Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Todes entrückt werde 20), wie man Beschwörungsformeln
murmelte 21), wie sich endlich Jeder und Alles, was dem
Leichnam nahe gekommen war, zahlreichen Waschungen mit
Wasser und Rinderurin unterziehen mußte.

Kambyses verfiel am Abende in seine alten epilepti-
schen Krämpfe. Zwei Tage später ertheilte er Nebenchari
die Erlaubniß, den Leichnam der Verstorbenen, ihrem
letzten Wunsche gemäß, in ägyptischer Weise zu balsamiren.
Er selbst überließ sich schrankenlos seinem Schmerze, zer-
fleischte seine Arme, zerriß seine Kleider und streute Asche
auf sein Haupt und sein Lager. Alle Großen des Hofes
mußten seinem Beispiele folgen. Die Wachen zogen mit
zerrissenen Fahnen, bei gedämpftem Trommelschalle, auf.
Die Cymbeln und Pauken der Unsterblichen waren mit
Flor umwunden; die Rosse, die der Verstorbenen gedient
hatten, sowie diejenigen, welche bei Hofe benutzt wurden,
mußten blau gefärbt und ihrer Schweife beraubt werden;
das ganze Hofpersonal ging in dunkelbraunen, bis zum
Gürtel zerrissenen Trauerkleidern umher *), und die Ma-
gier mußten drei Tage und drei Nächte lang ohne Unter-
brechung für die Abgeschiedene beten 22), deren Seele in
der dritten Nacht bei der Brücke Chinvat **) den Richter-
spruch für die Ewigkeit erwartete.

Auch der König, Kassandane und Atossa entzogen sich
jenen Reinigungen nicht und sprachen, wie für eine nächste
Anverwandte, dreißig Sterbegebete, während Nebenchari die
Todte in einem vor den Thoren der Stadt gelegenen Hause
nach allen Regeln der Kunst, in der kostbarsten Weise, zu
balsamiren begann 23).

*) Siehe II. Theil Anmerk. 116.
**) Siehe II. Theil Anmerk. 100.

Todes entrückt werde 20), wie man Beſchwörungsformeln
murmelte 21), wie ſich endlich Jeder und Alles, was dem
Leichnam nahe gekommen war, zahlreichen Waſchungen mit
Waſſer und Rinderurin unterziehen mußte.

Kambyſes verfiel am Abende in ſeine alten epilepti-
ſchen Krämpfe. Zwei Tage ſpäter ertheilte er Nebenchari
die Erlaubniß, den Leichnam der Verſtorbenen, ihrem
letzten Wunſche gemäß, in ägyptiſcher Weiſe zu balſamiren.
Er ſelbſt überließ ſich ſchrankenlos ſeinem Schmerze, zer-
fleiſchte ſeine Arme, zerriß ſeine Kleider und ſtreute Aſche
auf ſein Haupt und ſein Lager. Alle Großen des Hofes
mußten ſeinem Beiſpiele folgen. Die Wachen zogen mit
zerriſſenen Fahnen, bei gedämpftem Trommelſchalle, auf.
Die Cymbeln und Pauken der Unſterblichen waren mit
Flor umwunden; die Roſſe, die der Verſtorbenen gedient
hatten, ſowie diejenigen, welche bei Hofe benutzt wurden,
mußten blau gefärbt und ihrer Schweife beraubt werden;
das ganze Hofperſonal ging in dunkelbraunen, bis zum
Gürtel zerriſſenen Trauerkleidern umher *), und die Ma-
gier mußten drei Tage und drei Nächte lang ohne Unter-
brechung für die Abgeſchiedene beten 22), deren Seele in
der dritten Nacht bei der Brücke Chinvat **) den Richter-
ſpruch für die Ewigkeit erwartete.

Auch der König, Kaſſandane und Atoſſa entzogen ſich
jenen Reinigungen nicht und ſprachen, wie für eine nächſte
Anverwandte, dreißig Sterbegebete, während Nebenchari die
Todte in einem vor den Thoren der Stadt gelegenen Hauſe
nach allen Regeln der Kunſt, in der koſtbarſten Weiſe, zu
balſamiren begann 23).

*) Siehe II. Theil Anmerk. 116.
**) Siehe II. Theil Anmerk. 100.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0047" n="37"/>
Todes entrückt werde <hi rendition="#sup">20</hi>), wie man Be&#x017F;chwörungsformeln<lb/>
murmelte <hi rendition="#sup">21</hi>), wie &#x017F;ich endlich Jeder und Alles, was dem<lb/>
Leichnam nahe gekommen war, zahlreichen Wa&#x017F;chungen mit<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er und Rinderurin unterziehen mußte.</p><lb/>
        <p>Kamby&#x017F;es verfiel am Abende in &#x017F;eine alten epilepti-<lb/>
&#x017F;chen Krämpfe. Zwei Tage &#x017F;päter ertheilte er Nebenchari<lb/>
die Erlaubniß, den Leichnam der Ver&#x017F;torbenen, ihrem<lb/>
letzten Wun&#x017F;che gemäß, in ägypti&#x017F;cher Wei&#x017F;e zu bal&#x017F;amiren.<lb/>
Er &#x017F;elb&#x017F;t überließ &#x017F;ich &#x017F;chrankenlos &#x017F;einem Schmerze, zer-<lb/>
flei&#x017F;chte &#x017F;eine Arme, zerriß &#x017F;eine Kleider und &#x017F;treute A&#x017F;che<lb/>
auf &#x017F;ein Haupt und &#x017F;ein Lager. Alle Großen des Hofes<lb/>
mußten &#x017F;einem Bei&#x017F;piele folgen. Die Wachen zogen mit<lb/>
zerri&#x017F;&#x017F;enen Fahnen, bei gedämpftem Trommel&#x017F;challe, auf.<lb/>
Die Cymbeln und Pauken der Un&#x017F;terblichen waren mit<lb/>
Flor umwunden; die Ro&#x017F;&#x017F;e, die der Ver&#x017F;torbenen gedient<lb/>
hatten, &#x017F;owie diejenigen, welche bei Hofe benutzt wurden,<lb/>
mußten blau gefärbt und ihrer Schweife beraubt werden;<lb/>
das ganze Hofper&#x017F;onal ging in dunkelbraunen, bis zum<lb/>
Gürtel zerri&#x017F;&#x017F;enen Trauerkleidern umher <note place="foot" n="*)">Siehe <hi rendition="#aq">II.</hi> Theil Anmerk. 116.</note>, und die Ma-<lb/>
gier mußten drei Tage und drei Nächte lang ohne Unter-<lb/>
brechung für die Abge&#x017F;chiedene beten <hi rendition="#sup">22</hi>), deren Seele in<lb/>
der dritten Nacht bei der Brücke Chinvat <note place="foot" n="**)">Siehe <hi rendition="#aq">II.</hi> Theil Anmerk. 100.</note> den Richter-<lb/>
&#x017F;pruch für die Ewigkeit erwartete.</p><lb/>
        <p>Auch der König, Ka&#x017F;&#x017F;andane und Ato&#x017F;&#x017F;a entzogen &#x017F;ich<lb/>
jenen Reinigungen nicht und &#x017F;prachen, wie für eine näch&#x017F;te<lb/>
Anverwandte, dreißig Sterbegebete, während Nebenchari die<lb/>
Todte in einem vor den Thoren der Stadt gelegenen Hau&#x017F;e<lb/>
nach allen Regeln der Kun&#x017F;t, in der ko&#x017F;tbar&#x017F;ten Wei&#x017F;e, zu<lb/>
bal&#x017F;amiren begann <hi rendition="#sup">23</hi>).</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0047] Todes entrückt werde 20), wie man Beſchwörungsformeln murmelte 21), wie ſich endlich Jeder und Alles, was dem Leichnam nahe gekommen war, zahlreichen Waſchungen mit Waſſer und Rinderurin unterziehen mußte. Kambyſes verfiel am Abende in ſeine alten epilepti- ſchen Krämpfe. Zwei Tage ſpäter ertheilte er Nebenchari die Erlaubniß, den Leichnam der Verſtorbenen, ihrem letzten Wunſche gemäß, in ägyptiſcher Weiſe zu balſamiren. Er ſelbſt überließ ſich ſchrankenlos ſeinem Schmerze, zer- fleiſchte ſeine Arme, zerriß ſeine Kleider und ſtreute Aſche auf ſein Haupt und ſein Lager. Alle Großen des Hofes mußten ſeinem Beiſpiele folgen. Die Wachen zogen mit zerriſſenen Fahnen, bei gedämpftem Trommelſchalle, auf. Die Cymbeln und Pauken der Unſterblichen waren mit Flor umwunden; die Roſſe, die der Verſtorbenen gedient hatten, ſowie diejenigen, welche bei Hofe benutzt wurden, mußten blau gefärbt und ihrer Schweife beraubt werden; das ganze Hofperſonal ging in dunkelbraunen, bis zum Gürtel zerriſſenen Trauerkleidern umher *), und die Ma- gier mußten drei Tage und drei Nächte lang ohne Unter- brechung für die Abgeſchiedene beten 22), deren Seele in der dritten Nacht bei der Brücke Chinvat **) den Richter- ſpruch für die Ewigkeit erwartete. Auch der König, Kaſſandane und Atoſſa entzogen ſich jenen Reinigungen nicht und ſprachen, wie für eine nächſte Anverwandte, dreißig Sterbegebete, während Nebenchari die Todte in einem vor den Thoren der Stadt gelegenen Hauſe nach allen Regeln der Kunſt, in der koſtbarſten Weiſe, zu balſamiren begann 23). *) Siehe II. Theil Anmerk. 116. **) Siehe II. Theil Anmerk. 100.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/47
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/47>, abgerufen am 24.11.2024.