Rhodopis antwortete lächelnd, daß sie die Perser nicht fürchte und, im Gegentheil, von einem Angriffe derselben die volle Einigung und den höchsten Aufschwung ihres Vaterlandes erwarte.
Als ihr Krösus hierauf die Zahl der persischen Kriegs- völker, sowie die Erfolge des Kyros gegen die jonischen Städte in Kleinasien vorhielt, nahm sie eine Briefrolle aus den Falten ihres Gewandes und sprach:
"Jch will nicht leugnen, daß uns die asiatische Macht schwer bedrohen kann; bitte Dich aber, folgende Zeilen mit anzuhören, die mir ein Mann, dessen Geist Du achtest, vor kurzer Zeit übersandte. Phanes, der Athener, von dem wir Alle seit drei Jahren keine Nachricht erhielten, hat diesen Brief geschrieben."
"Lese; ich bitte darum!" rief der Greis, welcher des hochbegabten Mannes oft und gern zu gedenken pflegte.
"Höre denn!" erwiederte Rhodopis und begann zu lesen:
"Phanes, der Athener, sendet seiner schönen, treff- lichen und weisen Freundin Rhodopis aus dem fernen Kroton Gruß und Heil. --
"Als ich Aegypten verließ, war es mir nicht gestattet, Dir und den anderen Freunden zu Naukratis Lebewohl zu sagen. Wund und krank an Leib und Seele, bedroht von den Henkern des Tyrannen und dem zehrenden Gifte des Wundfiebers, bestieg ich mit meinen Sklaven und Schätzen, gedankenlos, wie ein Trunkener, die segelfertige Triere des Oinophilos von Sybaris. Jch fragte ebenso- wenig, wohin das Schiff seinen Lauf richten werde, als ich mir Rechenschaft zu geben versuchte, was ich mit dem Rest meines mir widerwärtigen Lebens beginnen solle. Jn
Rhodopis antwortete lächelnd, daß ſie die Perſer nicht fürchte und, im Gegentheil, von einem Angriffe derſelben die volle Einigung und den höchſten Aufſchwung ihres Vaterlandes erwarte.
Als ihr Kröſus hierauf die Zahl der perſiſchen Kriegs- völker, ſowie die Erfolge des Kyros gegen die joniſchen Städte in Kleinaſien vorhielt, nahm ſie eine Briefrolle aus den Falten ihres Gewandes und ſprach:
„Jch will nicht leugnen, daß uns die aſiatiſche Macht ſchwer bedrohen kann; bitte Dich aber, folgende Zeilen mit anzuhören, die mir ein Mann, deſſen Geiſt Du achteſt, vor kurzer Zeit überſandte. Phanes, der Athener, von dem wir Alle ſeit drei Jahren keine Nachricht erhielten, hat dieſen Brief geſchrieben.“
„Leſe; ich bitte darum!“ rief der Greis, welcher des hochbegabten Mannes oft und gern zu gedenken pflegte.
„Höre denn!“ erwiederte Rhodopis und begann zu leſen:
„Phanes, der Athener, ſendet ſeiner ſchönen, treff- lichen und weiſen Freundin Rhodopis aus dem fernen Kroton Gruß und Heil. —
„Als ich Aegypten verließ, war es mir nicht geſtattet, Dir und den anderen Freunden zu Naukratis Lebewohl zu ſagen. Wund und krank an Leib und Seele, bedroht von den Henkern des Tyrannen und dem zehrenden Gifte des Wundfiebers, beſtieg ich mit meinen Sklaven und Schätzen, gedankenlos, wie ein Trunkener, die ſegelfertige Triere des Oinophilos von Sybaris. Jch fragte ebenſo- wenig, wohin das Schiff ſeinen Lauf richten werde, als ich mir Rechenſchaft zu geben verſuchte, was ich mit dem Reſt meines mir widerwärtigen Lebens beginnen ſolle. Jn
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Rhodopis antwortete lächelnd, daß ſie die Perſer nicht
fürchte und, im Gegentheil, von einem Angriffe derſelben
die volle Einigung und den höchſten Aufſchwung ihres
Vaterlandes erwarte.
Als ihr Kröſus hierauf die Zahl der perſiſchen Kriegs-
völker, ſowie die Erfolge des Kyros gegen die joniſchen
Städte in Kleinaſien vorhielt, nahm ſie eine Briefrolle
aus den Falten ihres Gewandes und ſprach:
„Jch will nicht leugnen, daß uns die aſiatiſche Macht
ſchwer bedrohen kann; bitte Dich aber, folgende Zeilen
mit anzuhören, die mir ein Mann, deſſen Geiſt Du achteſt,
vor kurzer Zeit überſandte. Phanes, der Athener, von
dem wir Alle ſeit drei Jahren keine Nachricht erhielten,
hat dieſen Brief geſchrieben.“
„Leſe; ich bitte darum!“ rief der Greis, welcher
des hochbegabten Mannes oft und gern zu gedenken
pflegte.
„Höre denn!“ erwiederte Rhodopis und begann zu
leſen:
„Phanes, der Athener, ſendet ſeiner ſchönen, treff-
lichen und weiſen Freundin Rhodopis aus dem fernen
Kroton Gruß und Heil. —
„Als ich Aegypten verließ, war es mir nicht geſtattet,
Dir und den anderen Freunden zu Naukratis Lebewohl
zu ſagen. Wund und krank an Leib und Seele, bedroht
von den Henkern des Tyrannen und dem zehrenden Gifte
des Wundfiebers, beſtieg ich mit meinen Sklaven und
Schätzen, gedankenlos, wie ein Trunkener, die ſegelfertige
Triere des Oinophilos von Sybaris. Jch fragte ebenſo-
wenig, wohin das Schiff ſeinen Lauf richten werde, als
ich mir Rechenſchaft zu geben verſuchte, was ich mit dem
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/246>, abgerufen am 17.07.2024.
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