Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.Atossa's Freundschaft that dem wunden Herzen der So waren drei lange Jahre vergangen, in denen sie Jetzt hatte Krösus, der sie nach wie vor gleich einer *) Siehe I. Theil Anmerk. 17.
Atoſſa’s Freundſchaft that dem wunden Herzen der So waren drei lange Jahre vergangen, in denen ſie Jetzt hatte Kröſus, der ſie nach wie vor gleich einer *) Siehe I. Theil Anmerk. 17.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0239" n="229"/> <p>Atoſſa’s Freundſchaft that dem wunden Herzen der<lb/> jungen Wittwe wohl. Mit ihr konnte ſie, ſo oft und ſo<lb/> viel ſie wollte, von Bartja ſprechen und war immer einer<lb/> freundlichen, theilnahmsvollen Zuhörerin gewiß. Auch<lb/> Atoſſa hatte den verſchwundenen Bruder ſehr geliebt. Aber<lb/> ſelbſt ein Fremder würde den Erzählungen Sappho’s gerne<lb/> zugehört haben, — ſteigerte ſich doch ihre Rede nicht ſelten<lb/> zu hohem Schwunge, ſchien ſie doch, wenn ſie die Erinne-<lb/> rungen aus der Roſenzeit ihres Glücks in Worte kleidete,<lb/> zur gottbegabten Dichterin zu werden. Und wenn ſie gar<lb/> das Saitenſpiel in die Hand nahm und die heißen Sehn-<lb/> ſuchtslieder des lesbiſchen Schwanes <note place="foot" n="*)">Siehe <hi rendition="#aq">I.</hi> Theil Anmerk. 17.</note>, in denen ſie ihre<lb/> eigenſten Gefühle wiederfand, mit ihrer reinen, holdſelig<lb/> klagenden Stimme ſang, dann glaubte ſie mit dem Ge-<lb/> liebten in ſchweigender Nacht unter duftendem Akanthus<lb/> zu verweilen und vergaß, von Phantaſieen der Wirklichkeit<lb/> entführt, der trüben Gegenwart. Und jedesmal, wenn ſie<lb/> das Saitenſpiel aus der Hand legte, um ſich, tief auf-<lb/> athmend, dem Reiche der Träume zu entziehen, wiſchte ſich<lb/> Kaſſandane, obgleich ſie die griechiſche Sprache nicht ver-<lb/> ſtand, eine Thräne aus den Augen, beugte ſich Atoſſa zu<lb/> ihr nieder, um ihre Stirn’ zu küſſen.</p><lb/> <p>So waren drei lange Jahre vergangen, in denen ſie<lb/> ihre Großmutter nur ſelten geſehen hatte; durfte ſie doch,<lb/> auf Befehl des Königs, um Parmys’ willen das Haus<lb/> der Weiber niemals ohne Kaſſandane’s oder der Eunuchen<lb/> Begleitung und Erlaubniß verlaſſen.</p><lb/> <p>Jetzt hatte Kröſus, der ſie nach wie vor gleich einer<lb/> Tochter liebte, Rhodopis nach Sais beſchieden. Sappho<lb/> konnte nicht in die Ferne ziehen, ohne ihrer treuſten Freun-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [229/0239]
Atoſſa’s Freundſchaft that dem wunden Herzen der
jungen Wittwe wohl. Mit ihr konnte ſie, ſo oft und ſo
viel ſie wollte, von Bartja ſprechen und war immer einer
freundlichen, theilnahmsvollen Zuhörerin gewiß. Auch
Atoſſa hatte den verſchwundenen Bruder ſehr geliebt. Aber
ſelbſt ein Fremder würde den Erzählungen Sappho’s gerne
zugehört haben, — ſteigerte ſich doch ihre Rede nicht ſelten
zu hohem Schwunge, ſchien ſie doch, wenn ſie die Erinne-
rungen aus der Roſenzeit ihres Glücks in Worte kleidete,
zur gottbegabten Dichterin zu werden. Und wenn ſie gar
das Saitenſpiel in die Hand nahm und die heißen Sehn-
ſuchtslieder des lesbiſchen Schwanes *), in denen ſie ihre
eigenſten Gefühle wiederfand, mit ihrer reinen, holdſelig
klagenden Stimme ſang, dann glaubte ſie mit dem Ge-
liebten in ſchweigender Nacht unter duftendem Akanthus
zu verweilen und vergaß, von Phantaſieen der Wirklichkeit
entführt, der trüben Gegenwart. Und jedesmal, wenn ſie
das Saitenſpiel aus der Hand legte, um ſich, tief auf-
athmend, dem Reiche der Träume zu entziehen, wiſchte ſich
Kaſſandane, obgleich ſie die griechiſche Sprache nicht ver-
ſtand, eine Thräne aus den Augen, beugte ſich Atoſſa zu
ihr nieder, um ihre Stirn’ zu küſſen.
So waren drei lange Jahre vergangen, in denen ſie
ihre Großmutter nur ſelten geſehen hatte; durfte ſie doch,
auf Befehl des Königs, um Parmys’ willen das Haus
der Weiber niemals ohne Kaſſandane’s oder der Eunuchen
Begleitung und Erlaubniß verlaſſen.
Jetzt hatte Kröſus, der ſie nach wie vor gleich einer
Tochter liebte, Rhodopis nach Sais beſchieden. Sappho
konnte nicht in die Ferne ziehen, ohne ihrer treuſten Freun-
*) Siehe I. Theil Anmerk. 17.
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