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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Farben bemalten, hölzernen Schirmdache *), welches sich
inmitten des Verdeckes erhob, verweilten die Fahrgäste,
gesichert vor den brennenden Strahlen der Sonne.

Krösus saß an der Seite der Greisin, zu deren Füßen
der Milesier Theopompos ruhte. Sappho lehnte sich an
Bartja; Syloson, der Bruder des Polykrates, lag neben
dem tiefsinnig in den Strom schauenden Darius, während
Gyges und Zopyros die Blumen, welche ihnen ein ägyp-
tischer Sklave überreichte, zu Kränzen für die Stirn' der
beiden Frauen zusammenflochten.

"Man sollte nicht glauben," sagte Bartja, "daß wir
gegen den Strom fahren. Der Nachen fliegt wie eine
Schwalbe über das Wasser!"

"Das macht der kräftige Nordwind, der unsre Stir-
nen kühlt," entgegnete Theopompos. "Auch verstehen die
ägyptischen Ruderknechte ihr Handwerk ganz vorzüglich."

"Und arbeiten doppelt fleißig," fügte Krösus hinzu,
"weil es gegen den Strom geht! Nur, wo wir Widerstand
finden, pflegen wir unsre Kräfte einzusetzen."

"Und schaffen uns selbst Schwierigkeiten," sagte Rho-
dopis, "wenn das Geschick unsern Lebenskahn auf glatte
Fluten setzt."

"So ist es!" rief Darius; "der Edle haßt das be-
queme mit dem Stromschwimmen. Jn thatenloser Ruhe
sind alle Menschen gleich; darum bedürfen wir des Kampfes,
um zeigen zu können, daß wir besser sind, als die
Andern!"

"Aber die edlen Kämpfer sollen sich hüten, daß sie
nicht zu Händelsuchern werden," fügte Rhodopis hinzu.
"Siehst Du dort die Wassermelonen, welche auf dem

*) Siehe I. Theil Anmerk. 99.

Farben bemalten, hölzernen Schirmdache *), welches ſich
inmitten des Verdeckes erhob, verweilten die Fahrgäſte,
geſichert vor den brennenden Strahlen der Sonne.

Kröſus ſaß an der Seite der Greiſin, zu deren Füßen
der Mileſier Theopompos ruhte. Sappho lehnte ſich an
Bartja; Syloſon, der Bruder des Polykrates, lag neben
dem tiefſinnig in den Strom ſchauenden Darius, während
Gyges und Zopyros die Blumen, welche ihnen ein ägyp-
tiſcher Sklave überreichte, zu Kränzen für die Stirn’ der
beiden Frauen zuſammenflochten.

„Man ſollte nicht glauben,“ ſagte Bartja, „daß wir
gegen den Strom fahren. Der Nachen fliegt wie eine
Schwalbe über das Waſſer!“

„Das macht der kräftige Nordwind, der unſre Stir-
nen kühlt,“ entgegnete Theopompos. „Auch verſtehen die
ägyptiſchen Ruderknechte ihr Handwerk ganz vorzüglich.“

„Und arbeiten doppelt fleißig,“ fügte Kröſus hinzu,
„weil es gegen den Strom geht! Nur, wo wir Widerſtand
finden, pflegen wir unſre Kräfte einzuſetzen.“

„Und ſchaffen uns ſelbſt Schwierigkeiten,“ ſagte Rho-
dopis, „wenn das Geſchick unſern Lebenskahn auf glatte
Fluten ſetzt.“

„So iſt es!“ rief Darius; „der Edle haßt das be-
queme mit dem Stromſchwimmen. Jn thatenloſer Ruhe
ſind alle Menſchen gleich; darum bedürfen wir des Kampfes,
um zeigen zu können, daß wir beſſer ſind, als die
Andern!“

„Aber die edlen Kämpfer ſollen ſich hüten, daß ſie
nicht zu Händelſuchern werden,“ fügte Rhodopis hinzu.
„Siehſt Du dort die Waſſermelonen, welche auf dem

*) Siehe I. Theil Anmerk. 99.
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[171/0181] Farben bemalten, hölzernen Schirmdache *), welches ſich inmitten des Verdeckes erhob, verweilten die Fahrgäſte, geſichert vor den brennenden Strahlen der Sonne. Kröſus ſaß an der Seite der Greiſin, zu deren Füßen der Mileſier Theopompos ruhte. Sappho lehnte ſich an Bartja; Syloſon, der Bruder des Polykrates, lag neben dem tiefſinnig in den Strom ſchauenden Darius, während Gyges und Zopyros die Blumen, welche ihnen ein ägyp- tiſcher Sklave überreichte, zu Kränzen für die Stirn’ der beiden Frauen zuſammenflochten. „Man ſollte nicht glauben,“ ſagte Bartja, „daß wir gegen den Strom fahren. Der Nachen fliegt wie eine Schwalbe über das Waſſer!“ „Das macht der kräftige Nordwind, der unſre Stir- nen kühlt,“ entgegnete Theopompos. „Auch verſtehen die ägyptiſchen Ruderknechte ihr Handwerk ganz vorzüglich.“ „Und arbeiten doppelt fleißig,“ fügte Kröſus hinzu, „weil es gegen den Strom geht! Nur, wo wir Widerſtand finden, pflegen wir unſre Kräfte einzuſetzen.“ „Und ſchaffen uns ſelbſt Schwierigkeiten,“ ſagte Rho- dopis, „wenn das Geſchick unſern Lebenskahn auf glatte Fluten ſetzt.“ „So iſt es!“ rief Darius; „der Edle haßt das be- queme mit dem Stromſchwimmen. Jn thatenloſer Ruhe ſind alle Menſchen gleich; darum bedürfen wir des Kampfes, um zeigen zu können, daß wir beſſer ſind, als die Andern!“ „Aber die edlen Kämpfer ſollen ſich hüten, daß ſie nicht zu Händelſuchern werden,“ fügte Rhodopis hinzu. „Siehſt Du dort die Waſſermelonen, welche auf dem *) Siehe I. Theil Anmerk. 99.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/181>, abgerufen am 10.05.2024.