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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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er jedoch, wenn sein Groll verraucht ist, meine Ueberhebung
vergessen und sich nur bemühen wird, mich in Zukunft
durch Großthaten zu übertreffen. Noch vor einem Jahre
ist er bei Weitem der beste Schütze in Persien gewesen
und würde es heute noch sein, wenn seine Riesenkräfte
nicht durch den Trunk und seine bösen Krämpfe geschwächt
worden wären. Von der andern Seite fühle ich, daß
meine Stärke täglich zunimmt --"

"Reines Glück," unterbrach Rhodopis den Jüngling,
"stählt die Arme des Mannes, wie es die Schönheit des
Weibes erhöht; während Unmäßigkeit und Qualen der
Seele Körper und Geist sicherer zerrütten, als Krankheit
und Alter. Hüte Dich vor Deinem Bruder, mein Sohn,
denn ebenso gut, wie sein ursprünglich starker Arm erlah-
men konnte, kann seine ursprünglich edle Seele ihre Hoheit
einbüßen. Traue meiner Erfahrung, die mich lehrt, daß,
wer der Sklave einer schädlichen Leidenschaft geworden
ist, sehr selten Herr seiner andern Triebe bleibt. Außer-
dem trägt Niemand schwerer eine Erniedrigung, als der
Sinkende, welcher das Abnehmen seiner Kräfte fühlt. Hüte
Dich vor Deinem Bruder, und traue mehr der Stimme
der Erfahrung, als Deinem eignen Herzen, welches, weil
es selbst edel fühlt, jedes andre für edel zu halten geneigt ist."

"Diese Worte," erwiederte Bartja, "zeigen mir im
Voraus, daß Du Sappho's Ansicht theilen wirst. Die-
selbe hat mich nämlich gebeten, so schwer ihr auch die
Trennung von Dir werden würde, Aegypten zu verlassen
und mit ihr nach Persien zurückzukehren. Sie meint, daß
Kambyses, wenn er nichts von mir hört und sieht, seinen
Groll vergessen würde. Jch habe sie bisher für allzu
ängstlich gehalten und würde mich nur ungern von dem
Feldzug gegen die Aethiopen ausschließen --"

Ebers, Eine ägyptische Königstochter. III. 14

er jedoch, wenn ſein Groll verraucht iſt, meine Ueberhebung
vergeſſen und ſich nur bemühen wird, mich in Zukunft
durch Großthaten zu übertreffen. Noch vor einem Jahre
iſt er bei Weitem der beſte Schütze in Perſien geweſen
und würde es heute noch ſein, wenn ſeine Rieſenkräfte
nicht durch den Trunk und ſeine böſen Krämpfe geſchwächt
worden wären. Von der andern Seite fühle ich, daß
meine Stärke täglich zunimmt —“

„Reines Glück,“ unterbrach Rhodopis den Jüngling,
„ſtählt die Arme des Mannes, wie es die Schönheit des
Weibes erhöht; während Unmäßigkeit und Qualen der
Seele Körper und Geiſt ſicherer zerrütten, als Krankheit
und Alter. Hüte Dich vor Deinem Bruder, mein Sohn,
denn ebenſo gut, wie ſein urſprünglich ſtarker Arm erlah-
men konnte, kann ſeine urſprünglich edle Seele ihre Hoheit
einbüßen. Traue meiner Erfahrung, die mich lehrt, daß,
wer der Sklave einer ſchädlichen Leidenſchaft geworden
iſt, ſehr ſelten Herr ſeiner andern Triebe bleibt. Außer-
dem trägt Niemand ſchwerer eine Erniedrigung, als der
Sinkende, welcher das Abnehmen ſeiner Kräfte fühlt. Hüte
Dich vor Deinem Bruder, und traue mehr der Stimme
der Erfahrung, als Deinem eignen Herzen, welches, weil
es ſelbſt edel fühlt, jedes andre für edel zu halten geneigt iſt.“

„Dieſe Worte,“ erwiederte Bartja, „zeigen mir im
Voraus, daß Du Sappho’s Anſicht theilen wirſt. Die-
ſelbe hat mich nämlich gebeten, ſo ſchwer ihr auch die
Trennung von Dir werden würde, Aegypten zu verlaſſen
und mit ihr nach Perſien zurückzukehren. Sie meint, daß
Kambyſes, wenn er nichts von mir hört und ſieht, ſeinen
Groll vergeſſen würde. Jch habe ſie bisher für allzu
ängſtlich gehalten und würde mich nur ungern von dem
Feldzug gegen die Aethiopen ausſchließen —“

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 14
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[209/0219] er jedoch, wenn ſein Groll verraucht iſt, meine Ueberhebung vergeſſen und ſich nur bemühen wird, mich in Zukunft durch Großthaten zu übertreffen. Noch vor einem Jahre iſt er bei Weitem der beſte Schütze in Perſien geweſen und würde es heute noch ſein, wenn ſeine Rieſenkräfte nicht durch den Trunk und ſeine böſen Krämpfe geſchwächt worden wären. Von der andern Seite fühle ich, daß meine Stärke täglich zunimmt —“ „Reines Glück,“ unterbrach Rhodopis den Jüngling, „ſtählt die Arme des Mannes, wie es die Schönheit des Weibes erhöht; während Unmäßigkeit und Qualen der Seele Körper und Geiſt ſicherer zerrütten, als Krankheit und Alter. Hüte Dich vor Deinem Bruder, mein Sohn, denn ebenſo gut, wie ſein urſprünglich ſtarker Arm erlah- men konnte, kann ſeine urſprünglich edle Seele ihre Hoheit einbüßen. Traue meiner Erfahrung, die mich lehrt, daß, wer der Sklave einer ſchädlichen Leidenſchaft geworden iſt, ſehr ſelten Herr ſeiner andern Triebe bleibt. Außer- dem trägt Niemand ſchwerer eine Erniedrigung, als der Sinkende, welcher das Abnehmen ſeiner Kräfte fühlt. Hüte Dich vor Deinem Bruder, und traue mehr der Stimme der Erfahrung, als Deinem eignen Herzen, welches, weil es ſelbſt edel fühlt, jedes andre für edel zu halten geneigt iſt.“ „Dieſe Worte,“ erwiederte Bartja, „zeigen mir im Voraus, daß Du Sappho’s Anſicht theilen wirſt. Die- ſelbe hat mich nämlich gebeten, ſo ſchwer ihr auch die Trennung von Dir werden würde, Aegypten zu verlaſſen und mit ihr nach Perſien zurückzukehren. Sie meint, daß Kambyſes, wenn er nichts von mir hört und ſieht, ſeinen Groll vergeſſen würde. Jch habe ſie bisher für allzu ängſtlich gehalten und würde mich nur ungern von dem Feldzug gegen die Aethiopen ausſchließen —“ Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 14

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/219>, abgerufen am 12.05.2024.