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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Nebenchari empfing Phanes mit kalter Höflichkeit,
obgleich er denselben von Sais her kannte, und befahl
dem alten Hib, nach einer kurzen Begrüßung, ihn mit dem
Obersten allein zu lassen.

"Jch habe Dich aufgesucht," begann der Athener in
ägyptischer Sprache, deren er vollkommen mächtig war,
"weil ich wichtige Dinge mit Dir besprechen muß --"

"Von denen ich unterrichtet bin!" lautete die kurze
Antwort des Arztes.

"Daran möchte ich zweifeln," erwiederte Phanes mit
anmuthigem Lächeln.

"Du bist aus Aegypten verjagt, von Psamtik, dem
Thronerben bitter verfolgt und gekränkt worden, und kommst
jetzt nach Persien, um Kambyses zum Werkzeuge Deiner
Rache gegen mein Vaterland zu werben."

"Du irrst! Deinem Vaterlande schulde ich nichts;
desto mehr habe ich jedoch dem Hause des Amasis heim-
zuzahlen."

"Du weißt, daß in Aegypten Staat und König Eins
sind."

"Jch glaube vielmehr die andre Bemerkung gemacht
zu haben, daß sich die Priester Deiner Heimat gern dem
Staate gleichsetzen."

"So bist Du besser unterrichtet, als ich. Jch hielt
bis dahin die ägyptischen Könige für unbeschränkt."

"Das sind sie, soweit sie sich dem Einflusse Deiner
Standesgenossen zu entheben verstehen. -- Auch Amasis
beugt sich jetzt vor den Priestern."

"Seltsame Neuigkeit!"

"Die man Dir schon längst mitgetheilt haben wird."

"Meinst Du?"

"Ganz bestimmt! Aber noch bestimmter weiß ich, daß

Nebenchari empfing Phanes mit kalter Höflichkeit,
obgleich er denſelben von Sais her kannte, und befahl
dem alten Hib, nach einer kurzen Begrüßung, ihn mit dem
Oberſten allein zu laſſen.

„Jch habe Dich aufgeſucht,“ begann der Athener in
ägyptiſcher Sprache, deren er vollkommen mächtig war,
„weil ich wichtige Dinge mit Dir beſprechen muß —“

„Von denen ich unterrichtet bin!“ lautete die kurze
Antwort des Arztes.

„Daran möchte ich zweifeln,“ erwiederte Phanes mit
anmuthigem Lächeln.

„Du biſt aus Aegypten verjagt, von Pſamtik, dem
Thronerben bitter verfolgt und gekränkt worden, und kommſt
jetzt nach Perſien, um Kambyſes zum Werkzeuge Deiner
Rache gegen mein Vaterland zu werben.“

„Du irrſt! Deinem Vaterlande ſchulde ich nichts;
deſto mehr habe ich jedoch dem Hauſe des Amaſis heim-
zuzahlen.“

„Du weißt, daß in Aegypten Staat und König Eins
ſind.“

„Jch glaube vielmehr die andre Bemerkung gemacht
zu haben, daß ſich die Prieſter Deiner Heimat gern dem
Staate gleichſetzen.“

„So biſt Du beſſer unterrichtet, als ich. Jch hielt
bis dahin die ägyptiſchen Könige für unbeſchränkt.“

„Das ſind ſie, ſoweit ſie ſich dem Einfluſſe Deiner
Standesgenoſſen zu entheben verſtehen. — Auch Amaſis
beugt ſich jetzt vor den Prieſtern.“

„Seltſame Neuigkeit!“

„Die man Dir ſchon längſt mitgetheilt haben wird.“

„Meinſt Du?“

„Ganz beſtimmt! Aber noch beſtimmter weiß ich, daß

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[12/0020] Nebenchari empfing Phanes mit kalter Höflichkeit, obgleich er denſelben von Sais her kannte, und befahl dem alten Hib, nach einer kurzen Begrüßung, ihn mit dem Oberſten allein zu laſſen. „Jch habe Dich aufgeſucht,“ begann der Athener in ägyptiſcher Sprache, deren er vollkommen mächtig war, „weil ich wichtige Dinge mit Dir beſprechen muß —“ „Von denen ich unterrichtet bin!“ lautete die kurze Antwort des Arztes. „Daran möchte ich zweifeln,“ erwiederte Phanes mit anmuthigem Lächeln. „Du biſt aus Aegypten verjagt, von Pſamtik, dem Thronerben bitter verfolgt und gekränkt worden, und kommſt jetzt nach Perſien, um Kambyſes zum Werkzeuge Deiner Rache gegen mein Vaterland zu werben.“ „Du irrſt! Deinem Vaterlande ſchulde ich nichts; deſto mehr habe ich jedoch dem Hauſe des Amaſis heim- zuzahlen.“ „Du weißt, daß in Aegypten Staat und König Eins ſind.“ „Jch glaube vielmehr die andre Bemerkung gemacht zu haben, daß ſich die Prieſter Deiner Heimat gern dem Staate gleichſetzen.“ „So biſt Du beſſer unterrichtet, als ich. Jch hielt bis dahin die ägyptiſchen Könige für unbeſchränkt.“ „Das ſind ſie, ſoweit ſie ſich dem Einfluſſe Deiner Standesgenoſſen zu entheben verſtehen. — Auch Amaſis beugt ſich jetzt vor den Prieſtern.“ „Seltſame Neuigkeit!“ „Die man Dir ſchon längſt mitgetheilt haben wird.“ „Meinſt Du?“ „Ganz beſtimmt! Aber noch beſtimmter weiß ich, daß

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/20>, abgerufen am 28.04.2024.