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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Befehlen nicht Folge leisten würde. Jch werde natürlich
grob, denn ich kann nicht anders, wenn mich etwas ärgert,
das weißt Du, Herr; da läßt er mich, -- bei unserem
Gotte Thoth, der die Wissenschaft beschirmt, ich rede die
Wahrheit, Herr, -- da läßt der Grünschnabel mir die
Hände binden, verbietet mir, dem alten Hib, den Mund
und theilt mir mit, daß er vom Oberpriester den Auftrag
habe, mir fünfundzwanzig Stockprügel geben zu lassen,
wenn ich mich nicht ohne jede Widerrede seinen Anert-
nungen fügen würde. Dabei zeigt er mir den Ring des
Oberpriesters. Nun mußt' ich, ob ich wollte oder nicht,
dem Befehle dieses Schuftes gehorchen! Derselbe bestand
in nichts Geringerem, als ihm sofort alle Schriftstücke, die
Du in Deinem Hause zurückgelassen, einzuhändigen. Aber
der alte Hib ist nicht so dumm, daß er sich gleich fangen
läßt, wenn auch Manche, die ihn besser kennen sollten,
meinen, daß er ein bestechlicher Mensch und der Sohn
eines Esels sei. Was werde ich also thun? Jch stelle
mich, als wär' ich ganz zerknirscht von dem Anblicke des
Siegelrings, ersuche Pichi so höflich als ich eben kann,
mir die Hände loszubinden, und sage, daß ich die Schlüssel
holen wolle. -- Man nimmt die Stricke von meinen
Händen, ich eile die Treppe hinauf, immer fünf Stufen mit
einem Schritte nehmend, reiße, oben angekommen, die Thür
Deines Schlafzimmers auf, schiebe meinen Enkel, der vor
derselben stand, hinein und stoße den Riegel vor. Dank
meinen langen Beinen war ich den Andern so weit voraus,
daß ich Zeit behielt, dem Jungen das schwarze Kästchen,
welches Du meiner besondern Obhut empfohlen hattest, in
den Arm zu geben, den kleinen Kerl durch das Fenster
auf den Altan, der das Haus an der dem Hofe zugekehr-
ten Seite umgibt, zu heben und ihm zu befehlen, dasselbe

Befehlen nicht Folge leiſten würde. Jch werde natürlich
grob, denn ich kann nicht anders, wenn mich etwas ärgert,
das weißt Du, Herr; da läßt er mich, — bei unſerem
Gotte Thoth, der die Wiſſenſchaft beſchirmt, ich rede die
Wahrheit, Herr, — da läßt der Grünſchnabel mir die
Hände binden, verbietet mir, dem alten Hib, den Mund
und theilt mir mit, daß er vom Oberprieſter den Auftrag
habe, mir fünfundzwanzig Stockprügel geben zu laſſen,
wenn ich mich nicht ohne jede Widerrede ſeinen Anert-
nungen fügen würde. Dabei zeigt er mir den Ring des
Oberprieſters. Nun mußt’ ich, ob ich wollte oder nicht,
dem Befehle dieſes Schuftes gehorchen! Derſelbe beſtand
in nichts Geringerem, als ihm ſofort alle Schriftſtücke, die
Du in Deinem Hauſe zurückgelaſſen, einzuhändigen. Aber
der alte Hib iſt nicht ſo dumm, daß er ſich gleich fangen
läßt, wenn auch Manche, die ihn beſſer kennen ſollten,
meinen, daß er ein beſtechlicher Menſch und der Sohn
eines Eſels ſei. Was werde ich alſo thun? Jch ſtelle
mich, als wär’ ich ganz zerknirſcht von dem Anblicke des
Siegelrings, erſuche Pichi ſo höflich als ich eben kann,
mir die Hände loszubinden, und ſage, daß ich die Schlüſſel
holen wolle. — Man nimmt die Stricke von meinen
Händen, ich eile die Treppe hinauf, immer fünf Stufen mit
einem Schritte nehmend, reiße, oben angekommen, die Thür
Deines Schlafzimmers auf, ſchiebe meinen Enkel, der vor
derſelben ſtand, hinein und ſtoße den Riegel vor. Dank
meinen langen Beinen war ich den Andern ſo weit voraus,
daß ich Zeit behielt, dem Jungen das ſchwarze Käſtchen,
welches Du meiner beſondern Obhut empfohlen hatteſt, in
den Arm zu geben, den kleinen Kerl durch das Fenſter
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[21/0029] Befehlen nicht Folge leiſten würde. Jch werde natürlich grob, denn ich kann nicht anders, wenn mich etwas ärgert, das weißt Du, Herr; da läßt er mich, — bei unſerem Gotte Thoth, der die Wiſſenſchaft beſchirmt, ich rede die Wahrheit, Herr, — da läßt der Grünſchnabel mir die Hände binden, verbietet mir, dem alten Hib, den Mund und theilt mir mit, daß er vom Oberprieſter den Auftrag habe, mir fünfundzwanzig Stockprügel geben zu laſſen, wenn ich mich nicht ohne jede Widerrede ſeinen Anert- nungen fügen würde. Dabei zeigt er mir den Ring des Oberprieſters. Nun mußt’ ich, ob ich wollte oder nicht, dem Befehle dieſes Schuftes gehorchen! Derſelbe beſtand in nichts Geringerem, als ihm ſofort alle Schriftſtücke, die Du in Deinem Hauſe zurückgelaſſen, einzuhändigen. Aber der alte Hib iſt nicht ſo dumm, daß er ſich gleich fangen läßt, wenn auch Manche, die ihn beſſer kennen ſollten, meinen, daß er ein beſtechlicher Menſch und der Sohn eines Eſels ſei. Was werde ich alſo thun? Jch ſtelle mich, als wär’ ich ganz zerknirſcht von dem Anblicke des Siegelrings, erſuche Pichi ſo höflich als ich eben kann, mir die Hände loszubinden, und ſage, daß ich die Schlüſſel holen wolle. — Man nimmt die Stricke von meinen Händen, ich eile die Treppe hinauf, immer fünf Stufen mit einem Schritte nehmend, reiße, oben angekommen, die Thür Deines Schlafzimmers auf, ſchiebe meinen Enkel, der vor derſelben ſtand, hinein und ſtoße den Riegel vor. Dank meinen langen Beinen war ich den Andern ſo weit voraus, daß ich Zeit behielt, dem Jungen das ſchwarze Käſtchen, welches Du meiner beſondern Obhut empfohlen hatteſt, in den Arm zu geben, den kleinen Kerl durch das Fenſter auf den Altan, der das Haus an der dem Hofe zugekehr- ten Seite umgibt, zu heben und ihm zu befehlen, dasſelbe

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/29>, abgerufen am 28.04.2024.