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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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"Weiß schon! Der alte Hib kann Dir hier in Per-
sien nichts recht machen; -- aber sei es drum! Du bist der
Herr und hast zu befehlen; ich bin nichts als der Diener,
der gehorchen muß. Will mir's merken! -- Na, es war
also grade in der Zeit, wo die große persische Gesandtschaft
nach Sais kam, um Nitetis zu holen und sich von aller
Welt wie Wunderthiere angaffen zu lassen, als die Schänd-
lichkeit vor sich ging. Jch sitze, gerade eh' die Sonne
unterging, auf dem Mückenthürmchen und spiele mit meinem
Enkel, dem ältesten Knaben mein er Tabainofre *), -- 's ist
ein prächtiger, dicker Junge geworden, der für sein Alter
merkwürdig klug und kräftig ist. Der Schlingel erzählt
mir eben, sein Vater habe, wie die Aegypter thun, wenn
ihre Frauen die Kinderchen zu viel allein lassen, die Schuh'
seiner Mutter versteckt 13), und ich lache aus vollem Halse,
weil ich der Tabainofre, die keins der Enkelchen bei mir
wohnen lassen will, diesen Streich schon gönnte, -- sie
sagen immer, ich verzöge die Kleinen, -- als es plötzlich
mit dem Klopfer so heftig an die Hausthür pocht, daß ich
schon denke, es sei Feuer ausgebrochen, und den Jungen
von meinem Schooße fallen lasse. So schnell ich kann,
spring' ich die Treppe hinunter, nehme mit meinen langen
Beinen immer drei Stufen auf einmal und schiebe den
Riegel zurück. Die Thür fliegt auf, und eine Schaar von
Tempeldienern und Sicherheitsbeamten, -- es waren we-
nigstens fünfzehn Mann, -- dringt, ehe ich noch Zeit habe,
nach ihrem Begehr zu fragen, ins Haus. Pichi, der un-
verschämte Tempeldiener der Neith, -- Du kennst ihn ja,
-- stößt mich zurück, riegelt die Thür von innen zu und
befiehlt den Schaarwächtern, mich zu binden, wenn ich seinen

*) Gute Palme.

„Weiß ſchon! Der alte Hib kann Dir hier in Per-
ſien nichts recht machen; — aber ſei es drum! Du biſt der
Herr und haſt zu befehlen; ich bin nichts als der Diener,
der gehorchen muß. Will mir’s merken! — Na, es war
alſo grade in der Zeit, wo die große perſiſche Geſandtſchaft
nach Sais kam, um Nitetis zu holen und ſich von aller
Welt wie Wunderthiere angaffen zu laſſen, als die Schänd-
lichkeit vor ſich ging. Jch ſitze, gerade eh’ die Sonne
unterging, auf dem Mückenthürmchen und ſpiele mit meinem
Enkel, dem älteſten Knaben mein er Tabainofre *), — ’s iſt
ein prächtiger, dicker Junge geworden, der für ſein Alter
merkwürdig klug und kräftig iſt. Der Schlingel erzählt
mir eben, ſein Vater habe, wie die Aegypter thun, wenn
ihre Frauen die Kinderchen zu viel allein laſſen, die Schuh’
ſeiner Mutter verſteckt 13), und ich lache aus vollem Halſe,
weil ich der Tabainofre, die keins der Enkelchen bei mir
wohnen laſſen will, dieſen Streich ſchon gönnte, — ſie
ſagen immer, ich verzöge die Kleinen, — als es plötzlich
mit dem Klopfer ſo heftig an die Hausthür pocht, daß ich
ſchon denke, es ſei Feuer ausgebrochen, und den Jungen
von meinem Schooße fallen laſſe. So ſchnell ich kann,
ſpring’ ich die Treppe hinunter, nehme mit meinen langen
Beinen immer drei Stufen auf einmal und ſchiebe den
Riegel zurück. Die Thür fliegt auf, und eine Schaar von
Tempeldienern und Sicherheitsbeamten, — es waren we-
nigſtens fünfzehn Mann, — dringt, ehe ich noch Zeit habe,
nach ihrem Begehr zu fragen, ins Haus. Pichi, der un-
verſchämte Tempeldiener der Neith, — Du kennſt ihn ja,
— ſtößt mich zurück, riegelt die Thür von innen zu und
befiehlt den Schaarwächtern, mich zu binden, wenn ich ſeinen

*) Gute Palme.
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[20/0028] „Weiß ſchon! Der alte Hib kann Dir hier in Per- ſien nichts recht machen; — aber ſei es drum! Du biſt der Herr und haſt zu befehlen; ich bin nichts als der Diener, der gehorchen muß. Will mir’s merken! — Na, es war alſo grade in der Zeit, wo die große perſiſche Geſandtſchaft nach Sais kam, um Nitetis zu holen und ſich von aller Welt wie Wunderthiere angaffen zu laſſen, als die Schänd- lichkeit vor ſich ging. Jch ſitze, gerade eh’ die Sonne unterging, auf dem Mückenthürmchen und ſpiele mit meinem Enkel, dem älteſten Knaben mein er Tabainofre *), — ’s iſt ein prächtiger, dicker Junge geworden, der für ſein Alter merkwürdig klug und kräftig iſt. Der Schlingel erzählt mir eben, ſein Vater habe, wie die Aegypter thun, wenn ihre Frauen die Kinderchen zu viel allein laſſen, die Schuh’ ſeiner Mutter verſteckt 13), und ich lache aus vollem Halſe, weil ich der Tabainofre, die keins der Enkelchen bei mir wohnen laſſen will, dieſen Streich ſchon gönnte, — ſie ſagen immer, ich verzöge die Kleinen, — als es plötzlich mit dem Klopfer ſo heftig an die Hausthür pocht, daß ich ſchon denke, es ſei Feuer ausgebrochen, und den Jungen von meinem Schooße fallen laſſe. So ſchnell ich kann, ſpring’ ich die Treppe hinunter, nehme mit meinen langen Beinen immer drei Stufen auf einmal und ſchiebe den Riegel zurück. Die Thür fliegt auf, und eine Schaar von Tempeldienern und Sicherheitsbeamten, — es waren we- nigſtens fünfzehn Mann, — dringt, ehe ich noch Zeit habe, nach ihrem Begehr zu fragen, ins Haus. Pichi, der un- verſchämte Tempeldiener der Neith, — Du kennſt ihn ja, — ſtößt mich zurück, riegelt die Thür von innen zu und befiehlt den Schaarwächtern, mich zu binden, wenn ich ſeinen *) Gute Palme.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/28>, abgerufen am 28.04.2024.