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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Absonderliche Freude schien es dem jungen Helden
zu machen, wenn sich die kleinen Finger seines Kindes in
seinen Bart und seine Locken vergruben, wenn die wilden
Füßchen desselben sein Gesicht berührten, oder wenn das
fleischige Händchen der kleinen Parmys einen seiner Finger
umklammerte. Sappho theilte die Wonne dieses harmlosen
Spiels und war bemüht, die Aufmerksamkeit ihres Lieb-
lings ausschließlich auf den Vater hinzulenken.

Dann und wann beugte sie sich über die Kleine, um
den fleischigen Hals oder die rothen Kinderlippen zu küssen,
und in solchen Augenblicken geschah es wohl, daß ihre
Stirn' die Locken ihres Gatten berührte, der dann jedes-
mal den dem Kinde gegebenen Kuß von ihrem Munde
raubte.

Rhodopis sah diesem Spiele lange Zeit im Geheimen
zu und betete, mit Thränen in den Augen, zu den Göttern,
daß sie ihren Lieben dieß große, reine Glück erhalten
möchten. Endlich näherte sie sich der Laube, rief dem
jungen Paare einen "fröhlichen Morgen" zu und belobte
die alte Melitta, welche, mit einem großen Sonnenschirm'
in der Hand, gekommen war, um die kleine Parmys zur
Ruhe zu bringen und dem greller werdenden Sonnenlichte
zu entziehen.

Die alte Sklavin war zur obersten Wärterin des
fürstlichen Säuglings ernannt worden und verwaltete ihr
Amt mit ebenso großer, als komischer Würde. Jn reiche,
persische Gewänder ihre alten Glieder bergend, empfand
sie eine wahre Seligkeit in dem ihr neuen Befehle-
ertheilen und hielt die vielen ihr untergebenen Sklavinnen,
denen sie mit vornehmer Herablassung begegnete, in fort-
währender Bewegung.

Sappho folgte der Alten, nachdem sie ihren runden

Abſonderliche Freude ſchien es dem jungen Helden
zu machen, wenn ſich die kleinen Finger ſeines Kindes in
ſeinen Bart und ſeine Locken vergruben, wenn die wilden
Füßchen deſſelben ſein Geſicht berührten, oder wenn das
fleiſchige Händchen der kleinen Parmys einen ſeiner Finger
umklammerte. Sappho theilte die Wonne dieſes harmloſen
Spiels und war bemüht, die Aufmerkſamkeit ihres Lieb-
lings ausſchließlich auf den Vater hinzulenken.

Dann und wann beugte ſie ſich über die Kleine, um
den fleiſchigen Hals oder die rothen Kinderlippen zu küſſen,
und in ſolchen Augenblicken geſchah es wohl, daß ihre
Stirn’ die Locken ihres Gatten berührte, der dann jedes-
mal den dem Kinde gegebenen Kuß von ihrem Munde
raubte.

Rhodopis ſah dieſem Spiele lange Zeit im Geheimen
zu und betete, mit Thränen in den Augen, zu den Göttern,
daß ſie ihren Lieben dieß große, reine Glück erhalten
möchten. Endlich näherte ſie ſich der Laube, rief dem
jungen Paare einen „fröhlichen Morgen“ zu und belobte
die alte Melitta, welche, mit einem großen Sonnenſchirm’
in der Hand, gekommen war, um die kleine Parmys zur
Ruhe zu bringen und dem greller werdenden Sonnenlichte
zu entziehen.

Die alte Sklavin war zur oberſten Wärterin des
fürſtlichen Säuglings ernannt worden und verwaltete ihr
Amt mit ebenſo großer, als komiſcher Würde. Jn reiche,
perſiſche Gewänder ihre alten Glieder bergend, empfand
ſie eine wahre Seligkeit in dem ihr neuen Befehle-
ertheilen und hielt die vielen ihr untergebenen Sklavinnen,
denen ſie mit vornehmer Herablaſſung begegnete, in fort-
währender Bewegung.

Sappho folgte der Alten, nachdem ſie ihren runden

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[207/0217] Abſonderliche Freude ſchien es dem jungen Helden zu machen, wenn ſich die kleinen Finger ſeines Kindes in ſeinen Bart und ſeine Locken vergruben, wenn die wilden Füßchen deſſelben ſein Geſicht berührten, oder wenn das fleiſchige Händchen der kleinen Parmys einen ſeiner Finger umklammerte. Sappho theilte die Wonne dieſes harmloſen Spiels und war bemüht, die Aufmerkſamkeit ihres Lieb- lings ausſchließlich auf den Vater hinzulenken. Dann und wann beugte ſie ſich über die Kleine, um den fleiſchigen Hals oder die rothen Kinderlippen zu küſſen, und in ſolchen Augenblicken geſchah es wohl, daß ihre Stirn’ die Locken ihres Gatten berührte, der dann jedes- mal den dem Kinde gegebenen Kuß von ihrem Munde raubte. Rhodopis ſah dieſem Spiele lange Zeit im Geheimen zu und betete, mit Thränen in den Augen, zu den Göttern, daß ſie ihren Lieben dieß große, reine Glück erhalten möchten. Endlich näherte ſie ſich der Laube, rief dem jungen Paare einen „fröhlichen Morgen“ zu und belobte die alte Melitta, welche, mit einem großen Sonnenſchirm’ in der Hand, gekommen war, um die kleine Parmys zur Ruhe zu bringen und dem greller werdenden Sonnenlichte zu entziehen. Die alte Sklavin war zur oberſten Wärterin des fürſtlichen Säuglings ernannt worden und verwaltete ihr Amt mit ebenſo großer, als komiſcher Würde. Jn reiche, perſiſche Gewänder ihre alten Glieder bergend, empfand ſie eine wahre Seligkeit in dem ihr neuen Befehle- ertheilen und hielt die vielen ihr untergebenen Sklavinnen, denen ſie mit vornehmer Herablaſſung begegnete, in fort- währender Bewegung. Sappho folgte der Alten, nachdem ſie ihren runden

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/217>, abgerufen am 11.05.2024.