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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Menschen regten. Er wollte sich umwenden, fühlte aber
bald, daß ihm dieß aus Kraftlosigkeit unmöglich sei. End-
lich rief er, nachdem er sich vergeblich bemüht hatte, den
Traum von der Wirklichkeit und die Wirklichkeit vom
Traume zu sondern, seinen Ankleidern und den andern
Höflingen, welche zugegen zu sein pflegten, wenn er sich
vom Lager erhob. Sofort traten nicht nur diese, sondern
auch seine Mutter, Prexaspes, mehrere gelehrte Magier
und einige ihm unbekannte Aegypter vor ihn hin und er-
zählten ihm, daß er Wochen lang von einem hitzigen Fie-
ber heimgesucht und nur durch die besondere Huld der
Götter, die Kunst der Aerzte und die unverdrossene Pflege
seiner Mutter vom Tode errettet worden wäre. Nun
blickte er erst Kassandane, dann Prexaspes fragend an
und verlor wiederum die Besinnung, um am andern Mor-
gen, nach einem gesunden Schlafe, mit neuen Kräften zu
erwachen.

Vier Tage später war er stark genug, in einem Lehn-
sessel sitzen und Prexaspes nach dem einzigen Gegen-
stande, der seinen Geist beschäftigte, fragen zu können.

Der Botschafter wollte im Hinblick auf die Schwäche
seines Gebieters ausweichend antworten; als dieser aber
seine abgemagerte Hand orohend emporhob und ihn mit
dem noch immer furchtbaren Blick seines Auges anschaute,
zögerte Prexaspes nicht länger und sagte, in der Meinung,
Kambyses eine hohe Genugthuung zu verschaffen: "Freue
Dich, mein Herrscher! Der Jüngling, welcher sich unter-
fing, Deinen Ruhm schmälern zu wollen, ist nicht mehr.
Diese Hand erschlug ihn und begrub seine Leiche bei Baal
Zephon. Niemand hat meine That gesehen, außer dem
Sande der Wüste und den unfruchtbaren Wogen des rothen
Meeres 145); Niemand weiß um dieselbe, außer Dir und

Menſchen regten. Er wollte ſich umwenden, fühlte aber
bald, daß ihm dieß aus Kraftloſigkeit unmöglich ſei. End-
lich rief er, nachdem er ſich vergeblich bemüht hatte, den
Traum von der Wirklichkeit und die Wirklichkeit vom
Traume zu ſondern, ſeinen Ankleidern und den andern
Höflingen, welche zugegen zu ſein pflegten, wenn er ſich
vom Lager erhob. Sofort traten nicht nur dieſe, ſondern
auch ſeine Mutter, Prexaspes, mehrere gelehrte Magier
und einige ihm unbekannte Aegypter vor ihn hin und er-
zählten ihm, daß er Wochen lang von einem hitzigen Fie-
ber heimgeſucht und nur durch die beſondere Huld der
Götter, die Kunſt der Aerzte und die unverdroſſene Pflege
ſeiner Mutter vom Tode errettet worden wäre. Nun
blickte er erſt Kaſſandane, dann Prexaspes fragend an
und verlor wiederum die Beſinnung, um am andern Mor-
gen, nach einem geſunden Schlafe, mit neuen Kräften zu
erwachen.

Vier Tage ſpäter war er ſtark genug, in einem Lehn-
ſeſſel ſitzen und Prexaspes nach dem einzigen Gegen-
ſtande, der ſeinen Geiſt beſchäftigte, fragen zu können.

Der Botſchafter wollte im Hinblick auf die Schwäche
ſeines Gebieters ausweichend antworten; als dieſer aber
ſeine abgemagerte Hand orohend emporhob und ihn mit
dem noch immer furchtbaren Blick ſeines Auges anſchaute,
zögerte Prexaspes nicht länger und ſagte, in der Meinung,
Kambyſes eine hohe Genugthuung zu verſchaffen: „Freue
Dich, mein Herrſcher! Der Jüngling, welcher ſich unter-
fing, Deinen Ruhm ſchmälern zu wollen, iſt nicht mehr.
Dieſe Hand erſchlug ihn und begrub ſeine Leiche bei Baal
Zephon. Niemand hat meine That geſehen, außer dem
Sande der Wüſte und den unfruchtbaren Wogen des rothen
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[219/0229] Menſchen regten. Er wollte ſich umwenden, fühlte aber bald, daß ihm dieß aus Kraftloſigkeit unmöglich ſei. End- lich rief er, nachdem er ſich vergeblich bemüht hatte, den Traum von der Wirklichkeit und die Wirklichkeit vom Traume zu ſondern, ſeinen Ankleidern und den andern Höflingen, welche zugegen zu ſein pflegten, wenn er ſich vom Lager erhob. Sofort traten nicht nur dieſe, ſondern auch ſeine Mutter, Prexaspes, mehrere gelehrte Magier und einige ihm unbekannte Aegypter vor ihn hin und er- zählten ihm, daß er Wochen lang von einem hitzigen Fie- ber heimgeſucht und nur durch die beſondere Huld der Götter, die Kunſt der Aerzte und die unverdroſſene Pflege ſeiner Mutter vom Tode errettet worden wäre. Nun blickte er erſt Kaſſandane, dann Prexaspes fragend an und verlor wiederum die Beſinnung, um am andern Mor- gen, nach einem geſunden Schlafe, mit neuen Kräften zu erwachen. Vier Tage ſpäter war er ſtark genug, in einem Lehn- ſeſſel ſitzen und Prexaspes nach dem einzigen Gegen- ſtande, der ſeinen Geiſt beſchäftigte, fragen zu können. Der Botſchafter wollte im Hinblick auf die Schwäche ſeines Gebieters ausweichend antworten; als dieſer aber ſeine abgemagerte Hand orohend emporhob und ihn mit dem noch immer furchtbaren Blick ſeines Auges anſchaute, zögerte Prexaspes nicht länger und ſagte, in der Meinung, Kambyſes eine hohe Genugthuung zu verſchaffen: „Freue Dich, mein Herrſcher! Der Jüngling, welcher ſich unter- fing, Deinen Ruhm ſchmälern zu wollen, iſt nicht mehr. Dieſe Hand erſchlug ihn und begrub ſeine Leiche bei Baal Zephon. Niemand hat meine That geſehen, außer dem Sande der Wüſte und den unfruchtbaren Wogen des rothen Meeres 145); Niemand weiß um dieſelbe, außer Dir und

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/229>, abgerufen am 11.05.2024.