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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Neuntes Kapitel.


Am Morgen des Tages, welcher der Bogenprobe
folgte, war Kambyses von einem so heftigen Zufall seiner
Krankheit befallen worden, daß er achtundvierzig Stun-
den lang, krank an Geist und Körper, das Zimmer hüten
mußte und bald vollkommen entkräftet niedersank, bald wie
ein Rasender tobte.

Als er am dritten Tage sein klares Bewußtsein wieder
erlangte, gedachte er sofort jenes schrecklichen Auftrages,
den Prexaspes jetzt schon ausgeführt haben konnte. Er
zitterte vor dieser Möglichkeit, wie er nie vorher gezittert
hatte, ließ zuerst den ältesten Sohn des Botschafters, der
die Ehrenstelle seines Schenken bekleidete, kommen, und er-
fuhr von demselben, daß sein Vater, ohne Abschied zu
nehmen, Memphis verlassen habe. Dann berief er Darius,
Zopyros und Gyges, von denen er wußte, daß sie Bartja
am innigsten liebten, und fragte dieselben, wie sich ihr
Freund befinde. Nachdem er vernommen hatte, daß sich
derselbe zu Sais aufhalte, sandte er die Jünglinge sogleich
dorthin und trug ihnen auf, Prexaspes, wenn sie dem-
selben begegnen sollten, ungesäumt nach Memphis zurück-
zuschicken. Die jungen Achämeniden konnten sich das son-

Neuntes Kapitel.


Am Morgen des Tages, welcher der Bogenprobe
folgte, war Kambyſes von einem ſo heftigen Zufall ſeiner
Krankheit befallen worden, daß er achtundvierzig Stun-
den lang, krank an Geiſt und Körper, das Zimmer hüten
mußte und bald vollkommen entkräftet niederſank, bald wie
ein Raſender tobte.

Als er am dritten Tage ſein klares Bewußtſein wieder
erlangte, gedachte er ſofort jenes ſchrecklichen Auftrages,
den Prexaspes jetzt ſchon ausgeführt haben konnte. Er
zitterte vor dieſer Möglichkeit, wie er nie vorher gezittert
hatte, ließ zuerſt den älteſten Sohn des Botſchafters, der
die Ehrenſtelle ſeines Schenken bekleidete, kommen, und er-
fuhr von demſelben, daß ſein Vater, ohne Abſchied zu
nehmen, Memphis verlaſſen habe. Dann berief er Darius,
Zopyros und Gyges, von denen er wußte, daß ſie Bartja
am innigſten liebten, und fragte dieſelben, wie ſich ihr
Freund befinde. Nachdem er vernommen hatte, daß ſich
derſelbe zu Sais aufhalte, ſandte er die Jünglinge ſogleich
dorthin und trug ihnen auf, Prexaspes, wenn ſie dem-
ſelben begegnen ſollten, ungeſäumt nach Memphis zurück-
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[[213]/0223] Neuntes Kapitel. Am Morgen des Tages, welcher der Bogenprobe folgte, war Kambyſes von einem ſo heftigen Zufall ſeiner Krankheit befallen worden, daß er achtundvierzig Stun- den lang, krank an Geiſt und Körper, das Zimmer hüten mußte und bald vollkommen entkräftet niederſank, bald wie ein Raſender tobte. Als er am dritten Tage ſein klares Bewußtſein wieder erlangte, gedachte er ſofort jenes ſchrecklichen Auftrages, den Prexaspes jetzt ſchon ausgeführt haben konnte. Er zitterte vor dieſer Möglichkeit, wie er nie vorher gezittert hatte, ließ zuerſt den älteſten Sohn des Botſchafters, der die Ehrenſtelle ſeines Schenken bekleidete, kommen, und er- fuhr von demſelben, daß ſein Vater, ohne Abſchied zu nehmen, Memphis verlaſſen habe. Dann berief er Darius, Zopyros und Gyges, von denen er wußte, daß ſie Bartja am innigſten liebten, und fragte dieſelben, wie ſich ihr Freund befinde. Nachdem er vernommen hatte, daß ſich derſelbe zu Sais aufhalte, ſandte er die Jünglinge ſogleich dorthin und trug ihnen auf, Prexaspes, wenn ſie dem- ſelben begegnen ſollten, ungeſäumt nach Memphis zurück- zuſchicken. Die jungen Achämeniden konnten ſich das ſon-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. [213]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/223>, abgerufen am 11.05.2024.