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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Lauf seines Gewehres war zufällig grade auf ihn
gerichtet; er hatte es in diesem Augenblicke auf ihn
losgedrückt, wenn ihn nicht die Furcht, alle zu ver¬
rathen, davon abgehalten hätte.

Der Offizier stand auf, hob sein Glas in die
Höh' und fieng an Schillers Reiterlied zu singen,
die andern stimmten mit vollen Kehlen ein. Noch
niemals hatte Friedrich'n das fürchterliche Lied so
widerlich und höllischgurgelnd geklungen. Ein ande¬
rer Offizier mit einem feuerrothen Gesichte, in dem
alle menschliche Bildung zerfetzt war, trat dazu,
schlug mit dem Säbel auf den Tisch, daß die Gläser
klirrten, und pfiff durchdringend den Deßauer Marsch
drein. Ein allgemeines wildes Gelächter belohnte
seine Zote. --

Unterdeß hatten die beyden Reiter den Steg
wieder verlassen. Friedrich und seine Gesellen raff¬
ten sich daher schnell vom Boden auf und eilten
über den Bach von der anderen Seite wieder ins
Gebirge hinauf. Je höher sie kamen, je stiller
wurde es ringsumher. Nach einer Stunde endlich
wurden sie von den ersten Posten der Ihrigen an¬
gerufen. Hier erfuhren sie auch, daß fast alle die
übrigen Abtheilungen, die sich theils durchgeschli¬
chen, theils mit vielem Muthe durchgeschlagen hat¬
ten, bereits oben angekommen wären. Es war ein
Freudenreicher Anblick, als sie bald darauf den
weiten, freyen Platz auf der letzten Höhe glücklich
erreicht hatten. Die ganze unübersehbare Schaar
saß dort an ihre Waffen gestützt auf den Zinnen

Lauf ſeines Gewehres war zufällig grade auf ihn
gerichtet; er hatte es in dieſem Augenblicke auf ihn
losgedrückt, wenn ihn nicht die Furcht, alle zu ver¬
rathen, davon abgehalten hätte.

Der Offizier ſtand auf, hob ſein Glas in die
Höh' und fieng an Schillers Reiterlied zu ſingen,
die andern ſtimmten mit vollen Kehlen ein. Noch
niemals hatte Friedrich'n das fürchterliche Lied ſo
widerlich und hölliſchgurgelnd geklungen. Ein ande¬
rer Offizier mit einem feuerrothen Geſichte, in dem
alle menſchliche Bildung zerfetzt war, trat dazu,
ſchlug mit dem Säbel auf den Tiſch, daß die Gläſer
klirrten, und pfiff durchdringend den Deßauer Marſch
drein. Ein allgemeines wildes Gelächter belohnte
ſeine Zote. —

Unterdeß hatten die beyden Reiter den Steg
wieder verlaſſen. Friedrich und ſeine Geſellen raff¬
ten ſich daher ſchnell vom Boden auf und eilten
über den Bach von der anderen Seite wieder ins
Gebirge hinauf. Je höher ſie kamen, je ſtiller
wurde es ringsumher. Nach einer Stunde endlich
wurden ſie von den erſten Poſten der Ihrigen an¬
gerufen. Hier erfuhren ſie auch, daß faſt alle die
übrigen Abtheilungen, die ſich theils durchgeſchli¬
chen, theils mit vielem Muthe durchgeſchlagen hat¬
ten, bereits oben angekommen wären. Es war ein
Freudenreicher Anblick, als ſie bald darauf den
weiten, freyen Platz auf der letzten Höhe glücklich
erreicht hatten. Die ganze unüberſehbare Schaar
ſaß dort an ihre Waffen geſtützt auf den Zinnen

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[334/0340] Lauf ſeines Gewehres war zufällig grade auf ihn gerichtet; er hatte es in dieſem Augenblicke auf ihn losgedrückt, wenn ihn nicht die Furcht, alle zu ver¬ rathen, davon abgehalten hätte. Der Offizier ſtand auf, hob ſein Glas in die Höh' und fieng an Schillers Reiterlied zu ſingen, die andern ſtimmten mit vollen Kehlen ein. Noch niemals hatte Friedrich'n das fürchterliche Lied ſo widerlich und hölliſchgurgelnd geklungen. Ein ande¬ rer Offizier mit einem feuerrothen Geſichte, in dem alle menſchliche Bildung zerfetzt war, trat dazu, ſchlug mit dem Säbel auf den Tiſch, daß die Gläſer klirrten, und pfiff durchdringend den Deßauer Marſch drein. Ein allgemeines wildes Gelächter belohnte ſeine Zote. — Unterdeß hatten die beyden Reiter den Steg wieder verlaſſen. Friedrich und ſeine Geſellen raff¬ ten ſich daher ſchnell vom Boden auf und eilten über den Bach von der anderen Seite wieder ins Gebirge hinauf. Je höher ſie kamen, je ſtiller wurde es ringsumher. Nach einer Stunde endlich wurden ſie von den erſten Poſten der Ihrigen an¬ gerufen. Hier erfuhren ſie auch, daß faſt alle die übrigen Abtheilungen, die ſich theils durchgeſchli¬ chen, theils mit vielem Muthe durchgeſchlagen hat¬ ten, bereits oben angekommen wären. Es war ein Freudenreicher Anblick, als ſie bald darauf den weiten, freyen Platz auf der letzten Höhe glücklich erreicht hatten. Die ganze unüberſehbare Schaar ſaß dort an ihre Waffen geſtützt auf den Zinnen

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/340>, abgerufen am 23.11.2024.