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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Platze, wo das Schallen sich verbreitet, führte nur
ein einziger Steg über den Strom, der dort in das
Thal hinauskam. Als sie an den Bach kamen, sa¬
hen sie zwey feindliche Reiter auf dem Stege, die
beschäftigt waren, Wasser zu schöpfen. Sie streck¬
ten sich daher schnell unter die Sträucher auf den
Boden nieder, um nicht bemerkt zu werden. Da
konnten sie zwischen den Zweigen hindurch die vom
Monde hell beleuchtete Wiese übersehen. Ringsum
an dem Rande des Waldes stand dort ein Kreis
von Pferden angebunden, eine Schaar von Reitern
war lustig über die Aue verbreitet. Einige putzten
singend ihre Gewehre, andere lagen auf dem Ra¬
sen und würfelten auf ihren ausgebreiteten Män¬
teln, mehrere Offiziere sassen vorn um ein Feld¬
tischchen und tranken. Der eine von ihnen hatte ein
Mädchen auf dem Schooß, das ihn mit dem einen
Arme umschlungen hielt. Friedrich erschrack im In¬
nersten, denn der Offizier war einer seiner Bekann¬
ten aus der Residenz, das Mädchen die verlorene
Marie. Es war einer von jenen leichten, halbbär¬
tigen Brüdern, die im Winter zu seinem Kreise ge¬
hört, und bey anbrechendem Frühling Ernst, Ehr¬
lichkeit und ihre gemeinschaftlichen Bestrebungen mit
den Bällen und anderen Winterunterhaltungen ver¬
gassen.

Ihn empörte dieses Elend ohne Treue und Ge¬
sinnung, wie er mit vornehmer Zufriedenheit seinen
Schnautzbart strich und auf seinen Säbel schlug,
gleichviel für was oder gegen wen er ihn zog. Der

Platze, wo das Schallen ſich verbreitet, führte nur
ein einziger Steg über den Strom, der dort in das
Thal hinauskam. Als ſie an den Bach kamen, ſa¬
hen ſie zwey feindliche Reiter auf dem Stege, die
beſchäftigt waren, Waſſer zu ſchöpfen. Sie ſtreck¬
ten ſich daher ſchnell unter die Sträucher auf den
Boden nieder, um nicht bemerkt zu werden. Da
konnten ſie zwiſchen den Zweigen hindurch die vom
Monde hell beleuchtete Wieſe überſehen. Ringsum
an dem Rande des Waldes ſtand dort ein Kreis
von Pferden angebunden, eine Schaar von Reitern
war luſtig über die Aue verbreitet. Einige putzten
ſingend ihre Gewehre, andere lagen auf dem Ra¬
ſen und würfelten auf ihren ausgebreiteten Män¬
teln, mehrere Offiziere ſaſſen vorn um ein Feld¬
tiſchchen und tranken. Der eine von ihnen hatte ein
Mädchen auf dem Schooß, das ihn mit dem einen
Arme umſchlungen hielt. Friedrich erſchrack im In¬
nerſten, denn der Offizier war einer ſeiner Bekann¬
ten aus der Reſidenz, das Mädchen die verlorene
Marie. Es war einer von jenen leichten, halbbär¬
tigen Brüdern, die im Winter zu ſeinem Kreiſe ge¬
hört, und bey anbrechendem Frühling Ernſt, Ehr¬
lichkeit und ihre gemeinſchaftlichen Beſtrebungen mit
den Bällen und anderen Winterunterhaltungen ver¬
gaſſen.

Ihn empörte dieſes Elend ohne Treue und Ge¬
ſinnung, wie er mit vornehmer Zufriedenheit ſeinen
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[333/0339] Platze, wo das Schallen ſich verbreitet, führte nur ein einziger Steg über den Strom, der dort in das Thal hinauskam. Als ſie an den Bach kamen, ſa¬ hen ſie zwey feindliche Reiter auf dem Stege, die beſchäftigt waren, Waſſer zu ſchöpfen. Sie ſtreck¬ ten ſich daher ſchnell unter die Sträucher auf den Boden nieder, um nicht bemerkt zu werden. Da konnten ſie zwiſchen den Zweigen hindurch die vom Monde hell beleuchtete Wieſe überſehen. Ringsum an dem Rande des Waldes ſtand dort ein Kreis von Pferden angebunden, eine Schaar von Reitern war luſtig über die Aue verbreitet. Einige putzten ſingend ihre Gewehre, andere lagen auf dem Ra¬ ſen und würfelten auf ihren ausgebreiteten Män¬ teln, mehrere Offiziere ſaſſen vorn um ein Feld¬ tiſchchen und tranken. Der eine von ihnen hatte ein Mädchen auf dem Schooß, das ihn mit dem einen Arme umſchlungen hielt. Friedrich erſchrack im In¬ nerſten, denn der Offizier war einer ſeiner Bekann¬ ten aus der Reſidenz, das Mädchen die verlorene Marie. Es war einer von jenen leichten, halbbär¬ tigen Brüdern, die im Winter zu ſeinem Kreiſe ge¬ hört, und bey anbrechendem Frühling Ernſt, Ehr¬ lichkeit und ihre gemeinſchaftlichen Beſtrebungen mit den Bällen und anderen Winterunterhaltungen ver¬ gaſſen. Ihn empörte dieſes Elend ohne Treue und Ge¬ ſinnung, wie er mit vornehmer Zufriedenheit ſeinen Schnautzbart ſtrich und auf ſeinen Säbel ſchlug, gleichviel für was oder gegen wen er ihn zog. Der

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/339>, abgerufen am 24.11.2024.