Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.sein Leben wird wahrscheinlich, der Anmuth und Mäßigung Rhodopis schwieg einen Augenblick, um bald darauf Hier schwieg die lebhafte Greisin. Als ihr Blick den *) II. Theil Anmerk. 21.
ſein Leben wird wahrſcheinlich, der Anmuth und Mäßigung Rhodopis ſchwieg einen Augenblick, um bald darauf Hier ſchwieg die lebhafte Greiſin. Als ihr Blick den *) II. Theil Anmerk. 21.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0244" n="234"/> ſein Leben wird wahrſcheinlich, der Anmuth und Mäßigung<lb/> entbehrend, zu einem ungeſchlachten, gewaltthätigen Treiben<lb/> werden. Daher iſt die Muſik nicht allein für die Seele,<lb/> die Gymnaſtik nicht allein für den Körper da, ſondern<lb/> beide, innig verſchmolzen, müſſen den Körper kräftigen und<lb/> die Seele erheben und ſänftigen, dem ganzen Menſchen<lb/> aber männliche Anmuth und anmuthige Mannhaftigkeit<lb/> verleihen <hi rendition="#sup">159</hi>).“</p><lb/> <p>Rhodopis ſchwieg einen Augenblick, um bald darauf<lb/> fortzufahren: „Wem eine ſolche Erziehung nicht zu Theil<lb/> wird, und wer außerdem von Kindheit an ſeine Rohheit<lb/> ſtraflos auslaſſen darf, wie und an wem er will; wer<lb/> immerdar nichts als Schmeichelworte, niemals aber gerech-<lb/> ten Tadel zu hören bekommt; wer befehlen darf, eh’ er<lb/> zu gehorchen lernt; wer endlich mit dem Grundſatze, Glanz,<lb/> Macht und Reichthum wären die höchſten Güter, aufer-<lb/> zogen wird, der kann niemals jene volle, edle Männlichkeit<lb/> erwerben, welche wir für unſre Knaben von der Gottheit<lb/> erflehen. Und wenn ein ſolcher Unglücklicher mit heftiger<lb/> Gemüthsart und begehrlichen Sinnen geboren wurde, ſo<lb/> wird ſich ſeine Unbändigkeit ohne den beſänftigenden Ein-<lb/> fluß der Tonkunſt durch bloße Leibesübungen ſteigern, und<lb/> aus dem, vielleicht nicht ohne gute Anlagen zur Welt ge-<lb/> kommenen Kinde, durch die Schuld ſeiner Erziehung, ein<lb/> reißendes Thier, ein ſich ſelbſt vernichtender Schlemmer<lb/> und ein wahnſinniger Wütherich werden <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil Anmerk. 21.</note>.“</p><lb/> <p>Hier ſchwieg die lebhafte Greiſin. Als ihr Blick den<lb/> feuchten Augen der Königin begegnete, fühlte ſie, daß ſie<lb/> zu weit gegangen ſei und ein edles Mutterherz gekränkt<lb/> habe. Darum faßte ſie Kaſſandane’s Gewand, führte den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [234/0244]
ſein Leben wird wahrſcheinlich, der Anmuth und Mäßigung
entbehrend, zu einem ungeſchlachten, gewaltthätigen Treiben
werden. Daher iſt die Muſik nicht allein für die Seele,
die Gymnaſtik nicht allein für den Körper da, ſondern
beide, innig verſchmolzen, müſſen den Körper kräftigen und
die Seele erheben und ſänftigen, dem ganzen Menſchen
aber männliche Anmuth und anmuthige Mannhaftigkeit
verleihen 159).“
Rhodopis ſchwieg einen Augenblick, um bald darauf
fortzufahren: „Wem eine ſolche Erziehung nicht zu Theil
wird, und wer außerdem von Kindheit an ſeine Rohheit
ſtraflos auslaſſen darf, wie und an wem er will; wer
immerdar nichts als Schmeichelworte, niemals aber gerech-
ten Tadel zu hören bekommt; wer befehlen darf, eh’ er
zu gehorchen lernt; wer endlich mit dem Grundſatze, Glanz,
Macht und Reichthum wären die höchſten Güter, aufer-
zogen wird, der kann niemals jene volle, edle Männlichkeit
erwerben, welche wir für unſre Knaben von der Gottheit
erflehen. Und wenn ein ſolcher Unglücklicher mit heftiger
Gemüthsart und begehrlichen Sinnen geboren wurde, ſo
wird ſich ſeine Unbändigkeit ohne den beſänftigenden Ein-
fluß der Tonkunſt durch bloße Leibesübungen ſteigern, und
aus dem, vielleicht nicht ohne gute Anlagen zur Welt ge-
kommenen Kinde, durch die Schuld ſeiner Erziehung, ein
reißendes Thier, ein ſich ſelbſt vernichtender Schlemmer
und ein wahnſinniger Wütherich werden *).“
Hier ſchwieg die lebhafte Greiſin. Als ihr Blick den
feuchten Augen der Königin begegnete, fühlte ſie, daß ſie
zu weit gegangen ſei und ein edles Mutterherz gekränkt
habe. Darum faßte ſie Kaſſandane’s Gewand, führte den
*) II. Theil Anmerk. 21.
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