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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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schauten sprachlos auf das gewaltige Schauspiel, welches
sich ihnen darbot.

Massig und ehrfurchtgebietend, den Boden mit ihrer
Wucht erdrückend, lagen am linken Ufer des Stromes,
versilbert vom Scheine des Mondes, die uralten Riesen-
gräber gewaltiger Herrscher, -- beweisend die Schöpfer-
kraft des Menschenwillens, -- mahnend an die Eitelkeit
irdischer Größe. -- Wo war jener Chafra, der einen Berg
von Steinen mit dem Schweiße seiner Unterthanen zu-
sammengekittet hatte, -- wo jener Chufu, der die Götter
verachtete und, trotzend auf seine eigne stolze Kraft, die
Pforten der Tempel verschloß, um sich und seinen Namen
durch ein übermenschliches Grabmal unsterblich zu machen?
Jhre leeren Sarkophage haben uns gelehrt, daß sie von
den Todtenrichtern unwerth der Grabesruhe, unwerth der
Auferstehung erfunden worden sind, während der Bauherr
der dritten, schönsten Pyramyde, Menkera, der sich mit
einem kleineren Grabmale begnügte und die Thore der
Tempel wieder aufthat, ungestört ruhen durfte in seinem
Sarge von blauem Basalt, auf dessen Deckel folgendes
Gebet für seine in Osiris, dem großen Ursein, aufgegan-
gene Seele zu lesen war:

"Jn Osiris ruhender König Menkera, ewiglebender,
dem Himmel entstammender Sohn der Nutpe, der Du der
Mutter der Götter entstammst und geliebt wirst von Seb,
dem Gotte. Möge sich Deine Mutter Nutpe (die Himmels-
göttin) über Dich breiten, sie, in deren Namen sich der
Himmel ausspannt ..... Dich darstellend dem Gotte,
dem Vernichter Deiner unreinen Feinde: König Menkera,
Ewiglebender 121)!"

Da lagen die Pyramiden in schweigender Nacht, be-
glänzt von den Sternen, behütet von dem Wächter der

ſchauten ſprachlos auf das gewaltige Schauſpiel, welches
ſich ihnen darbot.

Maſſig und ehrfurchtgebietend, den Boden mit ihrer
Wucht erdrückend, lagen am linken Ufer des Stromes,
verſilbert vom Scheine des Mondes, die uralten Rieſen-
gräber gewaltiger Herrſcher, — beweiſend die Schöpfer-
kraft des Menſchenwillens, — mahnend an die Eitelkeit
irdiſcher Größe. — Wo war jener Chafra, der einen Berg
von Steinen mit dem Schweiße ſeiner Unterthanen zu-
ſammengekittet hatte, — wo jener Chufu, der die Götter
verachtete und, trotzend auf ſeine eigne ſtolze Kraft, die
Pforten der Tempel verſchloß, um ſich und ſeinen Namen
durch ein übermenſchliches Grabmal unſterblich zu machen?
Jhre leeren Sarkophage haben uns gelehrt, daß ſie von
den Todtenrichtern unwerth der Grabesruhe, unwerth der
Auferſtehung erfunden worden ſind, während der Bauherr
der dritten, ſchönſten Pyramyde, Menkera, der ſich mit
einem kleineren Grabmale begnügte und die Thore der
Tempel wieder aufthat, ungeſtört ruhen durfte in ſeinem
Sarge von blauem Baſalt, auf deſſen Deckel folgendes
Gebet für ſeine in Oſiris, dem großen Urſein, aufgegan-
gene Seele zu leſen war:

„Jn Oſiris ruhender König Menkera, ewiglebender,
dem Himmel entſtammender Sohn der Nutpe, der Du der
Mutter der Götter entſtammſt und geliebt wirſt von Seb,
dem Gotte. Möge ſich Deine Mutter Nutpe (die Himmels-
göttin) über Dich breiten, ſie, in deren Namen ſich der
Himmel ausſpannt ..... Dich darſtellend dem Gotte,
dem Vernichter Deiner unreinen Feinde: König Menkera,
Ewiglebender 121)!“

Da lagen die Pyramiden in ſchweigender Nacht, be-
glänzt von den Sternen, behütet von dem Wächter der

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[181/0191] ſchauten ſprachlos auf das gewaltige Schauſpiel, welches ſich ihnen darbot. Maſſig und ehrfurchtgebietend, den Boden mit ihrer Wucht erdrückend, lagen am linken Ufer des Stromes, verſilbert vom Scheine des Mondes, die uralten Rieſen- gräber gewaltiger Herrſcher, — beweiſend die Schöpfer- kraft des Menſchenwillens, — mahnend an die Eitelkeit irdiſcher Größe. — Wo war jener Chafra, der einen Berg von Steinen mit dem Schweiße ſeiner Unterthanen zu- ſammengekittet hatte, — wo jener Chufu, der die Götter verachtete und, trotzend auf ſeine eigne ſtolze Kraft, die Pforten der Tempel verſchloß, um ſich und ſeinen Namen durch ein übermenſchliches Grabmal unſterblich zu machen? Jhre leeren Sarkophage haben uns gelehrt, daß ſie von den Todtenrichtern unwerth der Grabesruhe, unwerth der Auferſtehung erfunden worden ſind, während der Bauherr der dritten, ſchönſten Pyramyde, Menkera, der ſich mit einem kleineren Grabmale begnügte und die Thore der Tempel wieder aufthat, ungeſtört ruhen durfte in ſeinem Sarge von blauem Baſalt, auf deſſen Deckel folgendes Gebet für ſeine in Oſiris, dem großen Urſein, aufgegan- gene Seele zu leſen war: „Jn Oſiris ruhender König Menkera, ewiglebender, dem Himmel entſtammender Sohn der Nutpe, der Du der Mutter der Götter entſtammſt und geliebt wirſt von Seb, dem Gotte. Möge ſich Deine Mutter Nutpe (die Himmels- göttin) über Dich breiten, ſie, in deren Namen ſich der Himmel ausſpannt ..... Dich darſtellend dem Gotte, dem Vernichter Deiner unreinen Feinde: König Menkera, Ewiglebender 121)!“ Da lagen die Pyramiden in ſchweigender Nacht, be- glänzt von den Sternen, behütet von dem Wächter der

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/191>, abgerufen am 10.05.2024.