dasselbe Wort des Krösus, welches den edlen Gefühlen in seiner Brust den Sieg verschafft hatte, ließ dieselben jetzt unterliegen: "Ein Herrscher findet jederzeit ruchlose Diener!" Dieser Satz beschimpfte ihn zwar, erinnerte ihn aber daran, daß, wenn er dem Könige trotzen würde, hundert Andre den Befehl desselben zu vollziehen bereit sein würden. Kaum war ihm dieser Gedanke vollkommen klar geworden, als er von seinem Lager aufsprang, die zahlreichen Dolche, welche wohlgeordnet über demselben hingen, prüfte und den schärfsten auf das vor ihm stehende Tischchen legte.
Darauf ging er sinnend auf und ab und trat häufig an die Fensteröffnung, um zu sehen, ob es nicht tagen wolle, und um seine heiße Stirn zu kühlen.
Als endlich das Dunkel der Nacht dem hellen Morgen- lichte gewichen war und ihn das die Knaben zum Früh- gebet rufende Erz *) von Neuem an seine Söhne erinnerte, prüfte er den Dolch zum zweiten Male. Als eine reich- geschmückte Schaar von Höflingen, um sich zum Könige zu begeben, an seinem Hause vorüberritt, steckte er den- selben in seinen Gürtel. Als sich endlich das muntre Gelächter seines jüngsten Kindes aus dem Weibergemache vernehmen ließ, setzte er mit einer gewissen Heftigkeit die Tiara auf das Haupt und ging, ohne seinem Weibe Lebe- wohl zu sagen, von mehreren Sklaven begleitet, zum Nile, warf sich dort in eine Barke und befahl den Ruderknechten, ihn sofort nach Sais zu befördern.
Bartja war wenige Stunden nach dem verhängniß- vollen Bogenschießen dem Rathe des Krösus gefolgt und
*)II. Theil Anmerk. 29.
daſſelbe Wort des Kröſus, welches den edlen Gefühlen in ſeiner Bruſt den Sieg verſchafft hatte, ließ dieſelben jetzt unterliegen: „Ein Herrſcher findet jederzeit ruchloſe Diener!“ Dieſer Satz beſchimpfte ihn zwar, erinnerte ihn aber daran, daß, wenn er dem Könige trotzen würde, hundert Andre den Befehl deſſelben zu vollziehen bereit ſein würden. Kaum war ihm dieſer Gedanke vollkommen klar geworden, als er von ſeinem Lager aufſprang, die zahlreichen Dolche, welche wohlgeordnet über demſelben hingen, prüfte und den ſchärfſten auf das vor ihm ſtehende Tiſchchen legte.
Darauf ging er ſinnend auf und ab und trat häufig an die Fenſteröffnung, um zu ſehen, ob es nicht tagen wolle, und um ſeine heiße Stirn zu kühlen.
Als endlich das Dunkel der Nacht dem hellen Morgen- lichte gewichen war und ihn das die Knaben zum Früh- gebet rufende Erz *) von Neuem an ſeine Söhne erinnerte, prüfte er den Dolch zum zweiten Male. Als eine reich- geſchmückte Schaar von Höflingen, um ſich zum Könige zu begeben, an ſeinem Hauſe vorüberritt, ſteckte er den- ſelben in ſeinen Gürtel. Als ſich endlich das muntre Gelächter ſeines jüngſten Kindes aus dem Weibergemache vernehmen ließ, ſetzte er mit einer gewiſſen Heftigkeit die Tiara auf das Haupt und ging, ohne ſeinem Weibe Lebe- wohl zu ſagen, von mehreren Sklaven begleitet, zum Nile, warf ſich dort in eine Barke und befahl den Ruderknechten, ihn ſofort nach Sais zu befördern.
Bartja war wenige Stunden nach dem verhängniß- vollen Bogenſchießen dem Rathe des Kröſus gefolgt und
*)II. Theil Anmerk. 29.
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daſſelbe Wort des Kröſus, welches den edlen Gefühlen in
ſeiner Bruſt den Sieg verſchafft hatte, ließ dieſelben jetzt
unterliegen: „Ein Herrſcher findet jederzeit ruchloſe Diener!“
Dieſer Satz beſchimpfte ihn zwar, erinnerte ihn aber daran,
daß, wenn er dem Könige trotzen würde, hundert Andre
den Befehl deſſelben zu vollziehen bereit ſein würden.
Kaum war ihm dieſer Gedanke vollkommen klar geworden,
als er von ſeinem Lager aufſprang, die zahlreichen Dolche,
welche wohlgeordnet über demſelben hingen, prüfte und
den ſchärfſten auf das vor ihm ſtehende Tiſchchen legte.
Darauf ging er ſinnend auf und ab und trat häufig
an die Fenſteröffnung, um zu ſehen, ob es nicht tagen wolle,
und um ſeine heiße Stirn zu kühlen.
Als endlich das Dunkel der Nacht dem hellen Morgen-
lichte gewichen war und ihn das die Knaben zum Früh-
gebet rufende Erz *) von Neuem an ſeine Söhne erinnerte,
prüfte er den Dolch zum zweiten Male. Als eine reich-
geſchmückte Schaar von Höflingen, um ſich zum Könige
zu begeben, an ſeinem Hauſe vorüberritt, ſteckte er den-
ſelben in ſeinen Gürtel. Als ſich endlich das muntre
Gelächter ſeines jüngſten Kindes aus dem Weibergemache
vernehmen ließ, ſetzte er mit einer gewiſſen Heftigkeit die
Tiara auf das Haupt und ging, ohne ſeinem Weibe Lebe-
wohl zu ſagen, von mehreren Sklaven begleitet, zum Nile,
warf ſich dort in eine Barke und befahl den Ruderknechten,
ihn ſofort nach Sais zu befördern.
Bartja war wenige Stunden nach dem verhängniß-
vollen Bogenſchießen dem Rathe des Kröſus gefolgt und
*) II. Theil Anmerk. 29.
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/213>, abgerufen am 20.07.2024.
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