ausführe. In Amerika haben sie selbst große Neger- Colonieen angelegt, die sehr productiv sind und jährlich einen großen Ertrag an Schwarzen liefern. Mit diesen versehen sie die nordamerikanischen Bedürfnisse, und in¬ dem sie auf solche Weise einen höchst einträglichen Han¬ del treiben, wäre die Einfuhr von Außen ihrem mer¬ kantilischen Interesse sehr im Wege, und sie predigen daher, nicht ohne Object, gegen den inhumanen Han¬ del. Noch auf dem Wiener Congreß argumentirte der englische Gesandte sehr lebhaft dagegen; aber der por¬ tugiesische war klug genug, in aller Ruhe zu antwor¬ ten, daß er nicht wisse, daß man zusammengekommen sey, ein allgemeines Weltgericht abzugeben, oder die Grundsätze der Moral festzusetzen. -- Er kannte das englische Object recht gut, und so hatte auch er das seinige, wofür er zu reden und welches er zu erlangen wußte."
Sonntag, den 6. December 1829.
Heute nach Tisch las Goethe mir die erste Scene vom zweyten Act des Faust. Der Eindruck war groß, und verbreitete in meinem Innern ein hohes Glück. Wir sind wieder in Fausts Studirzimmer versetzt, und Mephistopheles findet noch alles am alten Platze wie er es verlassen hat. Fausts alten Studirpelz nimmt er
ausfuͤhre. In Amerika haben ſie ſelbſt große Neger- Colonieen angelegt, die ſehr productiv ſind und jaͤhrlich einen großen Ertrag an Schwarzen liefern. Mit dieſen verſehen ſie die nordamerikaniſchen Beduͤrfniſſe, und in¬ dem ſie auf ſolche Weiſe einen hoͤchſt eintraͤglichen Han¬ del treiben, waͤre die Einfuhr von Außen ihrem mer¬ kantiliſchen Intereſſe ſehr im Wege, und ſie predigen daher, nicht ohne Object, gegen den inhumanen Han¬ del. Noch auf dem Wiener Congreß argumentirte der engliſche Geſandte ſehr lebhaft dagegen; aber der por¬ tugieſiſche war klug genug, in aller Ruhe zu antwor¬ ten, daß er nicht wiſſe, daß man zuſammengekommen ſey, ein allgemeines Weltgericht abzugeben, oder die Grundſaͤtze der Moral feſtzuſetzen. — Er kannte das engliſche Object recht gut, und ſo hatte auch er das ſeinige, wofuͤr er zu reden und welches er zu erlangen wußte.“
Sonntag, den 6. December 1829.
Heute nach Tiſch las Goethe mir die erſte Scene vom zweyten Act des Fauſt. Der Eindruck war groß, und verbreitete in meinem Innern ein hohes Gluͤck. Wir ſind wieder in Fauſts Studirzimmer verſetzt, und Mephiſtopheles findet noch alles am alten Platze wie er es verlaſſen hat. Fauſts alten Studirpelz nimmt er
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0160"n="150"/>
ausfuͤhre. In Amerika haben ſie ſelbſt große Neger-<lb/>
Colonieen angelegt, die ſehr productiv ſind und jaͤhrlich<lb/>
einen großen Ertrag an Schwarzen liefern. Mit dieſen<lb/>
verſehen ſie die nordamerikaniſchen Beduͤrfniſſe, und in¬<lb/>
dem ſie auf ſolche Weiſe einen hoͤchſt eintraͤglichen Han¬<lb/>
del treiben, waͤre die Einfuhr von Außen ihrem mer¬<lb/>
kantiliſchen Intereſſe ſehr im Wege, und ſie predigen<lb/>
daher, nicht ohne Object, gegen den inhumanen Han¬<lb/>
del. Noch auf dem Wiener Congreß argumentirte der<lb/>
engliſche Geſandte ſehr lebhaft dagegen; aber der por¬<lb/>
tugieſiſche war klug genug, in aller Ruhe zu antwor¬<lb/>
ten, daß er nicht wiſſe, daß man zuſammengekommen<lb/>ſey, ein allgemeines Weltgericht abzugeben, oder die<lb/>
Grundſaͤtze der Moral feſtzuſetzen. — Er kannte das<lb/>
engliſche Object recht gut, und ſo hatte auch er das<lb/>ſeinige, wofuͤr er zu reden und welches er zu erlangen<lb/>
wußte.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><datelinerendition="#right">Sonntag, den 6. December 1829.<lb/></dateline><p>Heute nach Tiſch las Goethe mir die erſte Scene<lb/>
vom zweyten Act des <hirendition="#g">Fauſt</hi>. Der Eindruck war groß,<lb/>
und verbreitete in meinem Innern ein hohes Gluͤck.<lb/>
Wir ſind wieder in Fauſts Studirzimmer verſetzt, und<lb/>
Mephiſtopheles findet noch alles am alten Platze wie er<lb/>
es verlaſſen hat. Fauſts alten Studirpelz nimmt er<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[150/0160]
ausfuͤhre. In Amerika haben ſie ſelbſt große Neger-
Colonieen angelegt, die ſehr productiv ſind und jaͤhrlich
einen großen Ertrag an Schwarzen liefern. Mit dieſen
verſehen ſie die nordamerikaniſchen Beduͤrfniſſe, und in¬
dem ſie auf ſolche Weiſe einen hoͤchſt eintraͤglichen Han¬
del treiben, waͤre die Einfuhr von Außen ihrem mer¬
kantiliſchen Intereſſe ſehr im Wege, und ſie predigen
daher, nicht ohne Object, gegen den inhumanen Han¬
del. Noch auf dem Wiener Congreß argumentirte der
engliſche Geſandte ſehr lebhaft dagegen; aber der por¬
tugieſiſche war klug genug, in aller Ruhe zu antwor¬
ten, daß er nicht wiſſe, daß man zuſammengekommen
ſey, ein allgemeines Weltgericht abzugeben, oder die
Grundſaͤtze der Moral feſtzuſetzen. — Er kannte das
engliſche Object recht gut, und ſo hatte auch er das
ſeinige, wofuͤr er zu reden und welches er zu erlangen
wußte.“
Sonntag, den 6. December 1829.
Heute nach Tiſch las Goethe mir die erſte Scene
vom zweyten Act des Fauſt. Der Eindruck war groß,
und verbreitete in meinem Innern ein hohes Gluͤck.
Wir ſind wieder in Fauſts Studirzimmer verſetzt, und
Mephiſtopheles findet noch alles am alten Platze wie er
es verlaſſen hat. Fauſts alten Studirpelz nimmt er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/160>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.