hat zu thun, diese insoweit zu kennen und sich insoweit dienstbar zu machen, als er es zu seinen Zwecken bedarf. Von sich selber weiß er bloß wenn er genießt oder lei¬ det, und so wird er auch bloß durch Leiden und Freu¬ den über sich belehrt, was er zu suchen oder zu meiden hat. Übrigens aber ist der Mensch ein dunkeles Wesen, er weiß nicht woher er kommt, noch wohin er geht, er weiß wenig von der Welt und am wenigsten von sich selber. Ich kenne mich auch nicht und Gott soll mich auch davor behüten. Was ich aber sagen wollte ist dieses, daß ich in Italien in meinem vierzigsten Jahre klug genug war, um mich selber insoweit zu kennen, daß ich kein Talent zur bildenden Kunst habe, und daß diese meine Tendenz eine falsche sey. Wenn ich etwas zeichnete, so fehlte es mir an genugsamem Trieb für das Körperliche; ich hatte eine gewisse Furcht die Ge¬ genstände auf mich eindringend zu machen, vielmehr war das Schwächere, das Mäßige nach meinem Sinn. Machte ich eine Landschaft und kam ich aus den schwa¬ chen Fernen durch die Mittelgründe heran, so fürchtete ich immer dem Vordergrund die gehörige Kraft zu geben, und so that denn mein Bild nie die rechte Wirkung. Auch machte ich keine Fortschritte, ohne mich zu üben, und ich mußte immer wieder von vorne anfangen wenn ich eine Zeitlang ausgesetzt hatte. Ganz ohne Talent war ich jedoch nicht, besonders zu Landschaften, und Hackert sagte sehr oft: wenn Sie achtzehn Monate
hat zu thun, dieſe inſoweit zu kennen und ſich inſoweit dienſtbar zu machen, als er es zu ſeinen Zwecken bedarf. Von ſich ſelber weiß er bloß wenn er genießt oder lei¬ det, und ſo wird er auch bloß durch Leiden und Freu¬ den uͤber ſich belehrt, was er zu ſuchen oder zu meiden hat. Übrigens aber iſt der Menſch ein dunkeles Weſen, er weiß nicht woher er kommt, noch wohin er geht, er weiß wenig von der Welt und am wenigſten von ſich ſelber. Ich kenne mich auch nicht und Gott ſoll mich auch davor behuͤten. Was ich aber ſagen wollte iſt dieſes, daß ich in Italien in meinem vierzigſten Jahre klug genug war, um mich ſelber inſoweit zu kennen, daß ich kein Talent zur bildenden Kunſt habe, und daß dieſe meine Tendenz eine falſche ſey. Wenn ich etwas zeichnete, ſo fehlte es mir an genugſamem Trieb fuͤr das Koͤrperliche; ich hatte eine gewiſſe Furcht die Ge¬ genſtaͤnde auf mich eindringend zu machen, vielmehr war das Schwaͤchere, das Maͤßige nach meinem Sinn. Machte ich eine Landſchaft und kam ich aus den ſchwa¬ chen Fernen durch die Mittelgruͤnde heran, ſo fuͤrchtete ich immer dem Vordergrund die gehoͤrige Kraft zu geben, und ſo that denn mein Bild nie die rechte Wirkung. Auch machte ich keine Fortſchritte, ohne mich zu uͤben, und ich mußte immer wieder von vorne anfangen wenn ich eine Zeitlang ausgeſetzt hatte. Ganz ohne Talent war ich jedoch nicht, beſonders zu Landſchaften, und Hackert ſagte ſehr oft: wenn Sie achtzehn Monate
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hat zu thun, dieſe inſoweit zu kennen und ſich inſoweit
dienſtbar zu machen, als er es zu ſeinen Zwecken bedarf.
Von ſich ſelber weiß er bloß wenn er genießt oder lei¬
det, und ſo wird er auch bloß durch Leiden und Freu¬
den uͤber ſich belehrt, was er zu ſuchen oder zu meiden
hat. Übrigens aber iſt der Menſch ein dunkeles Weſen,
er weiß nicht woher er kommt, noch wohin er geht, er
weiß wenig von der Welt und am wenigſten von ſich
ſelber. Ich kenne mich auch nicht und Gott ſoll mich
auch davor behuͤten. Was ich aber ſagen wollte iſt
dieſes, daß ich in Italien in meinem vierzigſten Jahre
klug genug war, um mich ſelber inſoweit zu kennen,
daß ich kein Talent zur bildenden Kunſt habe, und daß
dieſe meine Tendenz eine falſche ſey. Wenn ich etwas
zeichnete, ſo fehlte es mir an genugſamem Trieb fuͤr
das Koͤrperliche; ich hatte eine gewiſſe Furcht die Ge¬
genſtaͤnde auf mich eindringend zu machen, vielmehr war
das Schwaͤchere, das Maͤßige nach meinem Sinn.
Machte ich eine Landſchaft und kam ich aus den ſchwa¬
chen Fernen durch die Mittelgruͤnde heran, ſo fuͤrchtete
ich immer dem Vordergrund die gehoͤrige Kraft zu geben,
und ſo that denn mein Bild nie die rechte Wirkung.
Auch machte ich keine Fortſchritte, ohne mich zu uͤben,
und ich mußte immer wieder von vorne anfangen wenn
ich eine Zeitlang ausgeſetzt hatte. Ganz ohne Talent
war ich jedoch nicht, beſonders zu Landſchaften, und
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/142>, abgerufen am 24.11.2024.
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