vom Haken; tausend Motten und Insecten flattern her¬ aus, und indem Mephistopheles ausspricht, wo diese sich wieder unterthun, tritt uns die umgebende Localität sehr deutlich vor die Augen. Er zieht den Pelz an, um, während Faust hinter einem Vorhange im paraly¬ sirten Zustande liegt, wieder einmal den Herrn zu spie¬ len. Er zieht die Klingel; die Glocke giebt in den ein¬ samen alten Kloster-Hallen einen so fürchterlichen Ton, daß die Thüren aufspringen und die Mauern erbeben. Der Famulus stürzt herbey und findet in Fausts Stuhle den Mephistopheles sitzen, den er nicht kennt, aber vor dem er Respect hat. Auf Befragen giebt er Nachricht von Wagner, der unterdeß ein berühmter Mann gewor¬ den und auf die Rückkehr seines Herrn hofft. Er ist, wie wir hören, in diesem Augenblick in seinem Labora¬ torium tief beschäftigt, einen Homunculus hervorzubrin¬ gen. Der Famulus wird entlassen; es erscheint der Baccalaureus, derselbige, den wir vor einigen Jahren als schüchternen jungen Studenten gesehen, wo Mephi¬ stopheles, in Fausts Rocke, ihn zum Besten hatte. Er ist unterdeß ein Mann geworden und so voller Dünkel, daß selbst Mephistopheles nicht mit ihm auskommen kann, der mit seinem Stuhle immer weiter rückt und sich zuletzt ans Parterre wendet.
Goethe las die Scene bis zu Ende. Ich freute mich an der jugendlich productiven Kraft, und wie alles so knapp beysammen war.
vom Haken; tauſend Motten und Inſecten flattern her¬ aus, und indem Mephiſtopheles ausſpricht, wo dieſe ſich wieder unterthun, tritt uns die umgebende Localitaͤt ſehr deutlich vor die Augen. Er zieht den Pelz an, um, waͤhrend Fauſt hinter einem Vorhange im paraly¬ ſirten Zuſtande liegt, wieder einmal den Herrn zu ſpie¬ len. Er zieht die Klingel; die Glocke giebt in den ein¬ ſamen alten Kloſter-Hallen einen ſo fuͤrchterlichen Ton, daß die Thuͤren aufſpringen und die Mauern erbeben. Der Famulus ſtuͤrzt herbey und findet in Fauſts Stuhle den Mephiſtopheles ſitzen, den er nicht kennt, aber vor dem er Reſpect hat. Auf Befragen giebt er Nachricht von Wagner, der unterdeß ein beruͤhmter Mann gewor¬ den und auf die Ruͤckkehr ſeines Herrn hofft. Er iſt, wie wir hoͤren, in dieſem Augenblick in ſeinem Labora¬ torium tief beſchaͤftigt, einen Homunculus hervorzubrin¬ gen. Der Famulus wird entlaſſen; es erſcheint der Baccalaureus, derſelbige, den wir vor einigen Jahren als ſchuͤchternen jungen Studenten geſehen, wo Mephi¬ ſtopheles, in Fauſts Rocke, ihn zum Beſten hatte. Er iſt unterdeß ein Mann geworden und ſo voller Duͤnkel, daß ſelbſt Mephiſtopheles nicht mit ihm auskommen kann, der mit ſeinem Stuhle immer weiter ruͤckt und ſich zuletzt ans Parterre wendet.
Goethe las die Scene bis zu Ende. Ich freute mich an der jugendlich productiven Kraft, und wie alles ſo knapp beyſammen war.
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vom Haken; tauſend Motten und Inſecten flattern her¬
aus, und indem Mephiſtopheles ausſpricht, wo dieſe
ſich wieder unterthun, tritt uns die umgebende Localitaͤt
ſehr deutlich vor die Augen. Er zieht den Pelz an,
um, waͤhrend Fauſt hinter einem Vorhange im paraly¬
ſirten Zuſtande liegt, wieder einmal den Herrn zu ſpie¬
len. Er zieht die Klingel; die Glocke giebt in den ein¬
ſamen alten Kloſter-Hallen einen ſo fuͤrchterlichen Ton,
daß die Thuͤren aufſpringen und die Mauern erbeben.
Der Famulus ſtuͤrzt herbey und findet in Fauſts Stuhle
den Mephiſtopheles ſitzen, den er nicht kennt, aber vor
dem er Reſpect hat. Auf Befragen giebt er Nachricht
von Wagner, der unterdeß ein beruͤhmter Mann gewor¬
den und auf die Ruͤckkehr ſeines Herrn hofft. Er iſt,
wie wir hoͤren, in dieſem Augenblick in ſeinem Labora¬
torium tief beſchaͤftigt, einen Homunculus hervorzubrin¬
gen. Der Famulus wird entlaſſen; es erſcheint der
Baccalaureus, derſelbige, den wir vor einigen Jahren
als ſchuͤchternen jungen Studenten geſehen, wo Mephi¬
ſtopheles, in Fauſts Rocke, ihn zum Beſten hatte. Er
iſt unterdeß ein Mann geworden und ſo voller Duͤnkel,
daß ſelbſt Mephiſtopheles nicht mit ihm auskommen
kann, der mit ſeinem Stuhle immer weiter ruͤckt und
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Goethe las die Scene bis zu Ende. Ich freute
mich an der jugendlich productiven Kraft, und wie alles
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/161>, abgerufen am 23.11.2024.
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