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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Phanes fast alle Tage von dem Diw der Trunkenheit zu
Boden werfen läßt."

"Hat denn seine erhabene Mutter gar keine Macht
über ihn?" fragte Rhodopis.

"Sie konnte ihn nicht einmal von dem Vorsatz,
Atossa zu heirathen, abbringen, und hat dem Hochzeits-
schmause in eigner Person beiwohnen müssen!"

"Die arme Atossa!" murmelte Sappho.

"Sie verlebt als Königin von Persien keine goldnen
Tage," sagte Krösus, "und wird mit ihrem brüderlichen
Gatten um so schwerer leben können, von je heftigerer Ge-
müthsart sie selber ist. -- Kambyses soll sie leider sehr
vernachlässigen und ihr wie einem Kinde begegnen. Uebri-
gens erscheint diese Heirat den Aegyptern gar nicht außer-
gewöhnlich, denn bei ihnen werden Bruder und Schwester
nicht selten Mann und Weib" 116).

"Und auch in Persien," fügte Darius, vollkommene
Ruhe erheuchelnd, hinzu, "hält man Verbindungen mit
Blutsverwandten für die besten Ehen" *).

"Um aber auf den König zurückzukommen," sagte
Krösus, der mit Rücksicht auf den Sohn des Hystaspes
dieses Gespräch geflissentlich abbrach, "so versichre ich Dich,
Rhodopis, daß er durchaus kein schlechter Mensch ist.
Seinen in Leidenschaft und Jähzorn begangenen Fehlern
folgt die Reue auf dem Fuße, und niemals hat ihn der
Vorsatz, ein guter und gerechter Herrscher zu sein, ver-
lassen. Neulich fragte er zum Beispiel beim Schmause,
ehe noch der Wein seinen Geist getrübt hatte, was die
Perser von ihm, im Vergleich mit seinem Vater, hielten."

"Und was war die Antwort?" fragte Rhodopis.

*) Siehe III. Theil. Anmerk. 93.

Phanes faſt alle Tage von dem Diw der Trunkenheit zu
Boden werfen läßt.“

„Hat denn ſeine erhabene Mutter gar keine Macht
über ihn?“ fragte Rhodopis.

„Sie konnte ihn nicht einmal von dem Vorſatz,
Atoſſa zu heirathen, abbringen, und hat dem Hochzeits-
ſchmauſe in eigner Perſon beiwohnen müſſen!“

„Die arme Atoſſa!“ murmelte Sappho.

„Sie verlebt als Königin von Perſien keine goldnen
Tage,“ ſagte Kröſus, „und wird mit ihrem brüderlichen
Gatten um ſo ſchwerer leben können, von je heftigerer Ge-
müthsart ſie ſelber iſt. — Kambyſes ſoll ſie leider ſehr
vernachläſſigen und ihr wie einem Kinde begegnen. Uebri-
gens erſcheint dieſe Heirat den Aegyptern gar nicht außer-
gewöhnlich, denn bei ihnen werden Bruder und Schweſter
nicht ſelten Mann und Weib“ 116).

„Und auch in Perſien,“ fügte Darius, vollkommene
Ruhe erheuchelnd, hinzu, „hält man Verbindungen mit
Blutsverwandten für die beſten Ehen“ *).

„Um aber auf den König zurückzukommen,“ ſagte
Kröſus, der mit Rückſicht auf den Sohn des Hyſtaspes
dieſes Geſpräch gefliſſentlich abbrach, „ſo verſichre ich Dich,
Rhodopis, daß er durchaus kein ſchlechter Menſch iſt.
Seinen in Leidenſchaft und Jähzorn begangenen Fehlern
folgt die Reue auf dem Fuße, und niemals hat ihn der
Vorſatz, ein guter und gerechter Herrſcher zu ſein, ver-
laſſen. Neulich fragte er zum Beiſpiel beim Schmauſe,
ehe noch der Wein ſeinen Geiſt getrübt hatte, was die
Perſer von ihm, im Vergleich mit ſeinem Vater, hielten.“

„Und was war die Antwort?“ fragte Rhodopis.

*) Siehe III. Theil. Anmerk. 93.
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[173/0183] Phanes faſt alle Tage von dem Diw der Trunkenheit zu Boden werfen läßt.“ „Hat denn ſeine erhabene Mutter gar keine Macht über ihn?“ fragte Rhodopis. „Sie konnte ihn nicht einmal von dem Vorſatz, Atoſſa zu heirathen, abbringen, und hat dem Hochzeits- ſchmauſe in eigner Perſon beiwohnen müſſen!“ „Die arme Atoſſa!“ murmelte Sappho. „Sie verlebt als Königin von Perſien keine goldnen Tage,“ ſagte Kröſus, „und wird mit ihrem brüderlichen Gatten um ſo ſchwerer leben können, von je heftigerer Ge- müthsart ſie ſelber iſt. — Kambyſes ſoll ſie leider ſehr vernachläſſigen und ihr wie einem Kinde begegnen. Uebri- gens erſcheint dieſe Heirat den Aegyptern gar nicht außer- gewöhnlich, denn bei ihnen werden Bruder und Schweſter nicht ſelten Mann und Weib“ 116). „Und auch in Perſien,“ fügte Darius, vollkommene Ruhe erheuchelnd, hinzu, „hält man Verbindungen mit Blutsverwandten für die beſten Ehen“ *). „Um aber auf den König zurückzukommen,“ ſagte Kröſus, der mit Rückſicht auf den Sohn des Hyſtaspes dieſes Geſpräch gefliſſentlich abbrach, „ſo verſichre ich Dich, Rhodopis, daß er durchaus kein ſchlechter Menſch iſt. Seinen in Leidenſchaft und Jähzorn begangenen Fehlern folgt die Reue auf dem Fuße, und niemals hat ihn der Vorſatz, ein guter und gerechter Herrſcher zu ſein, ver- laſſen. Neulich fragte er zum Beiſpiel beim Schmauſe, ehe noch der Wein ſeinen Geiſt getrübt hatte, was die Perſer von ihm, im Vergleich mit ſeinem Vater, hielten.“ „Und was war die Antwort?“ fragte Rhodopis. *) Siehe III. Theil. Anmerk. 93.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/183>, abgerufen am 09.05.2024.