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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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mit seiner jungen Gemahlin nach Sais gefahren. Dort
fand er Rhodopis, welche sich, statt nach Naukratis heim-
zukehren, einem unwiderstehlichen Drange folgend, nach
Sais begeben hatte. Nach jener Lustfahrt war Bartja,
als er an's Land stieg, hingefallen, und sie hatte mit
eignen Augen gesehen, daß eine Eule, von der linken
Seite her, dicht an seinem Haupte vorübergeflogen war.
Wenn diese bösen Vorzeichen schon hinreichten, ihr dem
Aberglauben ihrer Zeit keineswegs entwachsenes Herz zu
beunruhigen, und ihr den Wunsch, in der Nähe des jungen
Paares zu verweilen, dringender als sonst einzuflößen, so
entschloß sie sich kurz, ihre Enkelin in Sais zu erwarten,
als sie aus einem unruhigen Schlaf erwachte, in dem sie
eine verworrene Reihe von bösen Träumen gehabt hatte.

Das junge Paar freute sich über den lieben, uner-
warteten Gast und führte Rhodopis, nachdem dieselbe mit
ihrer kleinen Urenkelin, die den Namen Parmys 137) führte,
nach Herzenslust getändelt hatte, in die für sie bereit stehen-
den Gemächer. Dieß waren dieselben, in denen die un-
glückliche Tachot die letzten Monde ihres hinsiechenden Da-
seins verlebt hatte. Rhodopis betrachtete mit tiefer Rührung
all' jene kleinen Gegenstände, welche nicht nur das Ge-
schlecht und Alter der Dahingeschiedenen, sondern auch ihre
Neigungen und ihre Sinnesart verriethen. -- Da standen
zahlreiche Salbenbüchschen und Fläschchen 138) mit Wohl-
gerüchen, Schminken und Oelen auf dem Putztische. Jn
einer Schachtel 139), welche die Gestalt einer Nilgans
täuschend nachahmte, und einer andern, an deren Seite
eine Lautenschlägerin gemalt war, hatte einst der reiche
goldne Schmuck der Königstochter gelegen, und jener Metall-
spiegel, dessen Griff eine schlummernde Jungfrau dar-
stellte 140), das schöne, sanft geröthete Gesicht der Ver-

mit ſeiner jungen Gemahlin nach Sais gefahren. Dort
fand er Rhodopis, welche ſich, ſtatt nach Naukratis heim-
zukehren, einem unwiderſtehlichen Drange folgend, nach
Sais begeben hatte. Nach jener Luſtfahrt war Bartja,
als er an’s Land ſtieg, hingefallen, und ſie hatte mit
eignen Augen geſehen, daß eine Eule, von der linken
Seite her, dicht an ſeinem Haupte vorübergeflogen war.
Wenn dieſe böſen Vorzeichen ſchon hinreichten, ihr dem
Aberglauben ihrer Zeit keineswegs entwachſenes Herz zu
beunruhigen, und ihr den Wunſch, in der Nähe des jungen
Paares zu verweilen, dringender als ſonſt einzuflößen, ſo
entſchloß ſie ſich kurz, ihre Enkelin in Sais zu erwarten,
als ſie aus einem unruhigen Schlaf erwachte, in dem ſie
eine verworrene Reihe von böſen Träumen gehabt hatte.

Das junge Paar freute ſich über den lieben, uner-
warteten Gaſt und führte Rhodopis, nachdem dieſelbe mit
ihrer kleinen Urenkelin, die den Namen Parmys 137) führte,
nach Herzensluſt getändelt hatte, in die für ſie bereit ſtehen-
den Gemächer. Dieß waren dieſelben, in denen die un-
glückliche Tachot die letzten Monde ihres hinſiechenden Da-
ſeins verlebt hatte. Rhodopis betrachtete mit tiefer Rührung
all’ jene kleinen Gegenſtände, welche nicht nur das Ge-
ſchlecht und Alter der Dahingeſchiedenen, ſondern auch ihre
Neigungen und ihre Sinnesart verriethen. — Da ſtanden
zahlreiche Salbenbüchschen und Fläſchchen 138) mit Wohl-
gerüchen, Schminken und Oelen auf dem Putztiſche. Jn
einer Schachtel 139), welche die Geſtalt einer Nilgans
täuſchend nachahmte, und einer andern, an deren Seite
eine Lautenſchlägerin gemalt war, hatte einſt der reiche
goldne Schmuck der Königstochter gelegen, und jener Metall-
ſpiegel, deſſen Griff eine ſchlummernde Jungfrau dar-
ſtellte 140), das ſchöne, ſanft geröthete Geſicht der Ver-

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[204/0214] mit ſeiner jungen Gemahlin nach Sais gefahren. Dort fand er Rhodopis, welche ſich, ſtatt nach Naukratis heim- zukehren, einem unwiderſtehlichen Drange folgend, nach Sais begeben hatte. Nach jener Luſtfahrt war Bartja, als er an’s Land ſtieg, hingefallen, und ſie hatte mit eignen Augen geſehen, daß eine Eule, von der linken Seite her, dicht an ſeinem Haupte vorübergeflogen war. Wenn dieſe böſen Vorzeichen ſchon hinreichten, ihr dem Aberglauben ihrer Zeit keineswegs entwachſenes Herz zu beunruhigen, und ihr den Wunſch, in der Nähe des jungen Paares zu verweilen, dringender als ſonſt einzuflößen, ſo entſchloß ſie ſich kurz, ihre Enkelin in Sais zu erwarten, als ſie aus einem unruhigen Schlaf erwachte, in dem ſie eine verworrene Reihe von böſen Träumen gehabt hatte. Das junge Paar freute ſich über den lieben, uner- warteten Gaſt und führte Rhodopis, nachdem dieſelbe mit ihrer kleinen Urenkelin, die den Namen Parmys 137) führte, nach Herzensluſt getändelt hatte, in die für ſie bereit ſtehen- den Gemächer. Dieß waren dieſelben, in denen die un- glückliche Tachot die letzten Monde ihres hinſiechenden Da- ſeins verlebt hatte. Rhodopis betrachtete mit tiefer Rührung all’ jene kleinen Gegenſtände, welche nicht nur das Ge- ſchlecht und Alter der Dahingeſchiedenen, ſondern auch ihre Neigungen und ihre Sinnesart verriethen. — Da ſtanden zahlreiche Salbenbüchschen und Fläſchchen 138) mit Wohl- gerüchen, Schminken und Oelen auf dem Putztiſche. Jn einer Schachtel 139), welche die Geſtalt einer Nilgans täuſchend nachahmte, und einer andern, an deren Seite eine Lautenſchlägerin gemalt war, hatte einſt der reiche goldne Schmuck der Königstochter gelegen, und jener Metall- ſpiegel, deſſen Griff eine ſchlummernde Jungfrau dar- ſtellte 140), das ſchöne, ſanft geröthete Geſicht der Ver-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/214>, abgerufen am 11.05.2024.