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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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Nachklang jener jugendlich-seligen Tage in mir er¬
weckte. Die Strophen, die ich dieser Freundin wid¬
mete, sind daher auch ganz im Versmaß und Ton
jener Elegie gedichtet und fügen sich dieser wie von
selbst als versöhnender Ausgang. Dann wollte Weygand
eine neue Ausgabe meines Werther veranstalten und
bat mich um eine Vorrede, welches mir denn ein höchst
willkommener Anlaß war, mein Gedicht an Werther zu
schreiben. Da ich aber immer noch einen Rest jener
Leidenschaft im Herzen hatte, so gestaltete sich das Ge¬
dicht wie von selbst als Introduction zu jener Elegie.
So kam es denn, daß alle drei jetzt beisammenstehen¬
den Gedichte von demselbigen liebesschmerzlichen Ge¬
fühle durchdrungen worden und jene Trilogie der
Leidenschaft sich bildete, ich wußte nicht wie."

"Ich habe Soret gerathen, mehr Trilogieen zu schrei¬
ben, und zwar soll er es auch machen wie ich eben
erzählt. Er soll sich nicht die Mühe nehmen, zu irgend
einer Trilogie einen eigenen Stoff zu suchen, vielmehr
soll er aus dem reichen Vorrath seiner ungedruckten
Poesieen irgend ein prägnantes Stück auswählen und
gelegentlich eine Art Introduction und versöhnenden
Abschluß hinzudichten, doch so, daß zwischen jeder der
drei Productionen eine fühlbare Lücke bleibe. Auf
diese Weise kommt man weit leichter zum Ziele und
erspart sich viel Denken, welches bekanntlich, wie Meyer
sagt, eine gar schwierige Sache ist."

Nachklang jener jugendlich-ſeligen Tage in mir er¬
weckte. Die Strophen, die ich dieſer Freundin wid¬
mete, ſind daher auch ganz im Versmaß und Ton
jener Elegie gedichtet und fügen ſich dieſer wie von
ſelbſt als verſöhnender Ausgang. Dann wollte Weygand
eine neue Ausgabe meines Werther veranſtalten und
bat mich um eine Vorrede, welches mir denn ein höchſt
willkommener Anlaß war, mein Gedicht an Werther zu
ſchreiben. Da ich aber immer noch einen Reſt jener
Leidenſchaft im Herzen hatte, ſo geſtaltete ſich das Ge¬
dicht wie von ſelbſt als Introduction zu jener Elegie.
So kam es denn, daß alle drei jetzt beiſammenſtehen¬
den Gedichte von demſelbigen liebesſchmerzlichen Ge¬
fühle durchdrungen worden und jene Trilogie der
Leidenſchaft ſich bildete, ich wußte nicht wie.“

„Ich habe Soret gerathen, mehr Trilogieen zu ſchrei¬
ben, und zwar ſoll er es auch machen wie ich eben
erzählt. Er ſoll ſich nicht die Mühe nehmen, zu irgend
einer Trilogie einen eigenen Stoff zu ſuchen, vielmehr
ſoll er aus dem reichen Vorrath ſeiner ungedruckten
Poeſieen irgend ein prägnantes Stück auswählen und
gelegentlich eine Art Introduction und verſöhnenden
Abſchluß hinzudichten, doch ſo, daß zwiſchen jeder der
drei Productionen eine fühlbare Lücke bleibe. Auf
dieſe Weiſe kommt man weit leichter zum Ziele und
erſpart ſich viel Denken, welches bekanntlich, wie Meyer
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[362/0384] Nachklang jener jugendlich-ſeligen Tage in mir er¬ weckte. Die Strophen, die ich dieſer Freundin wid¬ mete, ſind daher auch ganz im Versmaß und Ton jener Elegie gedichtet und fügen ſich dieſer wie von ſelbſt als verſöhnender Ausgang. Dann wollte Weygand eine neue Ausgabe meines Werther veranſtalten und bat mich um eine Vorrede, welches mir denn ein höchſt willkommener Anlaß war, mein Gedicht an Werther zu ſchreiben. Da ich aber immer noch einen Reſt jener Leidenſchaft im Herzen hatte, ſo geſtaltete ſich das Ge¬ dicht wie von ſelbſt als Introduction zu jener Elegie. So kam es denn, daß alle drei jetzt beiſammenſtehen¬ den Gedichte von demſelbigen liebesſchmerzlichen Ge¬ fühle durchdrungen worden und jene Trilogie der Leidenſchaft ſich bildete, ich wußte nicht wie.“ „Ich habe Soret gerathen, mehr Trilogieen zu ſchrei¬ ben, und zwar ſoll er es auch machen wie ich eben erzählt. Er ſoll ſich nicht die Mühe nehmen, zu irgend einer Trilogie einen eigenen Stoff zu ſuchen, vielmehr ſoll er aus dem reichen Vorrath ſeiner ungedruckten Poeſieen irgend ein prägnantes Stück auswählen und gelegentlich eine Art Introduction und verſöhnenden Abſchluß hinzudichten, doch ſo, daß zwiſchen jeder der drei Productionen eine fühlbare Lücke bleibe. Auf dieſe Weiſe kommt man weit leichter zum Ziele und erſpart ſich viel Denken, welches bekanntlich, wie Meyer ſagt, eine gar ſchwierige Sache iſt.“

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/384>, abgerufen am 23.11.2024.