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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Gedränge der geschäftigen Städter. Niemals hatte ich
mich so einsam, so verlassen, so abgetrennt von der ganzen
übrigen Welt gefühlt, als in diesem Gewimmel von frem-
den, nach Gewinn jagenden Menschen, die mich, wie den
Stein im Wege, stießen und doch übersahen.

"Während ich noch, unschlüssig, welchen Weg ich ein-
schlagen sollte, und meinem Geschicke zürnend, dastand, be-
merkte ich, wie das Volk zusammenlief und schreiend und
jubelnd eine Reiterschaar umringte, die, wie ich mir später
erzählen ließ, von Sybaris gekommen war, um den Kro-
toniaten Proben ihrer seltenen Kunstfertigkeit zu ge-
ben 160).

"Du kannst Dir denken, mit welcher Aufmerksamkeit
das neugierige Volk den kühnen Menschen zusah, die, auf
laufenden Pferden stehend, athletische Stellungen einnahmen,
durch Reife sprangen und andere Kunststücke zum Besten
gaben. Jch selbst konnte mich der Bewunderung nicht
enthalten und war darum nicht wenig erstaunt, als sich
die Aufmerksamkeit der Menge plötzlich von einem Reiter,
der mit der Seite seines im Kreise laufenden Rosses Eins
zu sein schien, abwandte, um auf einen stattlichen, weiß
gekleideten Mann überzugehen, welcher neben einem riesigen,
reich bekränzten Krotoniaten, begleitet von vielen Jüng-
lingen und Männern, gemessenen Schrittes den Markt be-
trat. Sobald sich der seltsame Zug den Gaffern genähert
hatte, verneigte sich ein Theil derselben tief und ehrfurchts-
voll, während Andere in ein lautes Jubelgeschrei aus-
brachen, und wieder Andere durch Zischen und Murren
Zeichen ihres Mißfallens gaben.

"Schon aus der Ferne hatte ich in dem Anführer des
Zuges Pythagoras erkannt. Aus den Reden meiner Nach-
barn entnahm ich, daß der den Weisen begleitende Riese

Gedränge der geſchäftigen Städter. Niemals hatte ich
mich ſo einſam, ſo verlaſſen, ſo abgetrennt von der ganzen
übrigen Welt gefühlt, als in dieſem Gewimmel von frem-
den, nach Gewinn jagenden Menſchen, die mich, wie den
Stein im Wege, ſtießen und doch überſahen.

„Während ich noch, unſchlüſſig, welchen Weg ich ein-
ſchlagen ſollte, und meinem Geſchicke zürnend, daſtand, be-
merkte ich, wie das Volk zuſammenlief und ſchreiend und
jubelnd eine Reiterſchaar umringte, die, wie ich mir ſpäter
erzählen ließ, von Sybaris gekommen war, um den Kro-
toniaten Proben ihrer ſeltenen Kunſtfertigkeit zu ge-
ben 160).

„Du kannſt Dir denken, mit welcher Aufmerkſamkeit
das neugierige Volk den kühnen Menſchen zuſah, die, auf
laufenden Pferden ſtehend, athletiſche Stellungen einnahmen,
durch Reife ſprangen und andere Kunſtſtücke zum Beſten
gaben. Jch ſelbſt konnte mich der Bewunderung nicht
enthalten und war darum nicht wenig erſtaunt, als ſich
die Aufmerkſamkeit der Menge plötzlich von einem Reiter,
der mit der Seite ſeines im Kreiſe laufenden Roſſes Eins
zu ſein ſchien, abwandte, um auf einen ſtattlichen, weiß
gekleideten Mann überzugehen, welcher neben einem rieſigen,
reich bekränzten Krotoniaten, begleitet von vielen Jüng-
lingen und Männern, gemeſſenen Schrittes den Markt be-
trat. Sobald ſich der ſeltſame Zug den Gaffern genähert
hatte, verneigte ſich ein Theil derſelben tief und ehrfurchts-
voll, während Andere in ein lautes Jubelgeſchrei aus-
brachen, und wieder Andere durch Ziſchen und Murren
Zeichen ihres Mißfallens gaben.

„Schon aus der Ferne hatte ich in dem Anführer des
Zuges Pythagoras erkannt. Aus den Reden meiner Nach-
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[238/0248] Gedränge der geſchäftigen Städter. Niemals hatte ich mich ſo einſam, ſo verlaſſen, ſo abgetrennt von der ganzen übrigen Welt gefühlt, als in dieſem Gewimmel von frem- den, nach Gewinn jagenden Menſchen, die mich, wie den Stein im Wege, ſtießen und doch überſahen. „Während ich noch, unſchlüſſig, welchen Weg ich ein- ſchlagen ſollte, und meinem Geſchicke zürnend, daſtand, be- merkte ich, wie das Volk zuſammenlief und ſchreiend und jubelnd eine Reiterſchaar umringte, die, wie ich mir ſpäter erzählen ließ, von Sybaris gekommen war, um den Kro- toniaten Proben ihrer ſeltenen Kunſtfertigkeit zu ge- ben 160). „Du kannſt Dir denken, mit welcher Aufmerkſamkeit das neugierige Volk den kühnen Menſchen zuſah, die, auf laufenden Pferden ſtehend, athletiſche Stellungen einnahmen, durch Reife ſprangen und andere Kunſtſtücke zum Beſten gaben. Jch ſelbſt konnte mich der Bewunderung nicht enthalten und war darum nicht wenig erſtaunt, als ſich die Aufmerkſamkeit der Menge plötzlich von einem Reiter, der mit der Seite ſeines im Kreiſe laufenden Roſſes Eins zu ſein ſchien, abwandte, um auf einen ſtattlichen, weiß gekleideten Mann überzugehen, welcher neben einem rieſigen, reich bekränzten Krotoniaten, begleitet von vielen Jüng- lingen und Männern, gemeſſenen Schrittes den Markt be- trat. Sobald ſich der ſeltſame Zug den Gaffern genähert hatte, verneigte ſich ein Theil derſelben tief und ehrfurchts- voll, während Andere in ein lautes Jubelgeſchrei aus- brachen, und wieder Andere durch Ziſchen und Murren Zeichen ihres Mißfallens gaben. „Schon aus der Ferne hatte ich in dem Anführer des Zuges Pythagoras erkannt. Aus den Reden meiner Nach- barn entnahm ich, daß der den Weiſen begleitende Rieſe

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/248>, abgerufen am 11.05.2024.