Menschen regten. Er wollte sich umwenden, fühlte aber bald, daß ihm dieß aus Kraftlosigkeit unmöglich sei. End- lich rief er, nachdem er sich vergeblich bemüht hatte, den Traum von der Wirklichkeit und die Wirklichkeit vom Traume zu sondern, seinen Ankleidern und den andern Höflingen, welche zugegen zu sein pflegten, wenn er sich vom Lager erhob. Sofort traten nicht nur diese, sondern auch seine Mutter, Prexaspes, mehrere gelehrte Magier und einige ihm unbekannte Aegypter vor ihn hin und er- zählten ihm, daß er Wochen lang von einem hitzigen Fie- ber heimgesucht und nur durch die besondere Huld der Götter, die Kunst der Aerzte und die unverdrossene Pflege seiner Mutter vom Tode errettet worden wäre. Nun blickte er erst Kassandane, dann Prexaspes fragend an und verlor wiederum die Besinnung, um am andern Mor- gen, nach einem gesunden Schlafe, mit neuen Kräften zu erwachen.
Vier Tage später war er stark genug, in einem Lehn- sessel sitzen und Prexaspes nach dem einzigen Gegen- stande, der seinen Geist beschäftigte, fragen zu können.
Der Botschafter wollte im Hinblick auf die Schwäche seines Gebieters ausweichend antworten; als dieser aber seine abgemagerte Hand orohend emporhob und ihn mit dem noch immer furchtbaren Blick seines Auges anschaute, zögerte Prexaspes nicht länger und sagte, in der Meinung, Kambyses eine hohe Genugthuung zu verschaffen: "Freue Dich, mein Herrscher! Der Jüngling, welcher sich unter- fing, Deinen Ruhm schmälern zu wollen, ist nicht mehr. Diese Hand erschlug ihn und begrub seine Leiche bei Baal Zephon. Niemand hat meine That gesehen, außer dem Sande der Wüste und den unfruchtbaren Wogen des rothen Meeres 145); Niemand weiß um dieselbe, außer Dir und
Menſchen regten. Er wollte ſich umwenden, fühlte aber bald, daß ihm dieß aus Kraftloſigkeit unmöglich ſei. End- lich rief er, nachdem er ſich vergeblich bemüht hatte, den Traum von der Wirklichkeit und die Wirklichkeit vom Traume zu ſondern, ſeinen Ankleidern und den andern Höflingen, welche zugegen zu ſein pflegten, wenn er ſich vom Lager erhob. Sofort traten nicht nur dieſe, ſondern auch ſeine Mutter, Prexaspes, mehrere gelehrte Magier und einige ihm unbekannte Aegypter vor ihn hin und er- zählten ihm, daß er Wochen lang von einem hitzigen Fie- ber heimgeſucht und nur durch die beſondere Huld der Götter, die Kunſt der Aerzte und die unverdroſſene Pflege ſeiner Mutter vom Tode errettet worden wäre. Nun blickte er erſt Kaſſandane, dann Prexaspes fragend an und verlor wiederum die Beſinnung, um am andern Mor- gen, nach einem geſunden Schlafe, mit neuen Kräften zu erwachen.
Vier Tage ſpäter war er ſtark genug, in einem Lehn- ſeſſel ſitzen und Prexaspes nach dem einzigen Gegen- ſtande, der ſeinen Geiſt beſchäftigte, fragen zu können.
Der Botſchafter wollte im Hinblick auf die Schwäche ſeines Gebieters ausweichend antworten; als dieſer aber ſeine abgemagerte Hand orohend emporhob und ihn mit dem noch immer furchtbaren Blick ſeines Auges anſchaute, zögerte Prexaspes nicht länger und ſagte, in der Meinung, Kambyſes eine hohe Genugthuung zu verſchaffen: „Freue Dich, mein Herrſcher! Der Jüngling, welcher ſich unter- fing, Deinen Ruhm ſchmälern zu wollen, iſt nicht mehr. Dieſe Hand erſchlug ihn und begrub ſeine Leiche bei Baal Zephon. Niemand hat meine That geſehen, außer dem Sande der Wüſte und den unfruchtbaren Wogen des rothen Meeres 145); Niemand weiß um dieſelbe, außer Dir und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0229"n="219"/>
Menſchen regten. Er wollte ſich umwenden, fühlte aber<lb/>
bald, daß ihm dieß aus Kraftloſigkeit unmöglich ſei. End-<lb/>
lich rief er, nachdem er ſich vergeblich bemüht hatte, den<lb/>
Traum von der Wirklichkeit und die Wirklichkeit vom<lb/>
Traume zu ſondern, ſeinen Ankleidern und den andern<lb/>
Höflingen, welche zugegen zu ſein pflegten, wenn er ſich<lb/>
vom Lager erhob. Sofort traten nicht nur dieſe, ſondern<lb/>
auch ſeine Mutter, Prexaspes, mehrere gelehrte Magier<lb/>
und einige ihm unbekannte Aegypter vor ihn hin und er-<lb/>
zählten ihm, daß er Wochen lang von einem hitzigen Fie-<lb/>
ber heimgeſucht und nur durch die beſondere Huld der<lb/>
Götter, die Kunſt der Aerzte und die unverdroſſene Pflege<lb/>ſeiner Mutter vom Tode errettet worden wäre. Nun<lb/>
blickte er erſt Kaſſandane, dann Prexaspes fragend an<lb/>
und verlor wiederum die Beſinnung, um am andern Mor-<lb/>
gen, nach einem geſunden Schlafe, mit neuen Kräften zu<lb/>
erwachen.</p><lb/><p>Vier Tage ſpäter war er ſtark genug, in einem Lehn-<lb/>ſeſſel ſitzen und Prexaspes nach dem einzigen Gegen-<lb/>ſtande, der ſeinen Geiſt beſchäftigte, fragen zu können.</p><lb/><p>Der Botſchafter wollte im Hinblick auf die Schwäche<lb/>ſeines Gebieters ausweichend antworten; als dieſer aber<lb/>ſeine abgemagerte Hand orohend emporhob und ihn mit<lb/>
dem noch immer furchtbaren Blick ſeines Auges anſchaute,<lb/>
zögerte Prexaspes nicht länger und ſagte, in der Meinung,<lb/>
Kambyſes eine hohe Genugthuung zu verſchaffen: „Freue<lb/>
Dich, mein Herrſcher! Der Jüngling, welcher ſich unter-<lb/>
fing, Deinen Ruhm ſchmälern zu wollen, iſt nicht mehr.<lb/>
Dieſe Hand erſchlug ihn und begrub ſeine Leiche bei Baal<lb/>
Zephon. Niemand hat meine That geſehen, außer dem<lb/>
Sande der Wüſte und den unfruchtbaren Wogen des rothen<lb/>
Meeres <hirendition="#sup">145</hi>); Niemand weiß um dieſelbe, außer Dir und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[219/0229]
Menſchen regten. Er wollte ſich umwenden, fühlte aber
bald, daß ihm dieß aus Kraftloſigkeit unmöglich ſei. End-
lich rief er, nachdem er ſich vergeblich bemüht hatte, den
Traum von der Wirklichkeit und die Wirklichkeit vom
Traume zu ſondern, ſeinen Ankleidern und den andern
Höflingen, welche zugegen zu ſein pflegten, wenn er ſich
vom Lager erhob. Sofort traten nicht nur dieſe, ſondern
auch ſeine Mutter, Prexaspes, mehrere gelehrte Magier
und einige ihm unbekannte Aegypter vor ihn hin und er-
zählten ihm, daß er Wochen lang von einem hitzigen Fie-
ber heimgeſucht und nur durch die beſondere Huld der
Götter, die Kunſt der Aerzte und die unverdroſſene Pflege
ſeiner Mutter vom Tode errettet worden wäre. Nun
blickte er erſt Kaſſandane, dann Prexaspes fragend an
und verlor wiederum die Beſinnung, um am andern Mor-
gen, nach einem geſunden Schlafe, mit neuen Kräften zu
erwachen.
Vier Tage ſpäter war er ſtark genug, in einem Lehn-
ſeſſel ſitzen und Prexaspes nach dem einzigen Gegen-
ſtande, der ſeinen Geiſt beſchäftigte, fragen zu können.
Der Botſchafter wollte im Hinblick auf die Schwäche
ſeines Gebieters ausweichend antworten; als dieſer aber
ſeine abgemagerte Hand orohend emporhob und ihn mit
dem noch immer furchtbaren Blick ſeines Auges anſchaute,
zögerte Prexaspes nicht länger und ſagte, in der Meinung,
Kambyſes eine hohe Genugthuung zu verſchaffen: „Freue
Dich, mein Herrſcher! Der Jüngling, welcher ſich unter-
fing, Deinen Ruhm ſchmälern zu wollen, iſt nicht mehr.
Dieſe Hand erſchlug ihn und begrub ſeine Leiche bei Baal
Zephon. Niemand hat meine That geſehen, außer dem
Sande der Wüſte und den unfruchtbaren Wogen des rothen
Meeres 145); Niemand weiß um dieſelbe, außer Dir und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/229>, abgerufen am 11.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.