entgegen. Bezaubert von der lieblichen Erscheinung, warf er sich vor ihr nieder und faßte ihre Hand. Kaum hatte er dieselbe berührt, als sich an jeder ihrer zarten Finger- spitzen ein Blutstropfen zeigte, und sie ihm mit allen Zei- chen des Abscheu's den Rücken kehrte. Jetzt flehte Kam- byses die Erscheinung demüthig an, ihm zu vergeben und zu ihm zurückzukehren; sie aber blieb unerbittlich. Da ergrimmte er und drohte ihr erst mit seinem Zorn, dann mit furchtbaren Strafen, uud vermaß sich endlich, als Nitetis seine Worte mit leisem Hohngelächter beantwortete, seinen Dolch nach ihr zu werfen. Da zerstob sie in tausend Stücke, wie das wächserne Bildwerk an der Wand zer- sprungen war; -- das Hohngelächter tönte aber fort und wurde lauter und lauter, und viele Stimmen mischten sich in dasselbe und suchten sich einander in Spott und Hohn zu überbieten. Und Bartja's und Nitetis Stimmen klan- gen am erkennbarsten an sein Ohr und schienen ihn am bittersten zu höhnen, und endlich vermochte er diese furcht- baren Töne nicht länger zu ertragen und hielt sich die Ohren zu und vergrub, als auch dieß nichts helfen wollte, seinen Kopf in brennend heißen Wüstensand und dann in den eisig kalten Nil und wieder in die Glut und wieder in das frostige Naß, bis seine Sinne schwanden. Als er erwacht war, konnte er sich durchaus nicht in der Wirk- lichkeit zurecht finden. Er hatte sich Abends niedergelegt und sah jetzt an der Sonne, welche sein Lager mit ihren letzten Strahlen vergoldete, daß es nicht, wie er erwarten mußte, tage, sondern vielmehr dunkle. Er konnte sich nicht täuschen, denn jetzt vernahm er den singenden Priesterchor, der dem scheidenden Mithra die letzten Grüße zurief.
Nun hörte er auch, wie sich hinter einem Vorhange, den man zu Häupten seines Lagers angebracht hatte, viele
entgegen. Bezaubert von der lieblichen Erſcheinung, warf er ſich vor ihr nieder und faßte ihre Hand. Kaum hatte er dieſelbe berührt, als ſich an jeder ihrer zarten Finger- ſpitzen ein Blutstropfen zeigte, und ſie ihm mit allen Zei- chen des Abſcheu’s den Rücken kehrte. Jetzt flehte Kam- byſes die Erſcheinung demüthig an, ihm zu vergeben und zu ihm zurückzukehren; ſie aber blieb unerbittlich. Da ergrimmte er und drohte ihr erſt mit ſeinem Zorn, dann mit furchtbaren Strafen, uud vermaß ſich endlich, als Nitetis ſeine Worte mit leiſem Hohngelächter beantwortete, ſeinen Dolch nach ihr zu werfen. Da zerſtob ſie in tauſend Stücke, wie das wächſerne Bildwerk an der Wand zer- ſprungen war; — das Hohngelächter tönte aber fort und wurde lauter und lauter, und viele Stimmen miſchten ſich in daſſelbe und ſuchten ſich einander in Spott und Hohn zu überbieten. Und Bartja’s und Nitetis Stimmen klan- gen am erkennbarſten an ſein Ohr und ſchienen ihn am bitterſten zu höhnen, und endlich vermochte er dieſe furcht- baren Töne nicht länger zu ertragen und hielt ſich die Ohren zu und vergrub, als auch dieß nichts helfen wollte, ſeinen Kopf in brennend heißen Wüſtenſand und dann in den eiſig kalten Nil und wieder in die Glut und wieder in das froſtige Naß, bis ſeine Sinne ſchwanden. Als er erwacht war, konnte er ſich durchaus nicht in der Wirk- lichkeit zurecht finden. Er hatte ſich Abends niedergelegt und ſah jetzt an der Sonne, welche ſein Lager mit ihren letzten Strahlen vergoldete, daß es nicht, wie er erwarten mußte, tage, ſondern vielmehr dunkle. Er konnte ſich nicht täuſchen, denn jetzt vernahm er den ſingenden Prieſterchor, der dem ſcheidenden Mithra die letzten Grüße zurief.
Nun hörte er auch, wie ſich hinter einem Vorhange, den man zu Häupten ſeines Lagers angebracht hatte, viele
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entgegen. Bezaubert von der lieblichen Erſcheinung, warf
er ſich vor ihr nieder und faßte ihre Hand. Kaum hatte
er dieſelbe berührt, als ſich an jeder ihrer zarten Finger-
ſpitzen ein Blutstropfen zeigte, und ſie ihm mit allen Zei-
chen des Abſcheu’s den Rücken kehrte. Jetzt flehte Kam-
byſes die Erſcheinung demüthig an, ihm zu vergeben und
zu ihm zurückzukehren; ſie aber blieb unerbittlich. Da
ergrimmte er und drohte ihr erſt mit ſeinem Zorn, dann
mit furchtbaren Strafen, uud vermaß ſich endlich, als
Nitetis ſeine Worte mit leiſem Hohngelächter beantwortete,
ſeinen Dolch nach ihr zu werfen. Da zerſtob ſie in tauſend
Stücke, wie das wächſerne Bildwerk an der Wand zer-
ſprungen war; — das Hohngelächter tönte aber fort und
wurde lauter und lauter, und viele Stimmen miſchten ſich
in daſſelbe und ſuchten ſich einander in Spott und Hohn
zu überbieten. Und Bartja’s und Nitetis Stimmen klan-
gen am erkennbarſten an ſein Ohr und ſchienen ihn am
bitterſten zu höhnen, und endlich vermochte er dieſe furcht-
baren Töne nicht länger zu ertragen und hielt ſich die
Ohren zu und vergrub, als auch dieß nichts helfen wollte,
ſeinen Kopf in brennend heißen Wüſtenſand und dann in
den eiſig kalten Nil und wieder in die Glut und wieder
in das froſtige Naß, bis ſeine Sinne ſchwanden. Als
er erwacht war, konnte er ſich durchaus nicht in der Wirk-
lichkeit zurecht finden. Er hatte ſich Abends niedergelegt
und ſah jetzt an der Sonne, welche ſein Lager mit ihren
letzten Strahlen vergoldete, daß es nicht, wie er erwarten
mußte, tage, ſondern vielmehr dunkle. Er konnte ſich nicht
täuſchen, denn jetzt vernahm er den ſingenden Prieſterchor,
der dem ſcheidenden Mithra die letzten Grüße zurief.
Nun hörte er auch, wie ſich hinter einem Vorhange,
den man zu Häupten ſeines Lagers angebracht hatte, viele
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/228>, abgerufen am 31.01.2025.
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