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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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nehmen den Fluch der sterbenden Unschuld! Nicht nur als
mein eigner, nein auch als Rächer König Hophra's trage
ich das Schwert nach Aegypten!" --

Einige Stunden später schlug Nitetis noch einmal die
Augen auf.

Dießmal ruhte ihre kalte Rechte in den Händen
Kassandane's. Zu ihren Füßen kniete Atossa; Krösus
stand zu Häupten des Bettes und unterstützte mit seinen
schwachen Armen den gewaltigen König, welcher im Ueber-
maß des Schmerzes gleich einem Trunkenen hin- und
herwankte. Die Sterbende schaute sich strahlenden Blickes
in diesem Kreise um. Sie war unsagbar schön. -- Kam-
byses nahte sich den erkaltenden Lippen und drückte einen
Kuß auf dieselben, -- den ersten und letzten, den er ihr
geben durfte. Da entquollen zwei volle, warme Freuden-
thränen ihren brechenden Augen, der Name Kambyses
klang leise von ihrem erbleichenden Munde, sie sank in
Krösus' Arme zurück und war nicht mehr. --



Wir übergehen die Schilderung der nächsten Stunden,
denn es widersteht uns, zu beschreiben, wie auf ein Zeichen
des obersten persischen Arztes alle Anwesenden außer Ne-
benchari und Krösus in großer Eile das Zimmer ver-
ließen; wie man Hunde in das Krankenzimmer führte, um
die klugen Köpfe derselben der Verstorbenen zuzuwenden
und die Drukhs Nacus zu veranlassen, in die Thiere zu
fahren; wie, nach dem Ableben der Jungfrau, Kassandane,
Atossa und alle ihre Diener sofort ein andres Haus be-
zogen, um von dem Leichnam nicht verunreinigt zu werden,
wie man alle Feuer in der alten Wohnung verlöschte,
damit das reine Element den befleckenden Geistern des

nehmen den Fluch der ſterbenden Unſchuld! Nicht nur als
mein eigner, nein auch als Rächer König Hophra’s trage
ich das Schwert nach Aegypten!“ —

Einige Stunden ſpäter ſchlug Nitetis noch einmal die
Augen auf.

Dießmal ruhte ihre kalte Rechte in den Händen
Kaſſandane’s. Zu ihren Füßen kniete Atoſſa; Kröſus
ſtand zu Häupten des Bettes und unterſtützte mit ſeinen
ſchwachen Armen den gewaltigen König, welcher im Ueber-
maß des Schmerzes gleich einem Trunkenen hin- und
herwankte. Die Sterbende ſchaute ſich ſtrahlenden Blickes
in dieſem Kreiſe um. Sie war unſagbar ſchön. — Kam-
byſes nahte ſich den erkaltenden Lippen und drückte einen
Kuß auf dieſelben, — den erſten und letzten, den er ihr
geben durfte. Da entquollen zwei volle, warme Freuden-
thränen ihren brechenden Augen, der Name Kambyſes
klang leiſe von ihrem erbleichenden Munde, ſie ſank in
Kröſus’ Arme zurück und war nicht mehr. —



Wir übergehen die Schilderung der nächſten Stunden,
denn es widerſteht uns, zu beſchreiben, wie auf ein Zeichen
des oberſten perſiſchen Arztes alle Anweſenden außer Ne-
benchari und Kröſus in großer Eile das Zimmer ver-
ließen; wie man Hunde in das Krankenzimmer führte, um
die klugen Köpfe derſelben der Verſtorbenen zuzuwenden
und die Drukhs Naçus zu veranlaſſen, in die Thiere zu
fahren; wie, nach dem Ableben der Jungfrau, Kaſſandane,
Atoſſa und alle ihre Diener ſofort ein andres Haus be-
zogen, um von dem Leichnam nicht verunreinigt zu werden,
wie man alle Feuer in der alten Wohnung verlöſchte,
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[36/0046] nehmen den Fluch der ſterbenden Unſchuld! Nicht nur als mein eigner, nein auch als Rächer König Hophra’s trage ich das Schwert nach Aegypten!“ — Einige Stunden ſpäter ſchlug Nitetis noch einmal die Augen auf. Dießmal ruhte ihre kalte Rechte in den Händen Kaſſandane’s. Zu ihren Füßen kniete Atoſſa; Kröſus ſtand zu Häupten des Bettes und unterſtützte mit ſeinen ſchwachen Armen den gewaltigen König, welcher im Ueber- maß des Schmerzes gleich einem Trunkenen hin- und herwankte. Die Sterbende ſchaute ſich ſtrahlenden Blickes in dieſem Kreiſe um. Sie war unſagbar ſchön. — Kam- byſes nahte ſich den erkaltenden Lippen und drückte einen Kuß auf dieſelben, — den erſten und letzten, den er ihr geben durfte. Da entquollen zwei volle, warme Freuden- thränen ihren brechenden Augen, der Name Kambyſes klang leiſe von ihrem erbleichenden Munde, ſie ſank in Kröſus’ Arme zurück und war nicht mehr. — Wir übergehen die Schilderung der nächſten Stunden, denn es widerſteht uns, zu beſchreiben, wie auf ein Zeichen des oberſten perſiſchen Arztes alle Anweſenden außer Ne- benchari und Kröſus in großer Eile das Zimmer ver- ließen; wie man Hunde in das Krankenzimmer führte, um die klugen Köpfe derſelben der Verſtorbenen zuzuwenden und die Drukhs Naçus zu veranlaſſen, in die Thiere zu fahren; wie, nach dem Ableben der Jungfrau, Kaſſandane, Atoſſa und alle ihre Diener ſofort ein andres Haus be- zogen, um von dem Leichnam nicht verunreinigt zu werden, wie man alle Feuer in der alten Wohnung verlöſchte, damit das reine Element den befleckenden Geiſtern des

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/46>, abgerufen am 28.04.2024.