Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

So erzähle in kurzen Worten, was sich zugetragen
hat ..."

"Jch denke, heut' Abend ..."

"Nein, ich muß wenigstens eine allgemeine Kenntniß
von dem Vorgefallenen haben, ehe ich mit dem Athener
rede. Mach' es kurz!"

"Du bist bestohlen worden."

"Weiter nichts?"

"Wenn Du das nichts nennst!"

"Antworte! Weiter nichts?"

"Nein!"

"Dann lebe wohl!"

"Aber, Nebenchari! ..."

Der Augenarzt hörte diesen Ruf nicht mehr, denn
schon hatte sich die Pforte, welche zu dem Hause der
Weiber des Königs führte, hinter ihm geschlossen.



Als das Siebengestirn aufgegangen war, saß Neben-
chari in einem der prächtigen Zimmer, die er auf der öst-
lichen Seite des Palastes, unweit der Wohnung Kassan-
dane's, inne hatte. Die Freundlichkeit, mit der er seinem
alten Diener begegnet war, hatte wieder jenem Ernste
Platz gemacht, der ihn unter den leichtblütigen Persern in
den Ruf eines finsteren Griesgrams brachte.

Er war ein ächter Aegypter, ein ächtes Kind jener
Priesterkaste, deren Mitglieder selbst in ihrer Heimat, so-
bald sie sich öffentlich zeigten, feierlich und würdevoll ein-
herzugehen und niemals zu scherzen pflegten, während sie
im Kreise ihrer Genossen und Familie den selbstauferleg-
ten Zwang absch üttelten und vollkommen heiter, ja aus-
gelassen sein konnten.

So erzähle in kurzen Worten, was ſich zugetragen
hat ...“

„Jch denke, heut’ Abend ...“

„Nein, ich muß wenigſtens eine allgemeine Kenntniß
von dem Vorgefallenen haben, ehe ich mit dem Athener
rede. Mach’ es kurz!“

„Du biſt beſtohlen worden.“

„Weiter nichts?“

„Wenn Du das nichts nennſt!“

„Antworte! Weiter nichts?“

„Nein!“

„Dann lebe wohl!“

„Aber, Nebenchari! ...“

Der Augenarzt hörte dieſen Ruf nicht mehr, denn
ſchon hatte ſich die Pforte, welche zu dem Hauſe der
Weiber des Königs führte, hinter ihm geſchloſſen.



Als das Siebengeſtirn aufgegangen war, ſaß Neben-
chari in einem der prächtigen Zimmer, die er auf der öſt-
lichen Seite des Palaſtes, unweit der Wohnung Kaſſan-
dane’s, inne hatte. Die Freundlichkeit, mit der er ſeinem
alten Diener begegnet war, hatte wieder jenem Ernſte
Platz gemacht, der ihn unter den leichtblütigen Perſern in
den Ruf eines finſteren Griesgrams brachte.

Er war ein ächter Aegypter, ein ächtes Kind jener
Prieſterkaſte, deren Mitglieder ſelbſt in ihrer Heimat, ſo-
bald ſie ſich öffentlich zeigten, feierlich und würdevoll ein-
herzugehen und niemals zu ſcherzen pflegten, während ſie
im Kreiſe ihrer Genoſſen und Familie den ſelbſtauferleg-
ten Zwang abſch üttelten und vollkommen heiter, ja aus-
gelaſſen ſein konnten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="11"/>
So erzähle in kurzen Worten, was &#x017F;ich zugetragen<lb/>
hat ...&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch denke, heut&#x2019; Abend ...&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein, ich muß wenig&#x017F;tens eine allgemeine Kenntniß<lb/>
von dem Vorgefallenen haben, ehe ich mit dem Athener<lb/>
rede. Mach&#x2019; es kurz!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du bi&#x017F;t be&#x017F;tohlen worden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weiter nichts?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn Du das nichts nenn&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Antworte! Weiter nichts?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dann lebe wohl!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber, Nebenchari! ...&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Augenarzt hörte die&#x017F;en Ruf nicht mehr, denn<lb/>
&#x017F;chon hatte &#x017F;ich die Pforte, welche zu dem Hau&#x017F;e der<lb/>
Weiber des Königs führte, hinter ihm ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Als das Siebenge&#x017F;tirn aufgegangen war, &#x017F;aß Neben-<lb/>
chari in einem der prächtigen Zimmer, die er auf der ö&#x017F;t-<lb/>
lichen Seite des Pala&#x017F;tes, unweit der Wohnung Ka&#x017F;&#x017F;an-<lb/>
dane&#x2019;s, inne hatte. Die Freundlichkeit, mit der er &#x017F;einem<lb/>
alten Diener begegnet war, hatte wieder jenem Ern&#x017F;te<lb/>
Platz gemacht, der ihn unter den leichtblütigen Per&#x017F;ern in<lb/>
den Ruf eines fin&#x017F;teren Griesgrams brachte.</p><lb/>
        <p>Er war ein ächter Aegypter, ein ächtes Kind jener<lb/>
Prie&#x017F;terka&#x017F;te, deren Mitglieder &#x017F;elb&#x017F;t in ihrer Heimat, &#x017F;o-<lb/>
bald &#x017F;ie &#x017F;ich öffentlich zeigten, feierlich und würdevoll ein-<lb/>
herzugehen und niemals zu &#x017F;cherzen pflegten, während &#x017F;ie<lb/>
im Krei&#x017F;e ihrer Geno&#x017F;&#x017F;en und Familie den &#x017F;elb&#x017F;tauferleg-<lb/>
ten Zwang ab&#x017F;ch üttelten und vollkommen heiter, ja aus-<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein konnten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0019] So erzähle in kurzen Worten, was ſich zugetragen hat ...“ „Jch denke, heut’ Abend ...“ „Nein, ich muß wenigſtens eine allgemeine Kenntniß von dem Vorgefallenen haben, ehe ich mit dem Athener rede. Mach’ es kurz!“ „Du biſt beſtohlen worden.“ „Weiter nichts?“ „Wenn Du das nichts nennſt!“ „Antworte! Weiter nichts?“ „Nein!“ „Dann lebe wohl!“ „Aber, Nebenchari! ...“ Der Augenarzt hörte dieſen Ruf nicht mehr, denn ſchon hatte ſich die Pforte, welche zu dem Hauſe der Weiber des Königs führte, hinter ihm geſchloſſen. Als das Siebengeſtirn aufgegangen war, ſaß Neben- chari in einem der prächtigen Zimmer, die er auf der öſt- lichen Seite des Palaſtes, unweit der Wohnung Kaſſan- dane’s, inne hatte. Die Freundlichkeit, mit der er ſeinem alten Diener begegnet war, hatte wieder jenem Ernſte Platz gemacht, der ihn unter den leichtblütigen Perſern in den Ruf eines finſteren Griesgrams brachte. Er war ein ächter Aegypter, ein ächtes Kind jener Prieſterkaſte, deren Mitglieder ſelbſt in ihrer Heimat, ſo- bald ſie ſich öffentlich zeigten, feierlich und würdevoll ein- herzugehen und niemals zu ſcherzen pflegten, während ſie im Kreiſe ihrer Genoſſen und Familie den ſelbſtauferleg- ten Zwang abſch üttelten und vollkommen heiter, ja aus- gelaſſen ſein konnten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/19
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/19>, abgerufen am 27.11.2024.