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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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er die Arbeit der Bibliothek zu Theben 17) vermachen, da-
mit seine Erfahrungen all' seinen Nachfolgern nützlich
werden und der ganzen Schaar der Leidenden Früchte
tragen möchten. Anerkennung nach dem Tode wünschte er
für sich, während er der Wissenschaft den Schlaf seiner
Nächte opferte; -- Ruhm durch seine Mühen für die Kaste,
der er angehörte. -- Da stand jetzt sein alter Nebenbuhler
Petammon, nachdem er ihm die Erfindung des Sta[a]rschnittes
geraubt, an der Seite des Thronfolgers, im Haine der
Neith, und schürte das vernichtende Feuer. Rothe Gluten
färbten die boshaften Züge der Beiden, und ihr hämisches
Gelächter stieg mit den Flammen, Rache heischend, gen
Himmel. Dort drüben reichte der Oberpriester dem Amasis
die Briefe seines Vaters. Hohn und Spott sprühte von
den Lippen des Königs, triumphirende Freude aus den
Zügen Neithotephs. -- So sehr war er in seinen Träumen
versunken, daß ihn einer der persischen Aerzte auf das
Erwachen der Kranken aufmerksam machen mußte. Er
nickte demselben, auf seine müden Augen deutend, lächelnd
zu, befühlte den Puls der Leidenden und fragte dieselbe
in ägyptischer Sprache: "Hast Du gut geschlafen, Herrin?"

"Jch weiß nicht," antwortete die Kranke mit kaum
vernehmbarer Stimme. "Mir war zwar, als wenn ich
geschlummert hätte; dennoch sah und hörte ich Alles, was
hier im Zimmer vorging. Jch fühlte mich so müde, daß
ich den Traum nicht vom Wachen unterscheiden konnte. Jst
nicht Atossa mehrmals bei mir gewesen?"

"Ganz recht!"

"Und Kambyses verweilte, bis die Sonne aufging,
bei Kassandane; dann ging er ins Freie, bestieg den Hengst
Reksch und ritt in den Thiergarten."

"Woher weißt Du das?"

er die Arbeit der Bibliothek zu Theben 17) vermachen, da-
mit ſeine Erfahrungen all’ ſeinen Nachfolgern nützlich
werden und der ganzen Schaar der Leidenden Früchte
tragen möchten. Anerkennung nach dem Tode wünſchte er
für ſich, während er der Wiſſenſchaft den Schlaf ſeiner
Nächte opferte; — Ruhm durch ſeine Mühen für die Kaſte,
der er angehörte. — Da ſtand jetzt ſein alter Nebenbuhler
Petammon, nachdem er ihm die Erfindung des Sta[a]rſchnittes
geraubt, an der Seite des Thronfolgers, im Haine der
Neith, und ſchürte das vernichtende Feuer. Rothe Gluten
färbten die boshaften Züge der Beiden, und ihr hämiſches
Gelächter ſtieg mit den Flammen, Rache heiſchend, gen
Himmel. Dort drüben reichte der Oberprieſter dem Amaſis
die Briefe ſeines Vaters. Hohn und Spott ſprühte von
den Lippen des Königs, triumphirende Freude aus den
Zügen Neithotephs. — So ſehr war er in ſeinen Träumen
verſunken, daß ihn einer der perſiſchen Aerzte auf das
Erwachen der Kranken aufmerkſam machen mußte. Er
nickte demſelben, auf ſeine müden Augen deutend, lächelnd
zu, befühlte den Puls der Leidenden und fragte dieſelbe
in ägyptiſcher Sprache: „Haſt Du gut geſchlafen, Herrin?“

„Jch weiß nicht,“ antwortete die Kranke mit kaum
vernehmbarer Stimme. „Mir war zwar, als wenn ich
geſchlummert hätte; dennoch ſah und hörte ich Alles, was
hier im Zimmer vorging. Jch fühlte mich ſo müde, daß
ich den Traum nicht vom Wachen unterſcheiden konnte. Jſt
nicht Atoſſa mehrmals bei mir geweſen?“

„Ganz recht!“

„Und Kambyſes verweilte, bis die Sonne aufging,
bei Kaſſandane; dann ging er ins Freie, beſtieg den Hengſt
Rekſch und ritt in den Thiergarten.“

„Woher weißt Du das?“

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[32/0042] er die Arbeit der Bibliothek zu Theben 17) vermachen, da- mit ſeine Erfahrungen all’ ſeinen Nachfolgern nützlich werden und der ganzen Schaar der Leidenden Früchte tragen möchten. Anerkennung nach dem Tode wünſchte er für ſich, während er der Wiſſenſchaft den Schlaf ſeiner Nächte opferte; — Ruhm durch ſeine Mühen für die Kaſte, der er angehörte. — Da ſtand jetzt ſein alter Nebenbuhler Petammon, nachdem er ihm die Erfindung des Staarſchnittes geraubt, an der Seite des Thronfolgers, im Haine der Neith, und ſchürte das vernichtende Feuer. Rothe Gluten färbten die boshaften Züge der Beiden, und ihr hämiſches Gelächter ſtieg mit den Flammen, Rache heiſchend, gen Himmel. Dort drüben reichte der Oberprieſter dem Amaſis die Briefe ſeines Vaters. Hohn und Spott ſprühte von den Lippen des Königs, triumphirende Freude aus den Zügen Neithotephs. — So ſehr war er in ſeinen Träumen verſunken, daß ihn einer der perſiſchen Aerzte auf das Erwachen der Kranken aufmerkſam machen mußte. Er nickte demſelben, auf ſeine müden Augen deutend, lächelnd zu, befühlte den Puls der Leidenden und fragte dieſelbe in ägyptiſcher Sprache: „Haſt Du gut geſchlafen, Herrin?“ „Jch weiß nicht,“ antwortete die Kranke mit kaum vernehmbarer Stimme. „Mir war zwar, als wenn ich geſchlummert hätte; dennoch ſah und hörte ich Alles, was hier im Zimmer vorging. Jch fühlte mich ſo müde, daß ich den Traum nicht vom Wachen unterſcheiden konnte. Jſt nicht Atoſſa mehrmals bei mir geweſen?“ „Ganz recht!“ „Und Kambyſes verweilte, bis die Sonne aufging, bei Kaſſandane; dann ging er ins Freie, beſtieg den Hengſt Rekſch und ritt in den Thiergarten.“ „Woher weißt Du das?“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/42>, abgerufen am 28.04.2024.