Am Morgen des Tages, welcher der Bogenprobe folgte, war Kambyses von einem so heftigen Zufall seiner Krankheit befallen worden, daß er achtundvierzig Stun- den lang, krank an Geist und Körper, das Zimmer hüten mußte und bald vollkommen entkräftet niedersank, bald wie ein Rasender tobte.
Als er am dritten Tage sein klares Bewußtsein wieder erlangte, gedachte er sofort jenes schrecklichen Auftrages, den Prexaspes jetzt schon ausgeführt haben konnte. Er zitterte vor dieser Möglichkeit, wie er nie vorher gezittert hatte, ließ zuerst den ältesten Sohn des Botschafters, der die Ehrenstelle seines Schenken bekleidete, kommen, und er- fuhr von demselben, daß sein Vater, ohne Abschied zu nehmen, Memphis verlassen habe. Dann berief er Darius, Zopyros und Gyges, von denen er wußte, daß sie Bartja am innigsten liebten, und fragte dieselben, wie sich ihr Freund befinde. Nachdem er vernommen hatte, daß sich derselbe zu Sais aufhalte, sandte er die Jünglinge sogleich dorthin und trug ihnen auf, Prexaspes, wenn sie dem- selben begegnen sollten, ungesäumt nach Memphis zurück- zuschicken. Die jungen Achämeniden konnten sich das son-
Neuntes Kapitel.
Am Morgen des Tages, welcher der Bogenprobe folgte, war Kambyſes von einem ſo heftigen Zufall ſeiner Krankheit befallen worden, daß er achtundvierzig Stun- den lang, krank an Geiſt und Körper, das Zimmer hüten mußte und bald vollkommen entkräftet niederſank, bald wie ein Raſender tobte.
Als er am dritten Tage ſein klares Bewußtſein wieder erlangte, gedachte er ſofort jenes ſchrecklichen Auftrages, den Prexaspes jetzt ſchon ausgeführt haben konnte. Er zitterte vor dieſer Möglichkeit, wie er nie vorher gezittert hatte, ließ zuerſt den älteſten Sohn des Botſchafters, der die Ehrenſtelle ſeines Schenken bekleidete, kommen, und er- fuhr von demſelben, daß ſein Vater, ohne Abſchied zu nehmen, Memphis verlaſſen habe. Dann berief er Darius, Zopyros und Gyges, von denen er wußte, daß ſie Bartja am innigſten liebten, und fragte dieſelben, wie ſich ihr Freund befinde. Nachdem er vernommen hatte, daß ſich derſelbe zu Sais aufhalte, ſandte er die Jünglinge ſogleich dorthin und trug ihnen auf, Prexaspes, wenn ſie dem- ſelben begegnen ſollten, ungeſäumt nach Memphis zurück- zuſchicken. Die jungen Achämeniden konnten ſich das ſon-
<TEI><text><body><pbfacs="#f0223"n="[213]"/><divn="1"><head><hirendition="#fr"><hirendition="#g">Neuntes Kapitel.</hi></hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>m Morgen des Tages, welcher der Bogenprobe<lb/>
folgte, war Kambyſes von einem ſo heftigen Zufall ſeiner<lb/>
Krankheit befallen worden, daß er achtundvierzig Stun-<lb/>
den lang, krank an Geiſt und Körper, das Zimmer hüten<lb/>
mußte und bald vollkommen entkräftet niederſank, bald wie<lb/>
ein Raſender tobte.</p><lb/><p>Als er am dritten Tage ſein klares Bewußtſein wieder<lb/>
erlangte, gedachte er ſofort jenes ſchrecklichen Auftrages,<lb/>
den Prexaspes jetzt ſchon ausgeführt haben konnte. Er<lb/>
zitterte vor dieſer Möglichkeit, wie er nie vorher gezittert<lb/>
hatte, ließ zuerſt den älteſten Sohn des Botſchafters, der<lb/>
die Ehrenſtelle ſeines Schenken bekleidete, kommen, und er-<lb/>
fuhr von demſelben, daß ſein Vater, ohne Abſchied zu<lb/>
nehmen, Memphis verlaſſen habe. Dann berief er Darius,<lb/>
Zopyros und Gyges, von denen er wußte, daß ſie Bartja<lb/>
am innigſten liebten, und fragte dieſelben, wie ſich ihr<lb/>
Freund befinde. Nachdem er vernommen hatte, daß ſich<lb/>
derſelbe zu Sais aufhalte, ſandte er die Jünglinge ſogleich<lb/>
dorthin und trug ihnen auf, Prexaspes, wenn ſie dem-<lb/>ſelben begegnen ſollten, ungeſäumt nach Memphis zurück-<lb/>
zuſchicken. Die jungen Achämeniden konnten ſich das ſon-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[[213]/0223]
Neuntes Kapitel.
Am Morgen des Tages, welcher der Bogenprobe
folgte, war Kambyſes von einem ſo heftigen Zufall ſeiner
Krankheit befallen worden, daß er achtundvierzig Stun-
den lang, krank an Geiſt und Körper, das Zimmer hüten
mußte und bald vollkommen entkräftet niederſank, bald wie
ein Raſender tobte.
Als er am dritten Tage ſein klares Bewußtſein wieder
erlangte, gedachte er ſofort jenes ſchrecklichen Auftrages,
den Prexaspes jetzt ſchon ausgeführt haben konnte. Er
zitterte vor dieſer Möglichkeit, wie er nie vorher gezittert
hatte, ließ zuerſt den älteſten Sohn des Botſchafters, der
die Ehrenſtelle ſeines Schenken bekleidete, kommen, und er-
fuhr von demſelben, daß ſein Vater, ohne Abſchied zu
nehmen, Memphis verlaſſen habe. Dann berief er Darius,
Zopyros und Gyges, von denen er wußte, daß ſie Bartja
am innigſten liebten, und fragte dieſelben, wie ſich ihr
Freund befinde. Nachdem er vernommen hatte, daß ſich
derſelbe zu Sais aufhalte, ſandte er die Jünglinge ſogleich
dorthin und trug ihnen auf, Prexaspes, wenn ſie dem-
ſelben begegnen ſollten, ungeſäumt nach Memphis zurück-
zuſchicken. Die jungen Achämeniden konnten ſich das ſon-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. [213]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/223>, abgerufen am 31.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.