Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.scheiden, ob hellenischer Geist oder asiatische Barbarei die Hier legte Rhodopis den Brief aus der Hand und "Nein, meine Freundin," antwortete Krösus. "Muß "Und was diese für die Tugend aufgeben," rief ſcheiden, ob helleniſcher Geiſt oder aſiatiſche Barbarei die Hier legte Rhodopis den Brief aus der Hand und „Nein, meine Freundin,“ antwortete Kröſus. „Muß „Und was dieſe für die Tugend aufgeben,“ rief <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0257" n="247"/> ſcheiden, ob helleniſcher Geiſt oder aſiatiſche Barbarei die<lb/> Welt beherrſchen ſoll. Jch aber ſage Dir, daß, ſo wahr<lb/> der Geiſt den Körper zu beſiegen vermag, das freie, be-<lb/> geiſterte Volk der Hellenen die rohen Maſſen barbariſcher<lb/> Sklaven am letzten Ende unterwerfen wird!“</p><lb/> <p>Hier legte Rhodopis den Brief aus der Hand und<lb/> fragte Kröſus: „Glaubſt Du, daß ein Mann, wie Phanes,<lb/> ohne triftige Gründe und tiefe Ueberzeugung eine ſo be-<lb/> ſtimmte Vorausſagung wagen würde? Meinſt Du, daß ein<lb/> Volk, welches den ſchlichten Oelzweig ſeinen koſtbarſten<lb/> Kampfpreis, und die Freiheit, das Schöne und Gute ſeine<lb/> reichſten Beſitzthümer nennt, den aſiatiſchen Knechten unter-<lb/> liegen kann?“</p><lb/> <p>„Nein, meine Freundin,“ antwortete Kröſus. „Muß<lb/> ich doch ſelber glauben, daß Menſchen, welche, wie dieſe<lb/> Pythagoräer, die Lüſte und Leidenſchaften, um der bloßen<lb/> Tugend willen, zu beſiegen wiſſen, auch jedem anderen<lb/> Feinde gewachſen ſind!“</p><lb/> <p>„Und was dieſe für die Tugend aufgeben,“ rief<lb/> Rhodopis, — „das iſt jeder Hellene zehnfach für die Frei-<lb/> heit zu opfern bereit! Jch kenne meine Griechen und ſehe<lb/> darum ohne Beſorgniß in die Zukunft. Was die Pytha-<lb/> goräer betrifft, ſo mein’ ich, daß Onuphis, der greiſe Ober-<lb/> prieſter von Heliopolis, Recht hatte, als er ſagte: ‚Pytha-<lb/> goras iſt ein herrlicher, wunderbarer Mann, der die ganze<lb/> Menſchheit um ſich verſammeln und ſie zu hoher Vervoll-<lb/> kommnung führen könnte, wenn er im Stande wäre, ſein<lb/> vornehmes Weſen abzulegen und zum Volke herunterzu-<lb/> ſteigen. Ariſtokrat vom Scheitel bis zur Sohle, wird er<lb/> nur die geringe Zahl Derjenigen gewinnen, welche ihn zu<lb/> verſtehen vermögen. Der erhabene Gedanke der Myſterien,<lb/> den er kennt, wird durch ihn der Menge niemals zugäng-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [247/0257]
ſcheiden, ob helleniſcher Geiſt oder aſiatiſche Barbarei die
Welt beherrſchen ſoll. Jch aber ſage Dir, daß, ſo wahr
der Geiſt den Körper zu beſiegen vermag, das freie, be-
geiſterte Volk der Hellenen die rohen Maſſen barbariſcher
Sklaven am letzten Ende unterwerfen wird!“
Hier legte Rhodopis den Brief aus der Hand und
fragte Kröſus: „Glaubſt Du, daß ein Mann, wie Phanes,
ohne triftige Gründe und tiefe Ueberzeugung eine ſo be-
ſtimmte Vorausſagung wagen würde? Meinſt Du, daß ein
Volk, welches den ſchlichten Oelzweig ſeinen koſtbarſten
Kampfpreis, und die Freiheit, das Schöne und Gute ſeine
reichſten Beſitzthümer nennt, den aſiatiſchen Knechten unter-
liegen kann?“
„Nein, meine Freundin,“ antwortete Kröſus. „Muß
ich doch ſelber glauben, daß Menſchen, welche, wie dieſe
Pythagoräer, die Lüſte und Leidenſchaften, um der bloßen
Tugend willen, zu beſiegen wiſſen, auch jedem anderen
Feinde gewachſen ſind!“
„Und was dieſe für die Tugend aufgeben,“ rief
Rhodopis, — „das iſt jeder Hellene zehnfach für die Frei-
heit zu opfern bereit! Jch kenne meine Griechen und ſehe
darum ohne Beſorgniß in die Zukunft. Was die Pytha-
goräer betrifft, ſo mein’ ich, daß Onuphis, der greiſe Ober-
prieſter von Heliopolis, Recht hatte, als er ſagte: ‚Pytha-
goras iſt ein herrlicher, wunderbarer Mann, der die ganze
Menſchheit um ſich verſammeln und ſie zu hoher Vervoll-
kommnung führen könnte, wenn er im Stande wäre, ſein
vornehmes Weſen abzulegen und zum Volke herunterzu-
ſteigen. Ariſtokrat vom Scheitel bis zur Sohle, wird er
nur die geringe Zahl Derjenigen gewinnen, welche ihn zu
verſtehen vermögen. Der erhabene Gedanke der Myſterien,
den er kennt, wird durch ihn der Menge niemals zugäng-
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