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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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"Des Phanes?"

"Ja, mein König," antwortete der Athener. "Amasis
hatte einst im Rausche mir gegenüber sein Geheimniß aus-
geplaudert; Psamtik warnte ihn nun, sich nicht zum Zwei-
tenmale zu vergessen."

"Erzähle!" --

Als ich von Kypros siegreich nach Sais heimkehrte,
wurde ein großes Fest bei Hofe gefeiert. Amasis zeich-
nete mich in jeder Weise aus und umarmte mich, weil ich
eine reiche Provinz für ihn gewonnen hatte, zum Entsetzen
seiner Landsleute. Je trunkener er wurde, desto wärmere
Anerkennung zollte er mir. Als ich ihn endlich mit
Psamtik in seine Wohnung zurückführte, und wir an den
Gemächern seiner Töchter vorüberkamen, blieb er stehen
und sagte: ,Da schlummern die Mädchen. Wenn Du
Deine Gattin verstoßen willst, Athener, so gebe ich Dir
Nitetis zum Weibe! Du wärest mir ein lieber Eidam!
's ist ein eigen Ding mit dem Mädchen, Phanes! Du
hast ja von ihrem Vater gehört, -- dem Hophra' ......
So viel ließ Psamtik den Trunkenen sagen. Dann legte
er ihm die Hand auf den Mund und schickte mich mit
barschen Worten in mein Quartier. Dort überdachte ich
das Gehörte und reimte mir zusammen, was ich jetzt aus
sicherer Quelle weiß. Jch bitte Dich, König, diesem Greise
zu befehlen, die bezüglichen Tagebuchblätter des Geburts-
helfers Sonnophre zu übersetzen."

Kambyses winkte, und der Greis las mit lauter
Stimme, welche Niemand diesem gebrechlichen Körper zu-
getraut haben würde: "Am fünften Tage des Monats
Thoth 30) wurde ich zum Könige gerufen. Jch erwartete
dies, denn die Königin lag in den Wehen. Mit meiner
Hülfe genas sie leicht und glücklich eines schwachen Mäd-

Ebers, Eine ägyptische Königstochter. III. 4

„Des Phanes?“

„Ja, mein König,“ antwortete der Athener. „Amaſis
hatte einſt im Rauſche mir gegenüber ſein Geheimniß aus-
geplaudert; Pſamtik warnte ihn nun, ſich nicht zum Zwei-
tenmale zu vergeſſen.“

„Erzähle!“ —

Als ich von Kypros ſiegreich nach Sais heimkehrte,
wurde ein großes Feſt bei Hofe gefeiert. Amaſis zeich-
nete mich in jeder Weiſe aus und umarmte mich, weil ich
eine reiche Provinz für ihn gewonnen hatte, zum Entſetzen
ſeiner Landsleute. Je trunkener er wurde, deſto wärmere
Anerkennung zollte er mir. Als ich ihn endlich mit
Pſamtik in ſeine Wohnung zurückführte, und wir an den
Gemächern ſeiner Töchter vorüberkamen, blieb er ſtehen
und ſagte: ‚Da ſchlummern die Mädchen. Wenn Du
Deine Gattin verſtoßen willſt, Athener, ſo gebe ich Dir
Nitetis zum Weibe! Du wäreſt mir ein lieber Eidam!
’s iſt ein eigen Ding mit dem Mädchen, Phanes! Du
haſt ja von ihrem Vater gehört, — dem Hophra‘ ......
So viel ließ Pſamtik den Trunkenen ſagen. Dann legte
er ihm die Hand auf den Mund und ſchickte mich mit
barſchen Worten in mein Quartier. Dort überdachte ich
das Gehörte und reimte mir zuſammen, was ich jetzt aus
ſicherer Quelle weiß. Jch bitte Dich, König, dieſem Greiſe
zu befehlen, die bezüglichen Tagebuchblätter des Geburts-
helfers Sonnophre zu überſetzen.“

Kambyſes winkte, und der Greis las mit lauter
Stimme, welche Niemand dieſem gebrechlichen Körper zu-
getraut haben würde: „Am fünften Tage des Monats
Thoth 30) wurde ich zum Könige gerufen. Jch erwartete
dies, denn die Königin lag in den Wehen. Mit meiner
Hülfe genas ſie leicht und glücklich eines ſchwachen Mäd-

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 4
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[49/0059] „Des Phanes?“ „Ja, mein König,“ antwortete der Athener. „Amaſis hatte einſt im Rauſche mir gegenüber ſein Geheimniß aus- geplaudert; Pſamtik warnte ihn nun, ſich nicht zum Zwei- tenmale zu vergeſſen.“ „Erzähle!“ — Als ich von Kypros ſiegreich nach Sais heimkehrte, wurde ein großes Feſt bei Hofe gefeiert. Amaſis zeich- nete mich in jeder Weiſe aus und umarmte mich, weil ich eine reiche Provinz für ihn gewonnen hatte, zum Entſetzen ſeiner Landsleute. Je trunkener er wurde, deſto wärmere Anerkennung zollte er mir. Als ich ihn endlich mit Pſamtik in ſeine Wohnung zurückführte, und wir an den Gemächern ſeiner Töchter vorüberkamen, blieb er ſtehen und ſagte: ‚Da ſchlummern die Mädchen. Wenn Du Deine Gattin verſtoßen willſt, Athener, ſo gebe ich Dir Nitetis zum Weibe! Du wäreſt mir ein lieber Eidam! ’s iſt ein eigen Ding mit dem Mädchen, Phanes! Du haſt ja von ihrem Vater gehört, — dem Hophra‘ ...... So viel ließ Pſamtik den Trunkenen ſagen. Dann legte er ihm die Hand auf den Mund und ſchickte mich mit barſchen Worten in mein Quartier. Dort überdachte ich das Gehörte und reimte mir zuſammen, was ich jetzt aus ſicherer Quelle weiß. Jch bitte Dich, König, dieſem Greiſe zu befehlen, die bezüglichen Tagebuchblätter des Geburts- helfers Sonnophre zu überſetzen.“ Kambyſes winkte, und der Greis las mit lauter Stimme, welche Niemand dieſem gebrechlichen Körper zu- getraut haben würde: „Am fünften Tage des Monats Thoth 30) wurde ich zum Könige gerufen. Jch erwartete dies, denn die Königin lag in den Wehen. Mit meiner Hülfe genas ſie leicht und glücklich eines ſchwachen Mäd- Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 4

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/59>, abgerufen am 13.05.2024.