Große Waarenspeicher umgaben den Hafen der helle- nischen Pflanzstadt. Neben denselben standen leicht gebaute Häuser, in welche Musik und Gelächter, sowie der Blick und Zuruf geschminkter Dirnen die müßigen Seefahrer lockte. Zwischen schwarzen und weißen Sklaven, welche schwere Ballen auf den Schultern trugen, tummelten sich Ruderknechte und Steuermänner in verschiedenen Trachten. Schiffsherren in hellenischen oder schreiend bunten phöni- kischen Kleidern riefen ihren Untergebenen Befehle zu und übergaben den Großhändlern ihre Frachtgüter. Wo sich ein Streit erhob, zeigten sich schnell ägyptische Sicherheits- beamte mit langen Stäben und hellenische Hafenwächter, die von den Aeltesten der Kaufmannschaft der milesischen Pflanzstadt angestellt waren *).
Jetzt entleerte sich der Hafen, denn die Stunde der Eröffnung des Marktes war nahe 52), und der freie Hel- lene pflegte dort nicht gern zu fehlen. Mancher Neugierige blieb aber dießmal zurück, denn soeben wurde ein schön- gebautes samisches Schiff mit langem Schwanenhalse, die Okeia 53), an deren Vordertheil ein hölzernes Bild der Göttin Hera prangte, abgeladen. Besonderes Aufsehen erregten drei schöne Jünglinge in lydischer Kriegertracht, welche der Triere entstiegen. Mehrere Sklaven folgten denselben und trugen ihnen einige Kisten und Bündel nach.
Der Schönste der Ankömmlinge, in denen der Leser unsre jungen Freunde Darius, Bartja und Zopyros er- kannt haben wird, redete einen Hafenwärter an und bat denselben, ihm die Wohnung Theopompos' des Milesiers, seines Gastfrenndes, zu zeigen.
Dienstwillig und höflich, wie alle Griechen, ging der
*) Siehe I. Theil Anmerk. 3.
Große Waarenſpeicher umgaben den Hafen der helle- niſchen Pflanzſtadt. Neben denſelben ſtanden leicht gebaute Häuſer, in welche Muſik und Gelächter, ſowie der Blick und Zuruf geſchminkter Dirnen die müßigen Seefahrer lockte. Zwiſchen ſchwarzen und weißen Sklaven, welche ſchwere Ballen auf den Schultern trugen, tummelten ſich Ruderknechte und Steuermänner in verſchiedenen Trachten. Schiffsherren in helleniſchen oder ſchreiend bunten phöni- kiſchen Kleidern riefen ihren Untergebenen Befehle zu und übergaben den Großhändlern ihre Frachtgüter. Wo ſich ein Streit erhob, zeigten ſich ſchnell ägyptiſche Sicherheits- beamte mit langen Stäben und helleniſche Hafenwächter, die von den Aelteſten der Kaufmannſchaft der mileſiſchen Pflanzſtadt angeſtellt waren *).
Jetzt entleerte ſich der Hafen, denn die Stunde der Eröffnung des Marktes war nahe 52), und der freie Hel- lene pflegte dort nicht gern zu fehlen. Mancher Neugierige blieb aber dießmal zurück, denn ſoeben wurde ein ſchön- gebautes ſamiſches Schiff mit langem Schwanenhalſe, die Okeia 53), an deren Vordertheil ein hölzernes Bild der Göttin Hera prangte, abgeladen. Beſonderes Aufſehen erregten drei ſchöne Jünglinge in lydiſcher Kriegertracht, welche der Triere entſtiegen. Mehrere Sklaven folgten denſelben und trugen ihnen einige Kiſten und Bündel nach.
Der Schönſte der Ankömmlinge, in denen der Leſer unſre jungen Freunde Darius, Bartja und Zopyros er- kannt haben wird, redete einen Hafenwärter an und bat denſelben, ihm die Wohnung Theopompos’ des Mileſiers, ſeines Gaſtfrenndes, zu zeigen.
Dienſtwillig und höflich, wie alle Griechen, ging der
*) Siehe I. Theil Anmerk. 3.
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Große Waarenſpeicher umgaben den Hafen der helle-
niſchen Pflanzſtadt. Neben denſelben ſtanden leicht gebaute
Häuſer, in welche Muſik und Gelächter, ſowie der Blick
und Zuruf geſchminkter Dirnen die müßigen Seefahrer
lockte. Zwiſchen ſchwarzen und weißen Sklaven, welche
ſchwere Ballen auf den Schultern trugen, tummelten ſich
Ruderknechte und Steuermänner in verſchiedenen Trachten.
Schiffsherren in helleniſchen oder ſchreiend bunten phöni-
kiſchen Kleidern riefen ihren Untergebenen Befehle zu und
übergaben den Großhändlern ihre Frachtgüter. Wo ſich
ein Streit erhob, zeigten ſich ſchnell ägyptiſche Sicherheits-
beamte mit langen Stäben und helleniſche Hafenwächter,
die von den Aelteſten der Kaufmannſchaft der mileſiſchen
Pflanzſtadt angeſtellt waren *).
Jetzt entleerte ſich der Hafen, denn die Stunde der
Eröffnung des Marktes war nahe 52), und der freie Hel-
lene pflegte dort nicht gern zu fehlen. Mancher Neugierige
blieb aber dießmal zurück, denn ſoeben wurde ein ſchön-
gebautes ſamiſches Schiff mit langem Schwanenhalſe, die
Okeia 53), an deren Vordertheil ein hölzernes Bild der
Göttin Hera prangte, abgeladen. Beſonderes Aufſehen
erregten drei ſchöne Jünglinge in lydiſcher Kriegertracht,
welche der Triere entſtiegen. Mehrere Sklaven folgten
denſelben und trugen ihnen einige Kiſten und Bündel nach.
Der Schönſte der Ankömmlinge, in denen der Leſer
unſre jungen Freunde Darius, Bartja und Zopyros er-
kannt haben wird, redete einen Hafenwärter an und bat
denſelben, ihm die Wohnung Theopompos’ des Mileſiers,
ſeines Gaſtfrenndes, zu zeigen.
Dienſtwillig und höflich, wie alle Griechen, ging der
*) Siehe I. Theil Anmerk. 3.
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/94>, abgerufen am 20.07.2024.
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