bey mir bleiben wollen, so sollen Sie etwas machen, woran Sie und Andere Freude haben."
Ich hörte dieses mit großem Interesse. Wie aber, sagte ich, soll man erkennen, daß einer zur bildenden Kunst ein wahrhaftes Talent habe?
"Das wirkliche Talent, sagte Goethe, besitzt einen angeborenen Sinn für die Gestalt, die Verhältnisse und die Farbe, so daß es alles dieses unter weniger Anlei¬ tung sehr bald und richtig macht. Besonders hat es den Sinn für das Körperliche, und den Trieb, es durch die Beleuchtung handgreiflich zu machen. Auch in den Zwischenpausen der Übung schreitet es fort und wächst im Innern. Ein solches Talent ist nicht schwer zu er¬ kennen, am besten aber erkennt es der Meister."
"Ich habe diesen Morgen das Fürstenhaus besucht, fuhr Goethe sehr heiter fort; die Zimmer der Großher¬ zogin sind höchst geschmackvoll gerathen und Coudray hat mit seinen Italienern neue Proben großer Geschick¬ lichkeit abgelegt. Die Maler waren an den Wänden noch beschäftigt; es sind ein paar Mayländer; ich redete sie gleich italienisch an und merkte, daß ich die Sprache nicht vergessen hatte. Sie erzählten mir, daß sie zuletzt das Schloß des Königs von Würtemberg gemalt, daß sie sodann nach Gotha verschrieben worden, wo sie indeß nicht hätten einig werden können; man habe zur selben Zeit in Weimar von ihnen erfahren, und sie hieher be¬ rufen, um die Zimmer der Großherzogin zu decoriren.
bey mir bleiben wollen, ſo ſollen Sie etwas machen, woran Sie und Andere Freude haben.“
Ich hoͤrte dieſes mit großem Intereſſe. Wie aber, ſagte ich, ſoll man erkennen, daß einer zur bildenden Kunſt ein wahrhaftes Talent habe?
„Das wirkliche Talent, ſagte Goethe, beſitzt einen angeborenen Sinn fuͤr die Geſtalt, die Verhaͤltniſſe und die Farbe, ſo daß es alles dieſes unter weniger Anlei¬ tung ſehr bald und richtig macht. Beſonders hat es den Sinn fuͤr das Koͤrperliche, und den Trieb, es durch die Beleuchtung handgreiflich zu machen. Auch in den Zwiſchenpauſen der Übung ſchreitet es fort und waͤchſt im Innern. Ein ſolches Talent iſt nicht ſchwer zu er¬ kennen, am beſten aber erkennt es der Meiſter.“
„Ich habe dieſen Morgen das Fuͤrſtenhaus beſucht, fuhr Goethe ſehr heiter fort; die Zimmer der Großher¬ zogin ſind hoͤchſt geſchmackvoll gerathen und Coudray hat mit ſeinen Italienern neue Proben großer Geſchick¬ lichkeit abgelegt. Die Maler waren an den Waͤnden noch beſchaͤftigt; es ſind ein paar Maylaͤnder; ich redete ſie gleich italieniſch an und merkte, daß ich die Sprache nicht vergeſſen hatte. Sie erzaͤhlten mir, daß ſie zuletzt das Schloß des Koͤnigs von Wuͤrtemberg gemalt, daß ſie ſodann nach Gotha verſchrieben worden, wo ſie indeß nicht haͤtten einig werden koͤnnen; man habe zur ſelben Zeit in Weimar von ihnen erfahren, und ſie hieher be¬ rufen, um die Zimmer der Großherzogin zu decoriren.
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bey mir bleiben wollen, ſo ſollen Sie etwas machen,
woran Sie und Andere Freude haben.“
Ich hoͤrte dieſes mit großem Intereſſe. Wie aber,
ſagte ich, ſoll man erkennen, daß einer zur bildenden
Kunſt ein wahrhaftes Talent habe?
„Das wirkliche Talent, ſagte Goethe, beſitzt einen
angeborenen Sinn fuͤr die Geſtalt, die Verhaͤltniſſe und
die Farbe, ſo daß es alles dieſes unter weniger Anlei¬
tung ſehr bald und richtig macht. Beſonders hat es
den Sinn fuͤr das Koͤrperliche, und den Trieb, es durch
die Beleuchtung handgreiflich zu machen. Auch in den
Zwiſchenpauſen der Übung ſchreitet es fort und waͤchſt
im Innern. Ein ſolches Talent iſt nicht ſchwer zu er¬
kennen, am beſten aber erkennt es der Meiſter.“
„Ich habe dieſen Morgen das Fuͤrſtenhaus beſucht,
fuhr Goethe ſehr heiter fort; die Zimmer der Großher¬
zogin ſind hoͤchſt geſchmackvoll gerathen und Coudray
hat mit ſeinen Italienern neue Proben großer Geſchick¬
lichkeit abgelegt. Die Maler waren an den Waͤnden
noch beſchaͤftigt; es ſind ein paar Maylaͤnder; ich redete
ſie gleich italieniſch an und merkte, daß ich die Sprache
nicht vergeſſen hatte. Sie erzaͤhlten mir, daß ſie zuletzt
das Schloß des Koͤnigs von Wuͤrtemberg gemalt, daß
ſie ſodann nach Gotha verſchrieben worden, wo ſie indeß
nicht haͤtten einig werden koͤnnen; man habe zur ſelben
Zeit in Weimar von ihnen erfahren, und ſie hieher be¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/143>, abgerufen am 28.11.2024.
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