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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Opfers, entriß demselben den Sarkophag und zerhieb die
Mumie in vierzehn Stücke 127), welche er unter Posau-
nen- und Donnerschall am Rande des Wassers umherstreute.

"Als sich Jsis dem Grabmale wiederum näherte,
fand sie nichts als verwelkte Blumen und einen leeren
Sarkophag; am Ufer des See's aber flammten an vier-
zehn verschiedenen Stellen vierzehn Feuer in wunderbaren
Farben. Die Beraubte eilte mit ihren Jungfrauen diesen
Lichtern entgegen, während sich die Jünglinge mit Horus
vereint hatten und, von demselben angeführt, am jenseitigen
Ufer des Wassers gegen Typhon kämpften.

"Jch wußte nicht, wohin ich meine Augen und Ohren
zuerst wenden sollte. -- Hier tobte unter Donnerschlägen
und Trompetengeschmetter eine furchtbare Schlacht, von
deren Verlauf ich die Blicke nicht losreißen mochte, dort
sangen liebliche Frauenstimmen herzbestrickende Lieder zu
zaubrischen Tänzen, -- denn Jsis hatte bei jedem der
plötzlich entflammten Lichter, deren ich erwähnte, eins
der Glieder ihres Gatten wiedergefunden und feierte jetzt
ein Freudenfest.

"Hättest Du doch diese Tänze sehen dürfen, Zopyros!
Jch finde keine Worte, um die Anmuth der Bewegungen
jener Mädchen zu beschreiben, und kann euch nicht an-
schaulich machen, wie schön es war, wenn sie in verworre-
nem Getümmel umherschwärmten, um plötzlich in mackellos
gleichmäßigen Reihen einander gegenüber zu stehen und
neuen Wirrwarr mit neuer Ordnung pfeilgeschwind zu
vertauschen. Dabei zuckten fortwährend blendende Licht-
strahlen aus den wirbelnden Reihen; trug doch jede Tän-
zerin einen Spiegel 127 a) zwischen den Schultern, dessen
Schwingung Blitze erzeugte, -- dessen Stillestand das
Bild der Jungfrauen verdoppelte.

Opfers, entriß demſelben den Sarkophag und zerhieb die
Mumie in vierzehn Stücke 127), welche er unter Poſau-
nen- und Donnerſchall am Rande des Waſſers umherſtreute.

„Als ſich Jſis dem Grabmale wiederum näherte,
fand ſie nichts als verwelkte Blumen und einen leeren
Sarkophag; am Ufer des See’s aber flammten an vier-
zehn verſchiedenen Stellen vierzehn Feuer in wunderbaren
Farben. Die Beraubte eilte mit ihren Jungfrauen dieſen
Lichtern entgegen, während ſich die Jünglinge mit Horus
vereint hatten und, von demſelben angeführt, am jenſeitigen
Ufer des Waſſers gegen Typhon kämpften.

„Jch wußte nicht, wohin ich meine Augen und Ohren
zuerſt wenden ſollte. — Hier tobte unter Donnerſchlägen
und Trompetengeſchmetter eine furchtbare Schlacht, von
deren Verlauf ich die Blicke nicht losreißen mochte, dort
ſangen liebliche Frauenſtimmen herzbeſtrickende Lieder zu
zaubriſchen Tänzen, — denn Jſis hatte bei jedem der
plötzlich entflammten Lichter, deren ich erwähnte, eins
der Glieder ihres Gatten wiedergefunden und feierte jetzt
ein Freudenfeſt.

„Hätteſt Du doch dieſe Tänze ſehen dürfen, Zopyros!
Jch finde keine Worte, um die Anmuth der Bewegungen
jener Mädchen zu beſchreiben, und kann euch nicht an-
ſchaulich machen, wie ſchön es war, wenn ſie in verworre-
nem Getümmel umherſchwärmten, um plötzlich in mackellos
gleichmäßigen Reihen einander gegenüber zu ſtehen und
neuen Wirrwarr mit neuer Ordnung pfeilgeſchwind zu
vertauſchen. Dabei zuckten fortwährend blendende Licht-
ſtrahlen aus den wirbelnden Reihen; trug doch jede Tän-
zerin einen Spiegel 127 a) zwiſchen den Schultern, deſſen
Schwingung Blitze erzeugte, — deſſen Stilleſtand das
Bild der Jungfrauen verdoppelte.

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[187/0197] Opfers, entriß demſelben den Sarkophag und zerhieb die Mumie in vierzehn Stücke 127), welche er unter Poſau- nen- und Donnerſchall am Rande des Waſſers umherſtreute. „Als ſich Jſis dem Grabmale wiederum näherte, fand ſie nichts als verwelkte Blumen und einen leeren Sarkophag; am Ufer des See’s aber flammten an vier- zehn verſchiedenen Stellen vierzehn Feuer in wunderbaren Farben. Die Beraubte eilte mit ihren Jungfrauen dieſen Lichtern entgegen, während ſich die Jünglinge mit Horus vereint hatten und, von demſelben angeführt, am jenſeitigen Ufer des Waſſers gegen Typhon kämpften. „Jch wußte nicht, wohin ich meine Augen und Ohren zuerſt wenden ſollte. — Hier tobte unter Donnerſchlägen und Trompetengeſchmetter eine furchtbare Schlacht, von deren Verlauf ich die Blicke nicht losreißen mochte, dort ſangen liebliche Frauenſtimmen herzbeſtrickende Lieder zu zaubriſchen Tänzen, — denn Jſis hatte bei jedem der plötzlich entflammten Lichter, deren ich erwähnte, eins der Glieder ihres Gatten wiedergefunden und feierte jetzt ein Freudenfeſt. „Hätteſt Du doch dieſe Tänze ſehen dürfen, Zopyros! Jch finde keine Worte, um die Anmuth der Bewegungen jener Mädchen zu beſchreiben, und kann euch nicht an- ſchaulich machen, wie ſchön es war, wenn ſie in verworre- nem Getümmel umherſchwärmten, um plötzlich in mackellos gleichmäßigen Reihen einander gegenüber zu ſtehen und neuen Wirrwarr mit neuer Ordnung pfeilgeſchwind zu vertauſchen. Dabei zuckten fortwährend blendende Licht- ſtrahlen aus den wirbelnden Reihen; trug doch jede Tän- zerin einen Spiegel 127 a) zwiſchen den Schultern, deſſen Schwingung Blitze erzeugte, — deſſen Stilleſtand das Bild der Jungfrauen verdoppelte.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/197>, abgerufen am 10.05.2024.