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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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wenn er nicht von meiner eigenen Hand, die ich euch hier
zeige, am Ufer des rothen Meeres erschlagen worden wäre.
Diese ruchlose That, welche ich, beim Mithra, mit blu-
tendem Herzen beging, vollbrachte ich, indem ich, als treuer
Diener, dem Befehle meines Königs und Herrn gehorchte.
Dennoch konnte ich, weder bei Tag noch bei Nacht, Ruhe
finden und bin wie ein gescheuchtes Wild von den Geistern
der Finsterniß, welche den Schlaf von dem Lager des
Mörders scheuchen, vier lange Jahre hindurch gehetzt und
geängstigt worden; jetzt aber hab' ich beschlossen, dieses
Dasein voller Angst und Verzweiflung mit einer würdigen
That zu beenden und mir, wenn ich auch keine Gnade an
der Brücke Chinvat *) finden werde, wenigstens im Munde
der Menschen den Namen eines braven Mannes, den ich
befleckt habe, von Neuem zu erwerben. Wißt denn, daß
jener Mann, welcher sich für den Sohn des Kyros aus-
gibt, mich auf diesen Thurm schickte und mir reichen Lohn
verhieß, wenn ich euch betrügen und versichern wollte, daß
er Bartja, der Achämenide, sei. Jch aber lache seiner
Versprechungen und schwöre hier mit dem höchsten Eide,
den ich kenne, beim Mithra und den Feruers der Könige,
daß Derjenige, welcher euch jetzt beherrscht, Niemand an-
ders ist, als der seiner Ohren beraubte Magier Gaumata,
der Bruder des Oberpriesters und Statthalters Oropastes,
den ihr Alle kennt! Wenn ihr des Ruhms vergessen wollt,
den ihr den Achämeniden verdankt, wenn ihr Undank mit
Erniedrigung vereinen wollt, so erkennt die Elenden an
und nennt sie eure Könige; wenn ihr aber die Lüge ver-
achtet und euch schämt, nichtswürdigen Betrügern zu ge-
horchen, dann verjagt die Magier, ehe Mithra den Himmel

*) S. II. Theil Anmerk. 100.

wenn er nicht von meiner eigenen Hand, die ich euch hier
zeige, am Ufer des rothen Meeres erſchlagen worden wäre.
Dieſe ruchloſe That, welche ich, beim Mithra, mit blu-
tendem Herzen beging, vollbrachte ich, indem ich, als treuer
Diener, dem Befehle meines Königs und Herrn gehorchte.
Dennoch konnte ich, weder bei Tag noch bei Nacht, Ruhe
finden und bin wie ein geſcheuchtes Wild von den Geiſtern
der Finſterniß, welche den Schlaf von dem Lager des
Mörders ſcheuchen, vier lange Jahre hindurch gehetzt und
geängſtigt worden; jetzt aber hab’ ich beſchloſſen, dieſes
Daſein voller Angſt und Verzweiflung mit einer würdigen
That zu beenden und mir, wenn ich auch keine Gnade an
der Brücke Chinvat *) finden werde, wenigſtens im Munde
der Menſchen den Namen eines braven Mannes, den ich
befleckt habe, von Neuem zu erwerben. Wißt denn, daß
jener Mann, welcher ſich für den Sohn des Kyros aus-
gibt, mich auf dieſen Thurm ſchickte und mir reichen Lohn
verhieß, wenn ich euch betrügen und verſichern wollte, daß
er Bartja, der Achämenide, ſei. Jch aber lache ſeiner
Verſprechungen und ſchwöre hier mit dem höchſten Eide,
den ich kenne, beim Mithra und den Feruers der Könige,
daß Derjenige, welcher euch jetzt beherrſcht, Niemand an-
ders iſt, als der ſeiner Ohren beraubte Magier Gaumata,
der Bruder des Oberprieſters und Statthalters Oropaſtes,
den ihr Alle kennt! Wenn ihr des Ruhms vergeſſen wollt,
den ihr den Achämeniden verdankt, wenn ihr Undank mit
Erniedrigung vereinen wollt, ſo erkennt die Elenden an
und nennt ſie eure Könige; wenn ihr aber die Lüge ver-
achtet und euch ſchämt, nichtswürdigen Betrügern zu ge-
horchen, dann verjagt die Magier, ehe Mithra den Himmel

*) S. II. Theil Anmerk. 100.
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[259/0269] wenn er nicht von meiner eigenen Hand, die ich euch hier zeige, am Ufer des rothen Meeres erſchlagen worden wäre. Dieſe ruchloſe That, welche ich, beim Mithra, mit blu- tendem Herzen beging, vollbrachte ich, indem ich, als treuer Diener, dem Befehle meines Königs und Herrn gehorchte. Dennoch konnte ich, weder bei Tag noch bei Nacht, Ruhe finden und bin wie ein geſcheuchtes Wild von den Geiſtern der Finſterniß, welche den Schlaf von dem Lager des Mörders ſcheuchen, vier lange Jahre hindurch gehetzt und geängſtigt worden; jetzt aber hab’ ich beſchloſſen, dieſes Daſein voller Angſt und Verzweiflung mit einer würdigen That zu beenden und mir, wenn ich auch keine Gnade an der Brücke Chinvat *) finden werde, wenigſtens im Munde der Menſchen den Namen eines braven Mannes, den ich befleckt habe, von Neuem zu erwerben. Wißt denn, daß jener Mann, welcher ſich für den Sohn des Kyros aus- gibt, mich auf dieſen Thurm ſchickte und mir reichen Lohn verhieß, wenn ich euch betrügen und verſichern wollte, daß er Bartja, der Achämenide, ſei. Jch aber lache ſeiner Verſprechungen und ſchwöre hier mit dem höchſten Eide, den ich kenne, beim Mithra und den Feruers der Könige, daß Derjenige, welcher euch jetzt beherrſcht, Niemand an- ders iſt, als der ſeiner Ohren beraubte Magier Gaumata, der Bruder des Oberprieſters und Statthalters Oropaſtes, den ihr Alle kennt! Wenn ihr des Ruhms vergeſſen wollt, den ihr den Achämeniden verdankt, wenn ihr Undank mit Erniedrigung vereinen wollt, ſo erkennt die Elenden an und nennt ſie eure Könige; wenn ihr aber die Lüge ver- achtet und euch ſchämt, nichtswürdigen Betrügern zu ge- horchen, dann verjagt die Magier, ehe Mithra den Himmel *) S. II. Theil Anmerk. 100.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/269>, abgerufen am 20.05.2024.