſſe
peitſchend, in die nene Freiheit hinaus.
In dieſer Zeit kam Lothario eines Abends ein¬
ſam von dem Gebirge herab. Wir wiſſen nicht, wo¬
hin er wanderte, ſein Weg fuͤhrte ihn durch die Stadt.
Der Mond trat manchmal heimlich lauernd zwiſchen
den Wolken hervor, da lag die alte Reſidenz unten
wie eine Ruine phantaſtiſch in der ſchwuͤlen Nacht um¬
her, es war ſchon alles ſtill, nur ein Maͤdchen ſang
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/255>, abgerufen am 21.11.2024.
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