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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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rechtigkeit genannt werden würde. Der Gedanke, ein
Meuchelmörder zu sein, schien ihm fast unerträglich. Ohne
Gewissensbisse hatte er schon so manchem Manne den Tod
gegeben; aber entweder im ehrlichen Kampfe, oder im An-
gesicht aller Welt. Er war ja König und, was er that,
war gut. Wenn er Bartja mit eigner Hand erschlagen
hätte, so würde er mit seinem Gewissen fertig geworden
sein; nun er ihn aber heimlich aus dem Wege zu räumen,
ihn, nachdem er viele des höchsten Ruhmes würdige Pro-
ben männlicher Trefflichkeit abgelegt, zu meucheln befohlen
hatte, überkam ihn eine folternde, seinem Herzen bis da-
hin durchaus fremde, mit Jngrimm gegen seine eigne Ruch-
losigkeit gepaarte Scham und Reue. Er begann sich selbst
zu verachten. Das Bewußtsein, nur Gerechtes gewollt
und gethan zu haben, verließ ihn, und er meinte jetzt,
daß all' die auf sein Geheiß getödteten Menschen, wie Bartja,
unschuldige Opfer seiner Wuth gewesen wären. Um diese
Gedanken, welche immer unerträglicher wurden, zu betäuben,
griff er von Neuem nach dem berauschenden Saft der Rebe.
Dießmal verwandelte sich aber der Sorgenbrecher in einen
Qualenbringer für Leib und Seele. Sein vom Trunk
und der fallenden Sucht zerrütteter Körper schien jetzt den
mannigfaltigen grausamen Erregungen der letzten Monde
erliegen zu wollen. Endlich fühlte er sich, bald frierend,
bald glühend, gezwungen, sein Lager aufzusuchen. --
Während man ihn auskleidete, fiel ihm das Geschenk seines
Bruders ein. Augenblicklich ließ er die Kiste holen und
eröffnen, befahl den Auskleidern, ihn allein zu lassen, und
konnte sich nicht enthalten, beim Anblicke der ägyptischen
Malerei, welche den Kasten bedeckte, an Nitetis zu denken
und sich zu fragen, was wohl die Verstorbene über seine
jüngst vollbrachte That gesagt haben würde. Fiebernd

rechtigkeit genannt werden würde. Der Gedanke, ein
Meuchelmörder zu ſein, ſchien ihm faſt unerträglich. Ohne
Gewiſſensbiſſe hatte er ſchon ſo manchem Manne den Tod
gegeben; aber entweder im ehrlichen Kampfe, oder im An-
geſicht aller Welt. Er war ja König und, was er that,
war gut. Wenn er Bartja mit eigner Hand erſchlagen
hätte, ſo würde er mit ſeinem Gewiſſen fertig geworden
ſein; nun er ihn aber heimlich aus dem Wege zu räumen,
ihn, nachdem er viele des höchſten Ruhmes würdige Pro-
ben männlicher Trefflichkeit abgelegt, zu meucheln befohlen
hatte, überkam ihn eine folternde, ſeinem Herzen bis da-
hin durchaus fremde, mit Jngrimm gegen ſeine eigne Ruch-
loſigkeit gepaarte Scham und Reue. Er begann ſich ſelbſt
zu verachten. Das Bewußtſein, nur Gerechtes gewollt
und gethan zu haben, verließ ihn, und er meinte jetzt,
daß all’ die auf ſein Geheiß getödteten Menſchen, wie Bartja,
unſchuldige Opfer ſeiner Wuth geweſen wären. Um dieſe
Gedanken, welche immer unerträglicher wurden, zu betäuben,
griff er von Neuem nach dem berauſchenden Saft der Rebe.
Dießmal verwandelte ſich aber der Sorgenbrecher in einen
Qualenbringer für Leib und Seele. Sein vom Trunk
und der fallenden Sucht zerrütteter Körper ſchien jetzt den
mannigfaltigen grauſamen Erregungen der letzten Monde
erliegen zu wollen. Endlich fühlte er ſich, bald frierend,
bald glühend, gezwungen, ſein Lager aufzuſuchen. —
Während man ihn auskleidete, fiel ihm das Geſchenk ſeines
Bruders ein. Augenblicklich ließ er die Kiſte holen und
eröffnen, befahl den Auskleidern, ihn allein zu laſſen, und
konnte ſich nicht enthalten, beim Anblicke der ägyptiſchen
Malerei, welche den Kaſten bedeckte, an Nitetis zu denken
und ſich zu fragen, was wohl die Verſtorbene über ſeine
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[216/0226] rechtigkeit genannt werden würde. Der Gedanke, ein Meuchelmörder zu ſein, ſchien ihm faſt unerträglich. Ohne Gewiſſensbiſſe hatte er ſchon ſo manchem Manne den Tod gegeben; aber entweder im ehrlichen Kampfe, oder im An- geſicht aller Welt. Er war ja König und, was er that, war gut. Wenn er Bartja mit eigner Hand erſchlagen hätte, ſo würde er mit ſeinem Gewiſſen fertig geworden ſein; nun er ihn aber heimlich aus dem Wege zu räumen, ihn, nachdem er viele des höchſten Ruhmes würdige Pro- ben männlicher Trefflichkeit abgelegt, zu meucheln befohlen hatte, überkam ihn eine folternde, ſeinem Herzen bis da- hin durchaus fremde, mit Jngrimm gegen ſeine eigne Ruch- loſigkeit gepaarte Scham und Reue. Er begann ſich ſelbſt zu verachten. Das Bewußtſein, nur Gerechtes gewollt und gethan zu haben, verließ ihn, und er meinte jetzt, daß all’ die auf ſein Geheiß getödteten Menſchen, wie Bartja, unſchuldige Opfer ſeiner Wuth geweſen wären. Um dieſe Gedanken, welche immer unerträglicher wurden, zu betäuben, griff er von Neuem nach dem berauſchenden Saft der Rebe. Dießmal verwandelte ſich aber der Sorgenbrecher in einen Qualenbringer für Leib und Seele. Sein vom Trunk und der fallenden Sucht zerrütteter Körper ſchien jetzt den mannigfaltigen grauſamen Erregungen der letzten Monde erliegen zu wollen. Endlich fühlte er ſich, bald frierend, bald glühend, gezwungen, ſein Lager aufzuſuchen. — Während man ihn auskleidete, fiel ihm das Geſchenk ſeines Bruders ein. Augenblicklich ließ er die Kiſte holen und eröffnen, befahl den Auskleidern, ihn allein zu laſſen, und konnte ſich nicht enthalten, beim Anblicke der ägyptiſchen Malerei, welche den Kaſten bedeckte, an Nitetis zu denken und ſich zu fragen, was wohl die Verſtorbene über ſeine jüngſt vollbrachte That geſagt haben würde. Fiebernd

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/226>, abgerufen am 12.05.2024.