Nachklang jener jugendlich-seligen Tage in mir er¬ weckte. Die Strophen, die ich dieser Freundin wid¬ mete, sind daher auch ganz im Versmaß und Ton jener Elegie gedichtet und fügen sich dieser wie von selbst als versöhnender Ausgang. Dann wollte Weygand eine neue Ausgabe meines Werther veranstalten und bat mich um eine Vorrede, welches mir denn ein höchst willkommener Anlaß war, mein Gedicht an Werther zu schreiben. Da ich aber immer noch einen Rest jener Leidenschaft im Herzen hatte, so gestaltete sich das Ge¬ dicht wie von selbst als Introduction zu jener Elegie. So kam es denn, daß alle drei jetzt beisammenstehen¬ den Gedichte von demselbigen liebesschmerzlichen Ge¬ fühle durchdrungen worden und jene Trilogie der Leidenschaft sich bildete, ich wußte nicht wie."
"Ich habe Soret gerathen, mehr Trilogieen zu schrei¬ ben, und zwar soll er es auch machen wie ich eben erzählt. Er soll sich nicht die Mühe nehmen, zu irgend einer Trilogie einen eigenen Stoff zu suchen, vielmehr soll er aus dem reichen Vorrath seiner ungedruckten Poesieen irgend ein prägnantes Stück auswählen und gelegentlich eine Art Introduction und versöhnenden Abschluß hinzudichten, doch so, daß zwischen jeder der drei Productionen eine fühlbare Lücke bleibe. Auf diese Weise kommt man weit leichter zum Ziele und erspart sich viel Denken, welches bekanntlich, wie Meyer sagt, eine gar schwierige Sache ist."
Nachklang jener jugendlich-ſeligen Tage in mir er¬ weckte. Die Strophen, die ich dieſer Freundin wid¬ mete, ſind daher auch ganz im Versmaß und Ton jener Elegie gedichtet und fügen ſich dieſer wie von ſelbſt als verſöhnender Ausgang. Dann wollte Weygand eine neue Ausgabe meines Werther veranſtalten und bat mich um eine Vorrede, welches mir denn ein höchſt willkommener Anlaß war, mein Gedicht an Werther zu ſchreiben. Da ich aber immer noch einen Reſt jener Leidenſchaft im Herzen hatte, ſo geſtaltete ſich das Ge¬ dicht wie von ſelbſt als Introduction zu jener Elegie. So kam es denn, daß alle drei jetzt beiſammenſtehen¬ den Gedichte von demſelbigen liebesſchmerzlichen Ge¬ fühle durchdrungen worden und jene Trilogie der Leidenſchaft ſich bildete, ich wußte nicht wie.“
„Ich habe Soret gerathen, mehr Trilogieen zu ſchrei¬ ben, und zwar ſoll er es auch machen wie ich eben erzählt. Er ſoll ſich nicht die Mühe nehmen, zu irgend einer Trilogie einen eigenen Stoff zu ſuchen, vielmehr ſoll er aus dem reichen Vorrath ſeiner ungedruckten Poeſieen irgend ein prägnantes Stück auswählen und gelegentlich eine Art Introduction und verſöhnenden Abſchluß hinzudichten, doch ſo, daß zwiſchen jeder der drei Productionen eine fühlbare Lücke bleibe. Auf dieſe Weiſe kommt man weit leichter zum Ziele und erſpart ſich viel Denken, welches bekanntlich, wie Meyer ſagt, eine gar ſchwierige Sache iſt.“
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Nachklang jener jugendlich-ſeligen Tage in mir er¬
weckte. Die Strophen, die ich dieſer Freundin wid¬
mete, ſind daher auch ganz im Versmaß und Ton
jener Elegie gedichtet und fügen ſich dieſer wie von
ſelbſt als verſöhnender Ausgang. Dann wollte Weygand
eine neue Ausgabe meines Werther veranſtalten und
bat mich um eine Vorrede, welches mir denn ein höchſt
willkommener Anlaß war, mein Gedicht an Werther zu
ſchreiben. Da ich aber immer noch einen Reſt jener
Leidenſchaft im Herzen hatte, ſo geſtaltete ſich das Ge¬
dicht wie von ſelbſt als Introduction zu jener Elegie.
So kam es denn, daß alle drei jetzt beiſammenſtehen¬
den Gedichte von demſelbigen liebesſchmerzlichen Ge¬
fühle durchdrungen worden und jene Trilogie der
Leidenſchaft ſich bildete, ich wußte nicht wie.“
„Ich habe Soret gerathen, mehr Trilogieen zu ſchrei¬
ben, und zwar ſoll er es auch machen wie ich eben
erzählt. Er ſoll ſich nicht die Mühe nehmen, zu irgend
einer Trilogie einen eigenen Stoff zu ſuchen, vielmehr
ſoll er aus dem reichen Vorrath ſeiner ungedruckten
Poeſieen irgend ein prägnantes Stück auswählen und
gelegentlich eine Art Introduction und verſöhnenden
Abſchluß hinzudichten, doch ſo, daß zwiſchen jeder der
drei Productionen eine fühlbare Lücke bleibe. Auf
dieſe Weiſe kommt man weit leichter zum Ziele und
erſpart ſich viel Denken, welches bekanntlich, wie Meyer
ſagt, eine gar ſchwierige Sache iſt.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/384>, abgerufen am 23.11.2024.
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