So endigte Faber seine Erzählung. Erschreck¬ lich! rief Leontin, sich, wie vor Frost, schüttelnd. Rosa schwieg still. Auf Friedrich hatte das Mährchen einen tiefen und ganz besonderen Eindruck gemacht. Er konnte sich nicht enthalten, während der ganzen Erzählung, mit einem unbestimmten, schmerzlichen Gefühle an Rosa zu denken, und es kam ihm vor, als hätte Faber selber nicht ohne heimliche Absicht gerade diese Erfindung gewählt.
Fabers Mährchen gab Veranlassung, daß auch Friedrich und Leontin mehrere Geschichten erzähl¬ ten, woran aber Rosa immer nur einen entfern¬ ten Antheil nahm. So vergieng dieser Tag unter fröhlichen Gesprächen, ehe sie es selber bemerkten, und der Abend überraschte sie mitten im Walde in einer unbekannten Gegend. Sie schlugen daher den ersten Weg ein, der sich ihnen darboth, und ka¬ men schon in der Dunkelheit bey einem Bauernhau¬ se an, das ganz allein im Walde stand, und wo sie zu übernachten beschlossen. Die Hauswirthinn, ein junges, rüstiges Weib, wußte nicht, was sie aus dem ganzen unerwarteten Besuche machen sollte und maaß sie mit Blicken, die eben nicht das beste Zutrauen verriethen. Die lustigen Reden und Schwänke Leontins und seiner Jäger aber brachten sie bald in die beste Laune, und sie bereitete alles recht mit Lust zu ihrer Aufnahme.
Nach einem flüchtig eingenommenen Abendessen ergriffen Leontin, Faber und die Jäger ihre Flinten und giengen noch in den Wald hinaus auf den An¬
So endigte Faber ſeine Erzählung. Erſchreck¬ lich! rief Leontin, ſich, wie vor Froſt, ſchüttelnd. Roſa ſchwieg ſtill. Auf Friedrich hatte das Mährchen einen tiefen und ganz beſonderen Eindruck gemacht. Er konnte ſich nicht enthalten, während der ganzen Erzählung, mit einem unbeſtimmten, ſchmerzlichen Gefühle an Roſa zu denken, und es kam ihm vor, als hätte Faber ſelber nicht ohne heimliche Abſicht gerade dieſe Erfindung gewählt.
Fabers Mährchen gab Veranlaſſung, daß auch Friedrich und Leontin mehrere Geſchichten erzähl¬ ten, woran aber Roſa immer nur einen entfern¬ ten Antheil nahm. So vergieng dieſer Tag unter fröhlichen Geſprächen, ehe ſie es ſelber bemerkten, und der Abend überraſchte ſie mitten im Walde in einer unbekannten Gegend. Sie ſchlugen daher den erſten Weg ein, der ſich ihnen darboth, und ka¬ men ſchon in der Dunkelheit bey einem Bauernhau¬ ſe an, das ganz allein im Walde ſtand, und wo ſie zu übernachten beſchloſſen. Die Hauswirthinn, ein junges, rüſtiges Weib, wußte nicht, was ſie aus dem ganzen unerwarteten Beſuche machen ſollte und maaß ſie mit Blicken, die eben nicht das beſte Zutrauen verriethen. Die luſtigen Reden und Schwänke Leontins und ſeiner Jäger aber brachten ſie bald in die beſte Laune, und ſie bereitete alles recht mit Luſt zu ihrer Aufnahme.
Nach einem flüchtig eingenommenen Abendeſſen ergriffen Leontin, Faber und die Jäger ihre Flinten und giengen noch in den Wald hinaus auf den An¬
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So endigte Faber ſeine Erzählung. Erſchreck¬
lich! rief Leontin, ſich, wie vor Froſt, ſchüttelnd.
Roſa ſchwieg ſtill. Auf Friedrich hatte das
Mährchen einen tiefen und ganz beſonderen Eindruck
gemacht. Er konnte ſich nicht enthalten, während
der ganzen Erzählung, mit einem unbeſtimmten,
ſchmerzlichen Gefühle an Roſa zu denken, und es
kam ihm vor, als hätte Faber ſelber nicht ohne
heimliche Abſicht gerade dieſe Erfindung gewählt.
Fabers Mährchen gab Veranlaſſung, daß auch
Friedrich und Leontin mehrere Geſchichten erzähl¬
ten, woran aber Roſa immer nur einen entfern¬
ten Antheil nahm. So vergieng dieſer Tag unter
fröhlichen Geſprächen, ehe ſie es ſelber bemerkten,
und der Abend überraſchte ſie mitten im Walde in
einer unbekannten Gegend. Sie ſchlugen daher den
erſten Weg ein, der ſich ihnen darboth, und ka¬
men ſchon in der Dunkelheit bey einem Bauernhau¬
ſe an, das ganz allein im Walde ſtand, und wo
ſie zu übernachten beſchloſſen. Die Hauswirthinn,
ein junges, rüſtiges Weib, wußte nicht, was ſie
aus dem ganzen unerwarteten Beſuche machen ſollte
und maaß ſie mit Blicken, die eben nicht das beſte
Zutrauen verriethen. Die luſtigen Reden und
Schwänke Leontins und ſeiner Jäger aber brachten
ſie bald in die beſte Laune, und ſie bereitete alles
recht mit Luſt zu ihrer Aufnahme.
Nach einem flüchtig eingenommenen Abendeſſen
ergriffen Leontin, Faber und die Jäger ihre Flinten
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/74>, abgerufen am 26.11.2024.
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