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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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"Jch hab' es gesehen."

Nebenchari schaute besorgt in die glänzenden Augen
der Jungfrau, welche fortfuhr: "Auch hat man viele Hunde
in den Hof hinter diesem Hause geführt."

"Der König will seinen Schmerz über Dein Leiden
vielleicht durch eine Jagd betäuben."

"O nein, das weiß ich besser! Oropastes hat mich
gelehrt, daß jedem sterbenden Perser Hunde 18) zugeführt
werden, damit der Diw des Todes in dieselben fahre."

"Du bist ja noch am Leben, Herrin, und --"

"O, ich weiß, daß ich sterben werde! Hätt' ich auch
nicht gesehen, wie Du und die andern Aerzte, indem Jhr
mich anschautet, die Achseln zucktet, so wüßte ich dennoch,
daß ich nur noch wenige Stunden zu leben habe. Das
Gift ist tödtlich!"

"Du sprichst zu viel, Herrin; das Reden wird Dir
schaden."

"Laß mich, Nebenchari! Jch muß Dich um etwas
bitten, eh' ich sterbe."

"Jch bin Dein Diener!"

"Nein, Nebenchari, mein Freund sollst Du sein, mein
Priester! Nicht wahr, Du zürnst mir nicht mehr, weil ich
zu den persischen Göttern gebetet habe? Jsis und Hathor
sind doch immer meine besten Freundinnen geblieben. --
Ja, ich seh' Dir's an, daß Du mir vergibst. -- Nun
mußt Du mir aber auch versprechen, mich nicht von Hunden
und Geiern zerreißen zu lassen *). O, der Gedanke ist
gar zu schrecklich! Nicht wahr, Du wirst meinen Leichnam
balsamiren und ihn mit Amuleten schmücken?"

"Wenn der König es gestattet."

*) Siehe I. Theil Anmerk. 107.
Ebers, Eine ägyptische Königstochter. III. 3

„Jch hab’ es geſehen.“

Nebenchari ſchaute beſorgt in die glänzenden Augen
der Jungfrau, welche fortfuhr: „Auch hat man viele Hunde
in den Hof hinter dieſem Hauſe geführt.“

„Der König will ſeinen Schmerz über Dein Leiden
vielleicht durch eine Jagd betäuben.“

„O nein, das weiß ich beſſer! Oropaſtes hat mich
gelehrt, daß jedem ſterbenden Perſer Hunde 18) zugeführt
werden, damit der Diw des Todes in dieſelben fahre.“

„Du biſt ja noch am Leben, Herrin, und —“

„O, ich weiß, daß ich ſterben werde! Hätt’ ich auch
nicht geſehen, wie Du und die andern Aerzte, indem Jhr
mich anſchautet, die Achſeln zucktet, ſo wüßte ich dennoch,
daß ich nur noch wenige Stunden zu leben habe. Das
Gift iſt tödtlich!“

„Du ſprichſt zu viel, Herrin; das Reden wird Dir
ſchaden.“

„Laß mich, Nebenchari! Jch muß Dich um etwas
bitten, eh’ ich ſterbe.“

„Jch bin Dein Diener!“

„Nein, Nebenchari, mein Freund ſollſt Du ſein, mein
Prieſter! Nicht wahr, Du zürnſt mir nicht mehr, weil ich
zu den perſiſchen Göttern gebetet habe? Jſis und Hathor
ſind doch immer meine beſten Freundinnen geblieben. —
Ja, ich ſeh’ Dir’s an, daß Du mir vergibſt. — Nun
mußt Du mir aber auch verſprechen, mich nicht von Hunden
und Geiern zerreißen zu laſſen *). O, der Gedanke iſt
gar zu ſchrecklich! Nicht wahr, Du wirſt meinen Leichnam
balſamiren und ihn mit Amuleten ſchmücken?“

„Wenn der König es geſtattet.“

*) Siehe I. Theil Anmerk. 107.
Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 3
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[33/0043] „Jch hab’ es geſehen.“ Nebenchari ſchaute beſorgt in die glänzenden Augen der Jungfrau, welche fortfuhr: „Auch hat man viele Hunde in den Hof hinter dieſem Hauſe geführt.“ „Der König will ſeinen Schmerz über Dein Leiden vielleicht durch eine Jagd betäuben.“ „O nein, das weiß ich beſſer! Oropaſtes hat mich gelehrt, daß jedem ſterbenden Perſer Hunde 18) zugeführt werden, damit der Diw des Todes in dieſelben fahre.“ „Du biſt ja noch am Leben, Herrin, und —“ „O, ich weiß, daß ich ſterben werde! Hätt’ ich auch nicht geſehen, wie Du und die andern Aerzte, indem Jhr mich anſchautet, die Achſeln zucktet, ſo wüßte ich dennoch, daß ich nur noch wenige Stunden zu leben habe. Das Gift iſt tödtlich!“ „Du ſprichſt zu viel, Herrin; das Reden wird Dir ſchaden.“ „Laß mich, Nebenchari! Jch muß Dich um etwas bitten, eh’ ich ſterbe.“ „Jch bin Dein Diener!“ „Nein, Nebenchari, mein Freund ſollſt Du ſein, mein Prieſter! Nicht wahr, Du zürnſt mir nicht mehr, weil ich zu den perſiſchen Göttern gebetet habe? Jſis und Hathor ſind doch immer meine beſten Freundinnen geblieben. — Ja, ich ſeh’ Dir’s an, daß Du mir vergibſt. — Nun mußt Du mir aber auch verſprechen, mich nicht von Hunden und Geiern zerreißen zu laſſen *). O, der Gedanke iſt gar zu ſchrecklich! Nicht wahr, Du wirſt meinen Leichnam balſamiren und ihn mit Amuleten ſchmücken?“ „Wenn der König es geſtattet.“ *) Siehe I. Theil Anmerk. 107. Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 3

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/43>, abgerufen am 28.04.2024.