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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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auf's Spiel gesetzt habe, erinnere sie an Bartja, der un-
gerochen, sie wolle nicht sagen, durch wen, getödtet wor-
den sei.

Diese Worte erregten den Zorn und die schlummern-
den Gewissensqualen des Rasenden so sehr, daß er die
allzukühne Frau mit Fäusten schlug, ja dieselbe vielleicht
getödtet haben würde, wenn ihm nicht seine Mutter in
den Arm gefallen wäre und sich selbst den Streichen des
Tobsüchtigen ausgesetzt hätte 157).

Das geheiligte Angesicht und die Stimme der Mutter
genügten, seiner Wuth Zügel anzulegen; der Blick der-
selben, welcher ihn voll getroffen hatte, war aber von so
hohem Zorn und so tiefer Verachtung erfüllt gewesen, daß
er ihn nicht vergessen konnte, und der neue Jrrwahn in
ihm erwachte, daß er von den Augen der Weiber vergiftet
werden würde. Sobald er von nun an eine Frau er-
blickte, schrack er zusammen und versteckte sich hinter seine
Begleiter, bis er endlich verordnete, daß man alle weib-
lichen Bewohner des memphitischen Schlosses, seine Mutter
nicht ausgenommen, nach Ekbatana bringen solle. Aras-
pes und Gyges erhielten den Auftrag, dieselben nach
Persien zu führen.



Der Reisezug der königlichen Frauen war zu Sais
angelangt und dort im Palaste der Pharaonen abgestiegen.
Krösus begleitete die Scheidenden bis zu dieser Stadt.

Kassandane hatte sich in den letzten Jahren sehr ver-
ändert. Tiefe, von Gram und Leid gefurchte Falten durch-
zogen ihr einstmals so schönes Angesicht, während der
Schmerz nicht vermocht hatte, ihre hohe Gestalt zu beugen.

Atossa, die Tochter der Greisin, war dagegen, trotz

auf’s Spiel geſetzt habe, erinnere ſie an Bartja, der un-
gerochen, ſie wolle nicht ſagen, durch wen, getödtet wor-
den ſei.

Dieſe Worte erregten den Zorn und die ſchlummern-
den Gewiſſensqualen des Raſenden ſo ſehr, daß er die
allzukühne Frau mit Fäuſten ſchlug, ja dieſelbe vielleicht
getödtet haben würde, wenn ihm nicht ſeine Mutter in
den Arm gefallen wäre und ſich ſelbſt den Streichen des
Tobſüchtigen ausgeſetzt hätte 157).

Das geheiligte Angeſicht und die Stimme der Mutter
genügten, ſeiner Wuth Zügel anzulegen; der Blick der-
ſelben, welcher ihn voll getroffen hatte, war aber von ſo
hohem Zorn und ſo tiefer Verachtung erfüllt geweſen, daß
er ihn nicht vergeſſen konnte, und der neue Jrrwahn in
ihm erwachte, daß er von den Augen der Weiber vergiftet
werden würde. Sobald er von nun an eine Frau er-
blickte, ſchrack er zuſammen und verſteckte ſich hinter ſeine
Begleiter, bis er endlich verordnete, daß man alle weib-
lichen Bewohner des memphitiſchen Schloſſes, ſeine Mutter
nicht ausgenommen, nach Ekbatana bringen ſolle. Aras-
pes und Gyges erhielten den Auftrag, dieſelben nach
Perſien zu führen.



Der Reiſezug der königlichen Frauen war zu Sais
angelangt und dort im Palaſte der Pharaonen abgeſtiegen.
Kröſus begleitete die Scheidenden bis zu dieſer Stadt.

Kaſſandane hatte ſich in den letzten Jahren ſehr ver-
ändert. Tiefe, von Gram und Leid gefurchte Falten durch-
zogen ihr einſtmals ſo ſchönes Angeſicht, während der
Schmerz nicht vermocht hatte, ihre hohe Geſtalt zu beugen.

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[226/0236] auf’s Spiel geſetzt habe, erinnere ſie an Bartja, der un- gerochen, ſie wolle nicht ſagen, durch wen, getödtet wor- den ſei. Dieſe Worte erregten den Zorn und die ſchlummern- den Gewiſſensqualen des Raſenden ſo ſehr, daß er die allzukühne Frau mit Fäuſten ſchlug, ja dieſelbe vielleicht getödtet haben würde, wenn ihm nicht ſeine Mutter in den Arm gefallen wäre und ſich ſelbſt den Streichen des Tobſüchtigen ausgeſetzt hätte 157). Das geheiligte Angeſicht und die Stimme der Mutter genügten, ſeiner Wuth Zügel anzulegen; der Blick der- ſelben, welcher ihn voll getroffen hatte, war aber von ſo hohem Zorn und ſo tiefer Verachtung erfüllt geweſen, daß er ihn nicht vergeſſen konnte, und der neue Jrrwahn in ihm erwachte, daß er von den Augen der Weiber vergiftet werden würde. Sobald er von nun an eine Frau er- blickte, ſchrack er zuſammen und verſteckte ſich hinter ſeine Begleiter, bis er endlich verordnete, daß man alle weib- lichen Bewohner des memphitiſchen Schloſſes, ſeine Mutter nicht ausgenommen, nach Ekbatana bringen ſolle. Aras- pes und Gyges erhielten den Auftrag, dieſelben nach Perſien zu führen. Der Reiſezug der königlichen Frauen war zu Sais angelangt und dort im Palaſte der Pharaonen abgeſtiegen. Kröſus begleitete die Scheidenden bis zu dieſer Stadt. Kaſſandane hatte ſich in den letzten Jahren ſehr ver- ändert. Tiefe, von Gram und Leid gefurchte Falten durch- zogen ihr einſtmals ſo ſchönes Angeſicht, während der Schmerz nicht vermocht hatte, ihre hohe Geſtalt zu beugen. Atoſſa, die Tochter der Greiſin, war dagegen, trotz

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/236>, abgerufen am 11.05.2024.