[Eckstein, Ernst:] Dudler und Dulder. Studien über die Anmaßungen der Tonkunst. Leipzig, 1893.Der Wandrer aber geht doch noch wenigstens vorüber. Weit schlimmer ist's um den Helden der nachstehenden, jüngst in den "Fliegenden Blättern" publicirten qualdurchzitterten Threnodie bestellt... Klagelied. Ich weiß nicht, was es bedeutet, Was unter mir tönt im Parterre: Die "Klosterglocken" läutet Dort ein klavierender Herr. Mein Nachbar zur Linken vernimmt es, Will übertönen den Graus, Ergreift sein Cello und stimmt es Und bricht in Etüden aus. Die schönste Jungfrau lauschet Dort oben im zweiten Stock - Worauf sie das Sopha vertauschet Mit des Klavieres Bock; Sie paukt gleich höllischen Mächten Und singt ein Lied dabei - Das hört mein Nachbar zur Rechten Und flüchtet zu seiner Schalmei. Mir wird vor den Augen es gelber, Es packt mich mit Rachbegier -: Ein Jeder hört nur sich selber - Ich höre sie alle Vier. Ich glaube, in solcher Laune Könnt' ich ein Verbrechen begehn - Ich kaufe mir eine - Posaune, Dann wollen wir weiter sehn! Der Wandrer aber geht doch noch wenigstens vorüber. Weit schlimmer ist’s um den Helden der nachstehenden, jüngst in den „Fliegenden Blättern“ publicirten qualdurchzitterten Threnodie bestellt… Klagelied. Ich weiß nicht, was es bedeutet, Was unter mir tönt im Parterre: Die „Klosterglocken“ läutet Dort ein klavierender Herr. Mein Nachbar zur Linken vernimmt es, Will übertönen den Graus, Ergreift sein Cello und stimmt es Und bricht in Etüden aus. Die schönste Jungfrau lauschet Dort oben im zweiten Stock – Worauf sie das Sopha vertauschet Mit des Klavieres Bock; Sie paukt gleich höllischen Mächten Und singt ein Lied dabei – Das hört mein Nachbar zur Rechten Und flüchtet zu seiner Schalmei. Mir wird vor den Augen es gelber, Es packt mich mit Rachbegier –: Ein Jeder hört nur sich selber – Ich höre sie alle Vier. Ich glaube, in solcher Laune Könnt’ ich ein Verbrechen begehn – Ich kaufe mir eine – Posaune, Dann wollen wir weiter sehn! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0048" n="46"/> <p>Der Wandrer aber geht doch noch wenigstens <hi rendition="#g">vorüber</hi>. Weit schlimmer ist’s um den Helden der nachstehenden, jüngst in den „Fliegenden Blättern“ publicirten qualdurchzitterten Threnodie bestellt…</p> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#g">Klagelied.</hi> </head><lb/> <lg n="1"> <l>Ich weiß nicht, was es bedeutet,</l><lb/> <l>Was unter mir tönt im Parterre:</l><lb/> <l>Die „Klosterglocken“ läutet</l><lb/> <l>Dort ein klavierender Herr.</l><lb/> <l>Mein Nachbar zur Linken vernimmt es,</l><lb/> <l>Will übertönen den Graus,</l><lb/> <l>Ergreift sein Cello und stimmt es</l><lb/> <l>Und bricht in Etüden aus.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Die schönste Jungfrau lauschet</l><lb/> <l>Dort oben im zweiten Stock –</l><lb/> <l>Worauf sie das Sopha vertauschet</l><lb/> <l>Mit des Klavieres Bock;</l><lb/> <l>Sie paukt gleich höllischen Mächten</l><lb/> <l>Und singt ein Lied dabei –</l><lb/> <l>Das hört mein Nachbar zur Rechten</l><lb/> <l>Und flüchtet zu seiner Schalmei.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Mir wird vor den Augen es gelber,</l><lb/> <l>Es packt mich mit Rachbegier –:</l><lb/> <l>Ein Jeder hört nur sich selber –</l><lb/> <l>Ich höre sie alle Vier.</l><lb/> <l>Ich glaube, in solcher Laune</l><lb/> <l>Könnt’ ich ein Verbrechen begehn –</l><lb/> <l> <hi rendition="#g">Ich kaufe mir eine – Posaune,</hi> </l><lb/> <l>Dann wollen wir weiter sehn!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [46/0048]
Der Wandrer aber geht doch noch wenigstens vorüber. Weit schlimmer ist’s um den Helden der nachstehenden, jüngst in den „Fliegenden Blättern“ publicirten qualdurchzitterten Threnodie bestellt…
Klagelied.
Ich weiß nicht, was es bedeutet,
Was unter mir tönt im Parterre:
Die „Klosterglocken“ läutet
Dort ein klavierender Herr.
Mein Nachbar zur Linken vernimmt es,
Will übertönen den Graus,
Ergreift sein Cello und stimmt es
Und bricht in Etüden aus.
Die schönste Jungfrau lauschet
Dort oben im zweiten Stock –
Worauf sie das Sopha vertauschet
Mit des Klavieres Bock;
Sie paukt gleich höllischen Mächten
Und singt ein Lied dabei –
Das hört mein Nachbar zur Rechten
Und flüchtet zu seiner Schalmei.
Mir wird vor den Augen es gelber,
Es packt mich mit Rachbegier –:
Ein Jeder hört nur sich selber –
Ich höre sie alle Vier.
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Könnt’ ich ein Verbrechen begehn –
Ich kaufe mir eine – Posaune,
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Zitationshilfe: | [Eckstein, Ernst:] Dudler und Dulder. Studien über die Anmaßungen der Tonkunst. Leipzig, 1893, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckstein_dudler_1893/48>, abgerufen am 16.02.2025. |