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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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seinem Weibe nach Sais gefahren. Der König darf ihn
in den ersten Tagen nicht wieder sehen, denn sein Groll
könnte bei seinem Anblicke leicht von Neuem erwachen, und
ein Herrscher findet zu jeder Zeit ruchlose Diener --"

Bei diesen letzten, verhallenden Worten zuckte Pre-
xaspes schmerzlich zusammen, als habe Krösus ihn selbst
der Schändlichkeit bezüchtigt, und beschloß, möge kommen
was da wolle, seine Hände nicht mit dem Blute eines
Freundes zu beflecken. Nun ging er wieder in hochauf-
gerichteter Haltung einher, bis er zu der ihm angewiesenen
Wohnung gelangte. An der Thür derselben sprangen
ihm seine beiden Söhne entgegen, die sich von dem Spiel-
platze der Achämeniden-Knaben, welche dem Reichsheere
und dem Könige, wie immer, gefolgt waren, fortgestohlen
hatten, um ihren Vater auf einen Augenblick zu begrüßen.
Jn seltsamer, ihm selbst unverständlicher Rührung drückte
er die schönen Kinder an seine Brust und umarmte sie
nochmals, als dieselben erklärten, wenn sie nicht bestraft
werden wollten, zum Spielplatze zurückkehren zu müssen.
Jn seiner Wohnung fand er seine Lieblingsgattin mit
ihrem jüngsten Kinde, einem holden, kleinen Mädchen, spie-
lend. Da erfaßte ihn abermals jene unerklärliche Rüh-
rung. Dießmal bezwang er dieselbe, um dem geliebten
Weibe sein Geheimniß nicht zu verrathen, und zog sich
bald in sein Gemach zurück.

Jndessen war die Nacht hereingebrochen.

Schlaflos wälzte sich der schwer Versuchte auf seinem
Lager umher; der Gedanke, daß seine Weigerung, den
Wunsch des Königs zu erfüllen, auch sein Weib und seine
Kinder dem Verderben preisgeben würde, stellte sich mit
greller Schrecklichkeit vor seine schlaflosen Augen. Die
Kraft, seinen schönen Vorsatz festzuhalten, verließ ihn, und

ſeinem Weibe nach Sais gefahren. Der König darf ihn
in den erſten Tagen nicht wieder ſehen, denn ſein Groll
könnte bei ſeinem Anblicke leicht von Neuem erwachen, und
ein Herrſcher findet zu jeder Zeit ruchloſe Diener —“

Bei dieſen letzten, verhallenden Worten zuckte Pre-
xaspes ſchmerzlich zuſammen, als habe Kröſus ihn ſelbſt
der Schändlichkeit bezüchtigt, und beſchloß, möge kommen
was da wolle, ſeine Hände nicht mit dem Blute eines
Freundes zu beflecken. Nun ging er wieder in hochauf-
gerichteter Haltung einher, bis er zu der ihm angewieſenen
Wohnung gelangte. An der Thür derſelben ſprangen
ihm ſeine beiden Söhne entgegen, die ſich von dem Spiel-
platze der Achämeniden-Knaben, welche dem Reichsheere
und dem Könige, wie immer, gefolgt waren, fortgeſtohlen
hatten, um ihren Vater auf einen Augenblick zu begrüßen.
Jn ſeltſamer, ihm ſelbſt unverſtändlicher Rührung drückte
er die ſchönen Kinder an ſeine Bruſt und umarmte ſie
nochmals, als dieſelben erklärten, wenn ſie nicht beſtraft
werden wollten, zum Spielplatze zurückkehren zu müſſen.
Jn ſeiner Wohnung fand er ſeine Lieblingsgattin mit
ihrem jüngſten Kinde, einem holden, kleinen Mädchen, ſpie-
lend. Da erfaßte ihn abermals jene unerklärliche Rüh-
rung. Dießmal bezwang er dieſelbe, um dem geliebten
Weibe ſein Geheimniß nicht zu verrathen, und zog ſich
bald in ſein Gemach zurück.

Jndeſſen war die Nacht hereingebrochen.

Schlaflos wälzte ſich der ſchwer Verſuchte auf ſeinem
Lager umher; der Gedanke, daß ſeine Weigerung, den
Wunſch des Königs zu erfüllen, auch ſein Weib und ſeine
Kinder dem Verderben preisgeben würde, ſtellte ſich mit
greller Schrecklichkeit vor ſeine ſchlafloſen Augen. Die
Kraft, ſeinen ſchönen Vorſatz feſtzuhalten, verließ ihn, und

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[202/0212] ſeinem Weibe nach Sais gefahren. Der König darf ihn in den erſten Tagen nicht wieder ſehen, denn ſein Groll könnte bei ſeinem Anblicke leicht von Neuem erwachen, und ein Herrſcher findet zu jeder Zeit ruchloſe Diener —“ Bei dieſen letzten, verhallenden Worten zuckte Pre- xaspes ſchmerzlich zuſammen, als habe Kröſus ihn ſelbſt der Schändlichkeit bezüchtigt, und beſchloß, möge kommen was da wolle, ſeine Hände nicht mit dem Blute eines Freundes zu beflecken. Nun ging er wieder in hochauf- gerichteter Haltung einher, bis er zu der ihm angewieſenen Wohnung gelangte. An der Thür derſelben ſprangen ihm ſeine beiden Söhne entgegen, die ſich von dem Spiel- platze der Achämeniden-Knaben, welche dem Reichsheere und dem Könige, wie immer, gefolgt waren, fortgeſtohlen hatten, um ihren Vater auf einen Augenblick zu begrüßen. Jn ſeltſamer, ihm ſelbſt unverſtändlicher Rührung drückte er die ſchönen Kinder an ſeine Bruſt und umarmte ſie nochmals, als dieſelben erklärten, wenn ſie nicht beſtraft werden wollten, zum Spielplatze zurückkehren zu müſſen. Jn ſeiner Wohnung fand er ſeine Lieblingsgattin mit ihrem jüngſten Kinde, einem holden, kleinen Mädchen, ſpie- lend. Da erfaßte ihn abermals jene unerklärliche Rüh- rung. Dießmal bezwang er dieſelbe, um dem geliebten Weibe ſein Geheimniß nicht zu verrathen, und zog ſich bald in ſein Gemach zurück. Jndeſſen war die Nacht hereingebrochen. Schlaflos wälzte ſich der ſchwer Verſuchte auf ſeinem Lager umher; der Gedanke, daß ſeine Weigerung, den Wunſch des Königs zu erfüllen, auch ſein Weib und ſeine Kinder dem Verderben preisgeben würde, ſtellte ſich mit greller Schrecklichkeit vor ſeine ſchlafloſen Augen. Die Kraft, ſeinen ſchönen Vorſatz feſtzuhalten, verließ ihn, und

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/212>, abgerufen am 12.05.2024.