Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.für einen Schurken, einen Spitzbuben, einen Verräther, Bei diesen letzten Worten floßen die Augen des Grei- Der leicht gerührte Phanes klopfte ihm auf die Der Arzt hätte dieser Worte des Atheners nicht be- "Soll mich wohl noch über Deinen schändlichen Ver- "Das nicht; -- wohl aber gestatte ich Dir jetzt, zu "Schöne Geschichten! Die Galle steigt mir zu Kopfe, "Du sagtest vorhin, man habe mich bestohlen." "Und wie! -- So ist noch gar kein Mensch vor uns "Bleibe bei der Sache, denn meine Zeit ist gemessen!" für einen Schurken, einen Spitzbuben, einen Verräther, Bei dieſen letzten Worten floßen die Augen des Grei- Der leicht gerührte Phanes klopfte ihm auf die Der Arzt hätte dieſer Worte des Atheners nicht be- „Soll mich wohl noch über Deinen ſchändlichen Ver- „Das nicht; — wohl aber geſtatte ich Dir jetzt, zu „Schöne Geſchichten! Die Galle ſteigt mir zu Kopfe, „Du ſagteſt vorhin, man habe mich beſtohlen.“ „Und wie! — So iſt noch gar kein Menſch vor uns „Bleibe bei der Sache, denn meine Zeit iſt gemeſſen!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0027" n="19"/> für einen Schurken, einen Spitzbuben, einen Verräther,<lb/> wenn’s euch gefällig iſt, auch für einen Mörder hält!“</p><lb/> <p>Bei dieſen letzten Worten floßen die Augen des Grei-<lb/> ſes, ſehr gegen ſeinen Willen, von heißen Thränen über.</p><lb/> <p>Der leicht gerührte Phanes klopfte ihm auf die<lb/> Schulter und ſagte, ſich an Nebenchari wendend: „Hib iſt<lb/> ein treuer Menſch. Nenne mich einen Schurken, wenn<lb/> derſelbe einen Obolos von mir angenommen hat.“</p><lb/> <p>Der Arzt hätte dieſer Worte des Atheners nicht be-<lb/> durft, um von der Unſchuld ſeines Dieners vollkommen<lb/> überzeugt zu ſein. Er kannte denſelben ſo lange und ſo<lb/> genau, daß er in den keiner Verſtellung fähigen Zügen des<lb/> Alten wie in einem offenen Buche zu leſen verſtand; darum<lb/> näherte er ſich demſelben und ſagte begütigend: „Jch habe<lb/> Dir nichts vorgeworfen, Alter. Wer wird über eine bloße<lb/> Frage ſo böſe werden!“</p><lb/> <p>„Soll mich wohl noch über Deinen ſchändlichen Ver-<lb/> dacht freuen?“</p><lb/> <p>„Das nicht; — wohl aber geſtatte ich Dir jetzt, zu<lb/> erzählen, was ſich während meiner Abweſenheit in unſerem<lb/> Hauſe zugetragen hat.“</p><lb/> <p>„Schöne Geſchichten! Die Galle ſteigt mir zu Kopfe,<lb/> wenn ich daran denke.“</p><lb/> <p>„Du ſagteſt vorhin, man habe mich beſtohlen.“</p><lb/> <p>„Und wie! — So iſt noch gar kein Menſch vor uns<lb/> beſtohlen worden! Wenn die Spitzbuben noch Strolche von<lb/> der Diebeskaſte geweſen wären <hi rendition="#sup">12</hi>), ſo könnte man ſich<lb/> tröſten, — denn erſtens würden wir dann den beſten Theil<lb/> unſres Eigenthums wieder bekommen haben, und zweitens<lb/> nicht ſchlimmer dran geweſen ſein, als viele Andre; —<lb/> wenn aber —“</p><lb/> <p>„Bleibe bei der Sache, denn meine Zeit iſt gemeſſen!“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [19/0027]
für einen Schurken, einen Spitzbuben, einen Verräther,
wenn’s euch gefällig iſt, auch für einen Mörder hält!“
Bei dieſen letzten Worten floßen die Augen des Grei-
ſes, ſehr gegen ſeinen Willen, von heißen Thränen über.
Der leicht gerührte Phanes klopfte ihm auf die
Schulter und ſagte, ſich an Nebenchari wendend: „Hib iſt
ein treuer Menſch. Nenne mich einen Schurken, wenn
derſelbe einen Obolos von mir angenommen hat.“
Der Arzt hätte dieſer Worte des Atheners nicht be-
durft, um von der Unſchuld ſeines Dieners vollkommen
überzeugt zu ſein. Er kannte denſelben ſo lange und ſo
genau, daß er in den keiner Verſtellung fähigen Zügen des
Alten wie in einem offenen Buche zu leſen verſtand; darum
näherte er ſich demſelben und ſagte begütigend: „Jch habe
Dir nichts vorgeworfen, Alter. Wer wird über eine bloße
Frage ſo böſe werden!“
„Soll mich wohl noch über Deinen ſchändlichen Ver-
dacht freuen?“
„Das nicht; — wohl aber geſtatte ich Dir jetzt, zu
erzählen, was ſich während meiner Abweſenheit in unſerem
Hauſe zugetragen hat.“
„Schöne Geſchichten! Die Galle ſteigt mir zu Kopfe,
wenn ich daran denke.“
„Du ſagteſt vorhin, man habe mich beſtohlen.“
„Und wie! — So iſt noch gar kein Menſch vor uns
beſtohlen worden! Wenn die Spitzbuben noch Strolche von
der Diebeskaſte geweſen wären 12), ſo könnte man ſich
tröſten, — denn erſtens würden wir dann den beſten Theil
unſres Eigenthums wieder bekommen haben, und zweitens
nicht ſchlimmer dran geweſen ſein, als viele Andre; —
wenn aber —“
„Bleibe bei der Sache, denn meine Zeit iſt gemeſſen!“
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