Waffenklang durch die Stille. Fechten die Todten in der Luft? dachte er, und verfolgte rasch die Richtung. Da erblickte er bald durch das auseinandergebogene Gesträuch zwei Männer, die auf einer mondhellen Wiese in heftigem Zweikampf begriffen waren. Ge¬ stalt, Tracht und Haltung, je länger er hinsah, schien ihm nicht fremd. -- Um Gott, ihr Phantasten, rief er endlich aus, was habt ihr wieder vor! denn jetzt er¬ kannte er deutlich den langen Lord und den Maler Albert von dem fürstlichen Jagdschloß.
Als die Kämpfenden ihn bemerkten, traten sie, die Spitzen ihrer Degen senkend, jeder feierlich einen Schritt zurück und verneigten sich kurz und ernst vor einander, dann stürzte der erhitzte Lord, der vor Eifer keine Zeit zum Verwundern und Begrüßen hatte, so¬ gleich auf Fortunaten los. Entscheiden Sie selbst, rief er, und ich behaupt' es nochmals und tausendmal: es giebt keinen kategorischen Imperativ, die Tugend ist nur der Flügelschlag der primitiven Freiheit der Seele, die Ahnung des geistigen Urstoffs und dieser endlose Urstoff läßt sich so wenig durch Großmuth, Keuschheit, definiren, daß -- Keineswegs! entgegnete Albert ganz empört, es giebt ein absolutes Sittengesetz, die Tu¬ gend, sie ist kein leerer Schall! -- Aber, so sagt doch nur, was denn? was giebts denn? unterbrach sie end¬ lich Fortunat höchst erstaunt, und erfuhr nun nach und nach abgebrochen in einzelnen verworrenen Sätzen von
Waffenklang durch die Stille. Fechten die Todten in der Luft? dachte er, und verfolgte raſch die Richtung. Da erblickte er bald durch das auseinandergebogene Geſtraͤuch zwei Maͤnner, die auf einer mondhellen Wieſe in heftigem Zweikampf begriffen waren. Ge¬ ſtalt, Tracht und Haltung, je laͤnger er hinſah, ſchien ihm nicht fremd. — Um Gott, ihr Phantaſten, rief er endlich aus, was habt ihr wieder vor! denn jetzt er¬ kannte er deutlich den langen Lord und den Maler Albert von dem fuͤrſtlichen Jagdſchloß.
Als die Kaͤmpfenden ihn bemerkten, traten ſie, die Spitzen ihrer Degen ſenkend, jeder feierlich einen Schritt zuruͤck und verneigten ſich kurz und ernſt vor einander, dann ſtuͤrzte der erhitzte Lord, der vor Eifer keine Zeit zum Verwundern und Begruͤßen hatte, ſo¬ gleich auf Fortunaten los. Entſcheiden Sie ſelbſt, rief er, und ich behaupt' es nochmals und tauſendmal: es giebt keinen kategoriſchen Imperativ, die Tugend iſt nur der Fluͤgelſchlag der primitiven Freiheit der Seele, die Ahnung des geiſtigen Urſtoffs und dieſer endloſe Urſtoff laͤßt ſich ſo wenig durch Großmuth, Keuſchheit, definiren, daß — Keineswegs! entgegnete Albert ganz empoͤrt, es giebt ein abſolutes Sittengeſetz, die Tu¬ gend, ſie iſt kein leerer Schall! — Aber, ſo ſagt doch nur, was denn? was giebts denn? unterbrach ſie end¬ lich Fortunat hoͤchſt erſtaunt, und erfuhr nun nach und nach abgebrochen in einzelnen verworrenen Saͤtzen von
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Waffenklang durch die Stille. Fechten die Todten in
der Luft? dachte er, und verfolgte raſch die Richtung.
Da erblickte er bald durch das auseinandergebogene
Geſtraͤuch zwei Maͤnner, die auf einer mondhellen
Wieſe in heftigem Zweikampf begriffen waren. Ge¬
ſtalt, Tracht und Haltung, je laͤnger er hinſah, ſchien
ihm nicht fremd. — Um Gott, ihr Phantaſten, rief er
endlich aus, was habt ihr wieder vor! denn jetzt er¬
kannte er deutlich den langen Lord und den Maler
Albert von dem fuͤrſtlichen Jagdſchloß.
Als die Kaͤmpfenden ihn bemerkten, traten ſie, die
Spitzen ihrer Degen ſenkend, jeder feierlich einen
Schritt zuruͤck und verneigten ſich kurz und ernſt vor
einander, dann ſtuͤrzte der erhitzte Lord, der vor Eifer
keine Zeit zum Verwundern und Begruͤßen hatte, ſo¬
gleich auf Fortunaten los. Entſcheiden Sie ſelbſt, rief
er, und ich behaupt' es nochmals und tauſendmal: es
giebt keinen kategoriſchen Imperativ, die Tugend iſt
nur der Fluͤgelſchlag der primitiven Freiheit der Seele,
die Ahnung des geiſtigen Urſtoffs und dieſer endloſe
Urſtoff laͤßt ſich ſo wenig durch Großmuth, Keuſchheit,
definiren, daß — Keineswegs! entgegnete Albert ganz
empoͤrt, es giebt ein abſolutes Sittengeſetz, die Tu¬
gend, ſie iſt kein leerer Schall! — Aber, ſo ſagt doch
nur, was denn? was giebts denn? unterbrach ſie end¬
lich Fortunat hoͤchſt erſtaunt, und erfuhr nun nach und
nach abgebrochen in einzelnen verworrenen Saͤtzen von
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/190>, abgerufen am 23.11.2024.
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