Goethe sprach sodann von Egon Eberts neuestem epischen Gedicht, deßgleichen von der früheren Weiber¬ herrschaft in Böhmen, und woher die Sage von den Amazonen entstanden.
Dieß brachte die Unterhaltung auf das Epos eines anderen Dichters, der sich viel Mühe gegeben, sein Werk in öffentlichen Blättern günstig beurtheilt zu sehen. "Solche Urtheile, sagte Goethe, sind denn auch hier und dort erschienen. Nun aber ist die Hallische Lite¬ raturzeitung dahinter gekommen, und hat gradezu aus¬ gesprochen, was von dem Gedicht eigentlich zu halten, wodurch denn alle günstigen Redensarten der übrigen Blätter vernichtet worden. Wer jetzt nicht das Rechte will, ist bald entdeckt; es ist nicht mehr die Zeit, das Publicum zum Besten zu haben und es in die Irre zu führen."
Ich bewundere, sagte ich, daß die Menschen um ein wenig Namen es sich so sauer werden lassen, so daß sie selbst zu falschen Mitteln ihre Zuflucht nehmen.
"Liebes Kind, sagte Goethe, ein Name ist nichts Geringes. Hat doch Napoleon eines großen Namens wegen fast die halbe Welt in Stücke geschlagen!" --
Es entstand eine kleine Pause im Gespräch, dann aber erzählte Goethe mir Ferneres von dem neuen Buche über Napoleon. "Die Gewalt des Wahren ist groß, sagte er. Aller Nimbus, alle Illusion, die Journalisten, Geschichtsschreiber und Poeten über Napoleon gebracht
Goethe ſprach ſodann von Egon Eberts neueſtem epiſchen Gedicht, deßgleichen von der fruͤheren Weiber¬ herrſchaft in Boͤhmen, und woher die Sage von den Amazonen entſtanden.
Dieß brachte die Unterhaltung auf das Epos eines anderen Dichters, der ſich viel Muͤhe gegeben, ſein Werk in oͤffentlichen Blaͤttern guͤnſtig beurtheilt zu ſehen. „Solche Urtheile, ſagte Goethe, ſind denn auch hier und dort erſchienen. Nun aber iſt die Halliſche Lite¬ raturzeitung dahinter gekommen, und hat gradezu aus¬ geſprochen, was von dem Gedicht eigentlich zu halten, wodurch denn alle guͤnſtigen Redensarten der uͤbrigen Blaͤtter vernichtet worden. Wer jetzt nicht das Rechte will, iſt bald entdeckt; es iſt nicht mehr die Zeit, das Publicum zum Beſten zu haben und es in die Irre zu fuͤhren.“
Ich bewundere, ſagte ich, daß die Menſchen um ein wenig Namen es ſich ſo ſauer werden laſſen, ſo daß ſie ſelbſt zu falſchen Mitteln ihre Zuflucht nehmen.
„Liebes Kind, ſagte Goethe, ein Name iſt nichts Geringes. Hat doch Napoleon eines großen Namens wegen faſt die halbe Welt in Stuͤcke geſchlagen!“ —
Es entſtand eine kleine Pauſe im Geſpraͤch, dann aber erzaͤhlte Goethe mir Ferneres von dem neuen Buche uͤber Napoleon. „Die Gewalt des Wahren iſt groß, ſagte er. Aller Nimbus, alle Illuſion, die Journaliſten, Geſchichtsſchreiber und Poeten uͤber Napoleon gebracht
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0114"n="104"/><p>Goethe ſprach ſodann von Egon Eberts neueſtem<lb/>
epiſchen Gedicht, deßgleichen von der fruͤheren Weiber¬<lb/>
herrſchaft in Boͤhmen, und woher die Sage von den<lb/>
Amazonen entſtanden.</p><lb/><p>Dieß brachte die Unterhaltung auf das Epos eines<lb/>
anderen Dichters, der ſich viel Muͤhe gegeben, ſein Werk<lb/>
in oͤffentlichen Blaͤttern guͤnſtig beurtheilt zu ſehen.<lb/>„Solche Urtheile, ſagte Goethe, ſind denn auch hier<lb/>
und dort erſchienen. Nun aber iſt die Halliſche Lite¬<lb/>
raturzeitung dahinter gekommen, und hat gradezu aus¬<lb/>
geſprochen, was von dem Gedicht eigentlich zu halten,<lb/>
wodurch denn alle guͤnſtigen Redensarten der uͤbrigen<lb/>
Blaͤtter vernichtet worden. Wer jetzt nicht das Rechte<lb/>
will, iſt bald entdeckt; es iſt nicht mehr die Zeit, das<lb/>
Publicum zum Beſten zu haben und es in die Irre zu<lb/>
fuͤhren.“</p><lb/><p>Ich bewundere, ſagte ich, daß die Menſchen um<lb/>
ein wenig Namen es ſich ſo ſauer werden laſſen, ſo<lb/>
daß ſie ſelbſt zu falſchen Mitteln ihre Zuflucht nehmen.</p><lb/><p>„Liebes Kind, ſagte Goethe, ein Name iſt nichts<lb/>
Geringes. Hat doch <hirendition="#g">Napoleon</hi> eines großen Namens<lb/>
wegen faſt die halbe Welt in Stuͤcke geſchlagen!“—</p><lb/><p>Es entſtand eine kleine Pauſe im Geſpraͤch, dann<lb/>
aber erzaͤhlte Goethe mir Ferneres von dem neuen Buche<lb/>
uͤber Napoleon. „Die Gewalt des Wahren iſt groß,<lb/>ſagte er. Aller Nimbus, alle Illuſion, die Journaliſten,<lb/>
Geſchichtsſchreiber und Poeten uͤber Napoleon gebracht<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[104/0114]
Goethe ſprach ſodann von Egon Eberts neueſtem
epiſchen Gedicht, deßgleichen von der fruͤheren Weiber¬
herrſchaft in Boͤhmen, und woher die Sage von den
Amazonen entſtanden.
Dieß brachte die Unterhaltung auf das Epos eines
anderen Dichters, der ſich viel Muͤhe gegeben, ſein Werk
in oͤffentlichen Blaͤttern guͤnſtig beurtheilt zu ſehen.
„Solche Urtheile, ſagte Goethe, ſind denn auch hier
und dort erſchienen. Nun aber iſt die Halliſche Lite¬
raturzeitung dahinter gekommen, und hat gradezu aus¬
geſprochen, was von dem Gedicht eigentlich zu halten,
wodurch denn alle guͤnſtigen Redensarten der uͤbrigen
Blaͤtter vernichtet worden. Wer jetzt nicht das Rechte
will, iſt bald entdeckt; es iſt nicht mehr die Zeit, das
Publicum zum Beſten zu haben und es in die Irre zu
fuͤhren.“
Ich bewundere, ſagte ich, daß die Menſchen um
ein wenig Namen es ſich ſo ſauer werden laſſen, ſo
daß ſie ſelbſt zu falſchen Mitteln ihre Zuflucht nehmen.
„Liebes Kind, ſagte Goethe, ein Name iſt nichts
Geringes. Hat doch Napoleon eines großen Namens
wegen faſt die halbe Welt in Stuͤcke geſchlagen!“ —
Es entſtand eine kleine Pauſe im Geſpraͤch, dann
aber erzaͤhlte Goethe mir Ferneres von dem neuen Buche
uͤber Napoleon. „Die Gewalt des Wahren iſt groß,
ſagte er. Aller Nimbus, alle Illuſion, die Journaliſten,
Geſchichtsſchreiber und Poeten uͤber Napoleon gebracht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/114>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.