Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Figur auf der Bühne deutlich machen wolle. Wenn
man auch das Persönchen selber nicht sähe, sagte ich,
doch das Leuchtende in der Flasche müßte man sehen,
und das Bedeutende was er zu sagen hat, müßte doch
so vorgetragen werden, wie es von einem Kinde nicht
geschehen kann.

"Wagner, sagte Goethe, darf die Flasche nicht aus
den Händen lassen, und die Stimme müßte so kommen,
als wenn sie aus der Flasche käme. Es wäre eine Rolle
für einen Bauchredner, wie ich deren gehört habe, und
der sich gewiß gut aus der Affaire ziehen würde."

So auch gedachten wir des großen Carnevals und
inwiefern es möglich, es auf der Bühne zur Erscheinung
zu bringen. Es wäre doch noch ein wenig mehr, sagte
ich, wie der Markt von Neapel. "Es würde ein sehr
großes Theater erfordern, sagte Goethe, und es ist fast
nicht denkbar." Ich hoffe es noch zu erleben, war
meine Antwort. Besonders freue ich mich auf den Ele¬
phanten, von der Klugheit gelenkt, die Victoria oben,
und Furcht und Hoffnung in Ketten an den Seiten.
Es ist doch eine Allegorie wie sie nicht leicht besser
existiren möchte.

"Es wäre auf der Bühne nicht der erste Elephant,
sagte Goethe. In Paris spielt einer eine völlige Rolle;
er ist von einer Volkspartey und nimmt dem einen Kö¬
nig die Krone ab und setzt sie dem andern auf, welches

Figur auf der Buͤhne deutlich machen wolle. Wenn
man auch das Perſoͤnchen ſelber nicht ſaͤhe, ſagte ich,
doch das Leuchtende in der Flaſche muͤßte man ſehen,
und das Bedeutende was er zu ſagen hat, muͤßte doch
ſo vorgetragen werden, wie es von einem Kinde nicht
geſchehen kann.

„Wagner, ſagte Goethe, darf die Flaſche nicht aus
den Haͤnden laſſen, und die Stimme muͤßte ſo kommen,
als wenn ſie aus der Flaſche kaͤme. Es waͤre eine Rolle
fuͤr einen Bauchredner, wie ich deren gehoͤrt habe, und
der ſich gewiß gut aus der Affaire ziehen wuͤrde.“

So auch gedachten wir des großen Carnevals und
inwiefern es moͤglich, es auf der Buͤhne zur Erſcheinung
zu bringen. Es waͤre doch noch ein wenig mehr, ſagte
ich, wie der Markt von Neapel. „Es wuͤrde ein ſehr
großes Theater erfordern, ſagte Goethe, und es iſt faſt
nicht denkbar.“ Ich hoffe es noch zu erleben, war
meine Antwort. Beſonders freue ich mich auf den Ele¬
phanten, von der Klugheit gelenkt, die Victoria oben,
und Furcht und Hoffnung in Ketten an den Seiten.
Es iſt doch eine Allegorie wie ſie nicht leicht beſſer
exiſtiren moͤchte.

„Es waͤre auf der Buͤhne nicht der erſte Elephant,
ſagte Goethe. In Paris ſpielt einer eine voͤllige Rolle;
er iſt von einer Volkspartey und nimmt dem einen Koͤ¬
nig die Krone ab und ſetzt ſie dem andern auf, welches

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0170" n="160"/>
Figur auf der Bu&#x0364;hne deutlich machen wolle. Wenn<lb/>
man auch das Per&#x017F;o&#x0364;nchen &#x017F;elber nicht &#x017F;a&#x0364;he, &#x017F;agte ich,<lb/>
doch das Leuchtende in der Fla&#x017F;che mu&#x0364;ßte man &#x017F;ehen,<lb/>
und das Bedeutende was er zu &#x017F;agen hat, mu&#x0364;ßte doch<lb/>
&#x017F;o vorgetragen werden, wie es von einem Kinde nicht<lb/>
ge&#x017F;chehen kann.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wagner, &#x017F;agte Goethe, darf die Fla&#x017F;che nicht aus<lb/>
den Ha&#x0364;nden la&#x017F;&#x017F;en, und die Stimme mu&#x0364;ßte &#x017F;o kommen,<lb/>
als wenn &#x017F;ie aus der Fla&#x017F;che ka&#x0364;me. Es wa&#x0364;re eine Rolle<lb/>
fu&#x0364;r einen Bauchredner, wie ich deren geho&#x0364;rt habe, und<lb/>
der &#x017F;ich gewiß gut aus der Affaire ziehen wu&#x0364;rde.&#x201C;</p><lb/>
          <p>So auch gedachten wir des großen Carnevals und<lb/>
inwiefern es mo&#x0364;glich, es auf der Bu&#x0364;hne zur Er&#x017F;cheinung<lb/>
zu bringen. Es wa&#x0364;re doch noch ein wenig mehr, &#x017F;agte<lb/>
ich, wie der Markt von Neapel. &#x201E;Es wu&#x0364;rde ein &#x017F;ehr<lb/>
großes Theater erfordern, &#x017F;agte Goethe, und es i&#x017F;t fa&#x017F;t<lb/>
nicht denkbar.&#x201C; Ich hoffe es noch zu erleben, war<lb/>
meine Antwort. Be&#x017F;onders freue ich mich auf den Ele¬<lb/>
phanten, von der Klugheit gelenkt, die Victoria oben,<lb/>
und Furcht und Hoffnung in Ketten an den Seiten.<lb/>
Es i&#x017F;t doch eine Allegorie wie &#x017F;ie nicht leicht be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
exi&#x017F;tiren mo&#x0364;chte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es wa&#x0364;re auf der Bu&#x0364;hne nicht der er&#x017F;te Elephant,<lb/>
&#x017F;agte Goethe. In Paris &#x017F;pielt einer eine vo&#x0364;llige Rolle;<lb/>
er i&#x017F;t von einer Volkspartey und nimmt dem einen Ko&#x0364;¬<lb/>
nig die Krone ab und &#x017F;etzt &#x017F;ie dem andern auf, welches<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0170] Figur auf der Buͤhne deutlich machen wolle. Wenn man auch das Perſoͤnchen ſelber nicht ſaͤhe, ſagte ich, doch das Leuchtende in der Flaſche muͤßte man ſehen, und das Bedeutende was er zu ſagen hat, muͤßte doch ſo vorgetragen werden, wie es von einem Kinde nicht geſchehen kann. „Wagner, ſagte Goethe, darf die Flaſche nicht aus den Haͤnden laſſen, und die Stimme muͤßte ſo kommen, als wenn ſie aus der Flaſche kaͤme. Es waͤre eine Rolle fuͤr einen Bauchredner, wie ich deren gehoͤrt habe, und der ſich gewiß gut aus der Affaire ziehen wuͤrde.“ So auch gedachten wir des großen Carnevals und inwiefern es moͤglich, es auf der Buͤhne zur Erſcheinung zu bringen. Es waͤre doch noch ein wenig mehr, ſagte ich, wie der Markt von Neapel. „Es wuͤrde ein ſehr großes Theater erfordern, ſagte Goethe, und es iſt faſt nicht denkbar.“ Ich hoffe es noch zu erleben, war meine Antwort. Beſonders freue ich mich auf den Ele¬ phanten, von der Klugheit gelenkt, die Victoria oben, und Furcht und Hoffnung in Ketten an den Seiten. Es iſt doch eine Allegorie wie ſie nicht leicht beſſer exiſtiren moͤchte. „Es waͤre auf der Buͤhne nicht der erſte Elephant, ſagte Goethe. In Paris ſpielt einer eine voͤllige Rolle; er iſt von einer Volkspartey und nimmt dem einen Koͤ¬ nig die Krone ab und ſetzt ſie dem andern auf, welches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/170
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/170>, abgerufen am 28.04.2024.