Wir sprachen darauf über Gegenstände der Weltge¬ schichte, und Goethe äußerte Folgendes über Regenten.
"Um popular zu seyn, sagte er, braucht ein großer Regent weiter keine Mittel als seine Größe. Hat er so gestrebt und gewirkt, daß sein Staat im Innern glück¬ lich und nach Außen geachtet ist, so mag er mit allen seinen Orden im Staatswagen, oder er mag im Bären¬ felle und die Cigarre im Munde auf einer schlechten Troschke fahren, es ist alles gleich, er hat einmal die Liebe seines Volkes und genießt immer dieselbige Achtung. Fehlt aber einem Fürsten die persönliche Größe, und weiß er nicht durch gute Thaten bey den Seinen sich in Liebe zu setzen, so muß er auf andere Vereinigungs¬ mittel denken, und da giebt es kein besseres und wirk¬ sameres, als die Religion, und den Mitgenuß und die Mitübung derselbigen Gebräuche. Sonntäglich in der Kirche erscheinen, auf die Gemeinde herabsehen, und von ihr ein Stündchen sich anblicken lassen, ist das trefflichste Mittel zur Popularität, das man jedem jungen Regen¬ ten anrathen möchte, und das, bey aller Größe, selbst Napoleon nicht verschmähet hat."
Das Gespräch wendete sich nochmals zu den Catho¬ liken und wie groß der Geistlichen Einfluß und Wirken im Stillen sey. Man erzählte von einem jungen Schriftsteller in Hanau, der vor kurzem in einer Zeit¬ schrift, die er herausgegeben, ein wenig heiter über den Rosenkranz gesprochen. Diese Zeitschrift sey sogleich ein¬
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Wir ſprachen darauf uͤber Gegenſtaͤnde der Weltge¬ ſchichte, und Goethe aͤußerte Folgendes uͤber Regenten.
„Um popular zu ſeyn, ſagte er, braucht ein großer Regent weiter keine Mittel als ſeine Groͤße. Hat er ſo geſtrebt und gewirkt, daß ſein Staat im Innern gluͤck¬ lich und nach Außen geachtet iſt, ſo mag er mit allen ſeinen Orden im Staatswagen, oder er mag im Baͤren¬ felle und die Cigarre im Munde auf einer ſchlechten Troſchke fahren, es iſt alles gleich, er hat einmal die Liebe ſeines Volkes und genießt immer dieſelbige Achtung. Fehlt aber einem Fuͤrſten die perſoͤnliche Groͤße, und weiß er nicht durch gute Thaten bey den Seinen ſich in Liebe zu ſetzen, ſo muß er auf andere Vereinigungs¬ mittel denken, und da giebt es kein beſſeres und wirk¬ ſameres, als die Religion, und den Mitgenuß und die Mituͤbung derſelbigen Gebraͤuche. Sonntaͤglich in der Kirche erſcheinen, auf die Gemeinde herabſehen, und von ihr ein Stuͤndchen ſich anblicken laſſen, iſt das trefflichſte Mittel zur Popularitaͤt, das man jedem jungen Regen¬ ten anrathen moͤchte, und das, bey aller Groͤße, ſelbſt Napoleon nicht verſchmaͤhet hat.“
Das Geſpraͤch wendete ſich nochmals zu den Catho¬ liken und wie groß der Geiſtlichen Einfluß und Wirken im Stillen ſey. Man erzaͤhlte von einem jungen Schriftſteller in Hanau, der vor kurzem in einer Zeit¬ ſchrift, die er herausgegeben, ein wenig heiter uͤber den Roſenkranz geſprochen. Dieſe Zeitſchrift ſey ſogleich ein¬
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Wir ſprachen darauf uͤber Gegenſtaͤnde der Weltge¬
ſchichte, und Goethe aͤußerte Folgendes uͤber Regenten.
„Um popular zu ſeyn, ſagte er, braucht ein großer
Regent weiter keine Mittel als ſeine Groͤße. Hat er ſo
geſtrebt und gewirkt, daß ſein Staat im Innern gluͤck¬
lich und nach Außen geachtet iſt, ſo mag er mit allen
ſeinen Orden im Staatswagen, oder er mag im Baͤren¬
felle und die Cigarre im Munde auf einer ſchlechten
Troſchke fahren, es iſt alles gleich, er hat einmal die
Liebe ſeines Volkes und genießt immer dieſelbige Achtung.
Fehlt aber einem Fuͤrſten die perſoͤnliche Groͤße, und
weiß er nicht durch gute Thaten bey den Seinen ſich in
Liebe zu ſetzen, ſo muß er auf andere Vereinigungs¬
mittel denken, und da giebt es kein beſſeres und wirk¬
ſameres, als die Religion, und den Mitgenuß und die
Mituͤbung derſelbigen Gebraͤuche. Sonntaͤglich in der
Kirche erſcheinen, auf die Gemeinde herabſehen, und von
ihr ein Stuͤndchen ſich anblicken laſſen, iſt das trefflichſte
Mittel zur Popularitaͤt, das man jedem jungen Regen¬
ten anrathen moͤchte, und das, bey aller Groͤße, ſelbſt
Napoleon nicht verſchmaͤhet hat.“
Das Geſpraͤch wendete ſich nochmals zu den Catho¬
liken und wie groß der Geiſtlichen Einfluß und Wirken
im Stillen ſey. Man erzaͤhlte von einem jungen
Schriftſteller in Hanau, der vor kurzem in einer Zeit¬
ſchrift, die er herausgegeben, ein wenig heiter uͤber den
Roſenkranz geſprochen. Dieſe Zeitſchrift ſey ſogleich ein¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/109>, abgerufen am 24.11.2024.
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