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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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und sah das holde Weib seines Bruders mit schmerzlich
bewegten Blicken an. Die junge Griechin fühlte, daß in
dem Könige etwas Befremdliches vorgehen müsse und
konnte, von schrecklichen Ahnungen geängstigt, ihm nur mit
zitternden Händen das Geschenk, welches sie mitgebracht
hatte, überreichen.

"Mein Gatte sendet Dir Dieß!" sagte sie, indem sie
auf das in einer kunstreich gearbeiteten Kiste verborgene
Wachsbild der Nitetis deutete. -- Rhodopis hatte ihr ge-
rathen, gerade dieß Geschenk, gleichsam als Gabe der Ver-
söhnung, in Bartja's Namen, dem Zürnenden darzu-
bringen.

Kambyses übergab die Kiste, deren Jnhalt seine Neu-
gier nur wenig zu erregen schien, einem Eunuchen, rief
seiner Schwägerin einige Worte zu, die wie Dank klingen
sollten, und verließ gleich darauf das Haus der Weiber,
ohne sich nach Atossa, die er ganz vergessen zu haben schien,
zu erkundigen.

Er war der Meinung gewesen, dieser Besuch würde
ihm wohlthun und ihn beruhigen, Sappho's Mittheilung
hatte ihm aber die letzte Hoffnung, und somit auch den
letzten Theil seiner Ruhe, geraubt. Prexaspes mußte den
Mord schon begangen haben, oder konnte doch in jedem
Augenblicke, vielleicht gerade jetzt, den Dolch erheben, um
ihn in die Brust des Jünglings zu stoßen. Wie sollte er
nach Bartja's Tode seiner Mutter gegenüber treten? Was
sollte er ihr und den Fragen jenes holden Weibes, welches
ihn so ängstlich und rührend mit den großen Augen an-
geblickt hatte, erwiedern?

Kalte Schauer überfielen ihn, als ihm eine innere
Stimme zurief, daß der Mord seines Bruders eine Hand-
lung der Feigheit, der Furcht, der Unnatur und Unge-

und ſah das holde Weib ſeines Bruders mit ſchmerzlich
bewegten Blicken an. Die junge Griechin fühlte, daß in
dem Könige etwas Befremdliches vorgehen müſſe und
konnte, von ſchrecklichen Ahnungen geängſtigt, ihm nur mit
zitternden Händen das Geſchenk, welches ſie mitgebracht
hatte, überreichen.

„Mein Gatte ſendet Dir Dieß!“ ſagte ſie, indem ſie
auf das in einer kunſtreich gearbeiteten Kiſte verborgene
Wachsbild der Nitetis deutete. — Rhodopis hatte ihr ge-
rathen, gerade dieß Geſchenk, gleichſam als Gabe der Ver-
ſöhnung, in Bartja’s Namen, dem Zürnenden darzu-
bringen.

Kambyſes übergab die Kiſte, deren Jnhalt ſeine Neu-
gier nur wenig zu erregen ſchien, einem Eunuchen, rief
ſeiner Schwägerin einige Worte zu, die wie Dank klingen
ſollten, und verließ gleich darauf das Haus der Weiber,
ohne ſich nach Atoſſa, die er ganz vergeſſen zu haben ſchien,
zu erkundigen.

Er war der Meinung geweſen, dieſer Beſuch würde
ihm wohlthun und ihn beruhigen, Sappho’s Mittheilung
hatte ihm aber die letzte Hoffnung, und ſomit auch den
letzten Theil ſeiner Ruhe, geraubt. Prexaspes mußte den
Mord ſchon begangen haben, oder konnte doch in jedem
Augenblicke, vielleicht gerade jetzt, den Dolch erheben, um
ihn in die Bruſt des Jünglings zu ſtoßen. Wie ſollte er
nach Bartja’s Tode ſeiner Mutter gegenüber treten? Was
ſollte er ihr und den Fragen jenes holden Weibes, welches
ihn ſo ängſtlich und rührend mit den großen Augen an-
geblickt hatte, erwiedern?

Kalte Schauer überfielen ihn, als ihm eine innere
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lung der Feigheit, der Furcht, der Unnatur und Unge-

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[215/0225] und ſah das holde Weib ſeines Bruders mit ſchmerzlich bewegten Blicken an. Die junge Griechin fühlte, daß in dem Könige etwas Befremdliches vorgehen müſſe und konnte, von ſchrecklichen Ahnungen geängſtigt, ihm nur mit zitternden Händen das Geſchenk, welches ſie mitgebracht hatte, überreichen. „Mein Gatte ſendet Dir Dieß!“ ſagte ſie, indem ſie auf das in einer kunſtreich gearbeiteten Kiſte verborgene Wachsbild der Nitetis deutete. — Rhodopis hatte ihr ge- rathen, gerade dieß Geſchenk, gleichſam als Gabe der Ver- ſöhnung, in Bartja’s Namen, dem Zürnenden darzu- bringen. Kambyſes übergab die Kiſte, deren Jnhalt ſeine Neu- gier nur wenig zu erregen ſchien, einem Eunuchen, rief ſeiner Schwägerin einige Worte zu, die wie Dank klingen ſollten, und verließ gleich darauf das Haus der Weiber, ohne ſich nach Atoſſa, die er ganz vergeſſen zu haben ſchien, zu erkundigen. Er war der Meinung geweſen, dieſer Beſuch würde ihm wohlthun und ihn beruhigen, Sappho’s Mittheilung hatte ihm aber die letzte Hoffnung, und ſomit auch den letzten Theil ſeiner Ruhe, geraubt. Prexaspes mußte den Mord ſchon begangen haben, oder konnte doch in jedem Augenblicke, vielleicht gerade jetzt, den Dolch erheben, um ihn in die Bruſt des Jünglings zu ſtoßen. Wie ſollte er nach Bartja’s Tode ſeiner Mutter gegenüber treten? Was ſollte er ihr und den Fragen jenes holden Weibes, welches ihn ſo ängſtlich und rührend mit den großen Augen an- geblickt hatte, erwiedern? Kalte Schauer überfielen ihn, als ihm eine innere Stimme zurief, daß der Mord ſeines Bruders eine Hand- lung der Feigheit, der Furcht, der Unnatur und Unge-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/225>, abgerufen am 11.05.2024.