Aber auch in der Kraft groß? fragte ich. "Ja auch in der Kraft, sagte Goethe, und das ist eben das Merk¬ würdigste an ihr, weil man das sonst bey Frauenzim¬ mern gewöhnlich nicht findet." Ich sagte, daß ich mich sehr freue, sie nun doch noch zu hören.
Secretair Kräuter trat herein und referirte in Bi¬ bliotheksangelegenheiten. Als er gegangen war, lobte Goethe seine große Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit in Geschäften.
Ich brachte sodann das Gespräch auf die im Jahre 1797 über Frankfurt und Stuttgart gemachte Reise in die Schweiz, wovon er mir die Manuscripte in drey Heften dieser Tage mitgetheilt und die ich bereits fleißig studirt hatte. Ich erwähnte, wie er damals mit Meyer soviel über die Gegenstände der bildenden Kunst nachgedacht.
"Ja, sagte Goethe, was ist auch wichtiger als die Gegenstände, und was ist die ganze Kunstlehre ohne sie. Alles Talent ist verschwendet, wenn der Gegenstand nichts taugt. Und eben weil dem neuern Künstler die wür¬ digen Gegenstände fehlen, so hapert es auch so mit aller Kunst der neuern Zeit. Darunter leiden wir alle; ich habe auch meine Modernität nicht verläugnen können."
"Die wenigsten Künstler, fuhr er fort, sind über diesen Punkt im Klaren und wissen was zu ihrem Frieden dient. Da malen sie z. B. meinen Fischer und bedenken nicht, daß sich das gar nicht malen lasse.
Aber auch in der Kraft groß? fragte ich. „Ja auch in der Kraft, ſagte Goethe, und das iſt eben das Merk¬ wuͤrdigſte an ihr, weil man das ſonſt bey Frauenzim¬ mern gewoͤhnlich nicht findet.“ Ich ſagte, daß ich mich ſehr freue, ſie nun doch noch zu hoͤren.
Secretair Kraͤuter trat herein und referirte in Bi¬ bliotheksangelegenheiten. Als er gegangen war, lobte Goethe ſeine große Tuͤchtigkeit und Zuverlaͤſſigkeit in Geſchaͤften.
Ich brachte ſodann das Geſpraͤch auf die im Jahre 1797 uͤber Frankfurt und Stuttgart gemachte Reiſe in die Schweiz, wovon er mir die Manuſcripte in drey Heften dieſer Tage mitgetheilt und die ich bereits fleißig ſtudirt hatte. Ich erwaͤhnte, wie er damals mit Meyer ſoviel uͤber die Gegenſtaͤnde der bildenden Kunſt nachgedacht.
„Ja, ſagte Goethe, was iſt auch wichtiger als die Gegenſtaͤnde, und was iſt die ganze Kunſtlehre ohne ſie. Alles Talent iſt verſchwendet, wenn der Gegenſtand nichts taugt. Und eben weil dem neuern Kuͤnſtler die wuͤr¬ digen Gegenſtaͤnde fehlen, ſo hapert es auch ſo mit aller Kunſt der neuern Zeit. Darunter leiden wir alle; ich habe auch meine Modernitaͤt nicht verlaͤugnen koͤnnen.“
„Die wenigſten Kuͤnſtler, fuhr er fort, ſind uͤber dieſen Punkt im Klaren und wiſſen was zu ihrem Frieden dient. Da malen ſie z. B. meinen Fiſcher und bedenken nicht, daß ſich das gar nicht malen laſſe.
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Aber auch in der Kraft groß? fragte ich. „Ja auch in
der Kraft, ſagte Goethe, und das iſt eben das Merk¬
wuͤrdigſte an ihr, weil man das ſonſt bey Frauenzim¬
mern gewoͤhnlich nicht findet.“ Ich ſagte, daß ich mich
ſehr freue, ſie nun doch noch zu hoͤren.
Secretair Kraͤuter trat herein und referirte in Bi¬
bliotheksangelegenheiten. Als er gegangen war, lobte
Goethe ſeine große Tuͤchtigkeit und Zuverlaͤſſigkeit in
Geſchaͤften.
Ich brachte ſodann das Geſpraͤch auf die im Jahre
1797 uͤber Frankfurt und Stuttgart gemachte Reiſe in
die Schweiz, wovon er mir die Manuſcripte in drey
Heften dieſer Tage mitgetheilt und die ich bereits fleißig
ſtudirt hatte. Ich erwaͤhnte, wie er damals mit Meyer
ſoviel uͤber die Gegenſtaͤnde der bildenden Kunſt
nachgedacht.
„Ja, ſagte Goethe, was iſt auch wichtiger als die
Gegenſtaͤnde, und was iſt die ganze Kunſtlehre ohne ſie.
Alles Talent iſt verſchwendet, wenn der Gegenſtand nichts
taugt. Und eben weil dem neuern Kuͤnſtler die wuͤr¬
digen Gegenſtaͤnde fehlen, ſo hapert es auch ſo mit aller
Kunſt der neuern Zeit. Darunter leiden wir alle; ich
habe auch meine Modernitaͤt nicht verlaͤugnen koͤnnen.“
„Die wenigſten Kuͤnſtler, fuhr er fort, ſind uͤber
dieſen Punkt im Klaren und wiſſen was zu ihrem
Frieden dient. Da malen ſie z. B. meinen Fiſcher
und bedenken nicht, daß ſich das gar nicht malen laſſe.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/98>, abgerufen am 28.11.2024.
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