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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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zehnfach verwirkt hast. Jch schulde Dir nichts mehr!
Flieh' jetzt und meide mein Reich, denn von morgen an
gehört Dein Haupt meinem Henker!"

Phanes verneigte sich schweigend, küßte das Gewand
des Königs und stieg gemessenen Schrittes in den Hof
hinab. Psamtik schaute ihm bebend nach und sprang an
die Brüstung des Altans, sank aber, eh' er seine Lippen
zu einem Fluche öffnen konnte, kraftlos zusammen.

Kambyses winkte seinem Gefolge und befahl dem
Jägermeister, Vorbereitungen zu einer Löwenjagd in den
libyschen Bergen zu treffen.

Wenige Tage später bekam er die Nachricht, daß sich
Phanes ohne Aufenthalt nach Naukratis begeben und dort
eine segelfertige sybaritische Triere bestiegen habe. Das
Schreiben, in welchem ihm der Athener dieses mittheilte,
schloß mit den Worten: "Auch danke ich Dir dafür, daß
Du den von mir gemachten Schuh der Rache so willig
angezogen hast. Du hieltest mich für Dein Werkzeug;
Du aber bist das meine gewesen. Dieß theile ich Dir
mit, um Dich vor Selbstüberhebung zu warnen. Uebrigens
werde ich nie vergessen, daß ich Deiner Huld mein Leben
verdanke. Sei glücklich und lerne das, was Dir vor
Allem abgeht: ,Mäßigung!'"



zehnfach verwirkt haſt. Jch ſchulde Dir nichts mehr!
Flieh’ jetzt und meide mein Reich, denn von morgen an
gehört Dein Haupt meinem Henker!“

Phanes verneigte ſich ſchweigend, küßte das Gewand
des Königs und ſtieg gemeſſenen Schrittes in den Hof
hinab. Pſamtik ſchaute ihm bebend nach und ſprang an
die Brüſtung des Altans, ſank aber, eh’ er ſeine Lippen
zu einem Fluche öffnen konnte, kraftlos zuſammen.

Kambyſes winkte ſeinem Gefolge und befahl dem
Jägermeiſter, Vorbereitungen zu einer Löwenjagd in den
libyſchen Bergen zu treffen.

Wenige Tage ſpäter bekam er die Nachricht, daß ſich
Phanes ohne Aufenthalt nach Naukratis begeben und dort
eine ſegelfertige ſybaritiſche Triere beſtiegen habe. Das
Schreiben, in welchem ihm der Athener dieſes mittheilte,
ſchloß mit den Worten: „Auch danke ich Dir dafür, daß
Du den von mir gemachten Schuh der Rache ſo willig
angezogen haſt. Du hielteſt mich für Dein Werkzeug;
Du aber biſt das meine geweſen. Dieß theile ich Dir
mit, um Dich vor Selbſtüberhebung zu warnen. Uebrigens
werde ich nie vergeſſen, daß ich Deiner Huld mein Leben
verdanke. Sei glücklich und lerne das, was Dir vor
Allem abgeht: ‚Mäßigung!‘“



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[169/0179] zehnfach verwirkt haſt. Jch ſchulde Dir nichts mehr! Flieh’ jetzt und meide mein Reich, denn von morgen an gehört Dein Haupt meinem Henker!“ Phanes verneigte ſich ſchweigend, küßte das Gewand des Königs und ſtieg gemeſſenen Schrittes in den Hof hinab. Pſamtik ſchaute ihm bebend nach und ſprang an die Brüſtung des Altans, ſank aber, eh’ er ſeine Lippen zu einem Fluche öffnen konnte, kraftlos zuſammen. Kambyſes winkte ſeinem Gefolge und befahl dem Jägermeiſter, Vorbereitungen zu einer Löwenjagd in den libyſchen Bergen zu treffen. Wenige Tage ſpäter bekam er die Nachricht, daß ſich Phanes ohne Aufenthalt nach Naukratis begeben und dort eine ſegelfertige ſybaritiſche Triere beſtiegen habe. Das Schreiben, in welchem ihm der Athener dieſes mittheilte, ſchloß mit den Worten: „Auch danke ich Dir dafür, daß Du den von mir gemachten Schuh der Rache ſo willig angezogen haſt. Du hielteſt mich für Dein Werkzeug; Du aber biſt das meine geweſen. Dieß theile ich Dir mit, um Dich vor Selbſtüberhebung zu warnen. Uebrigens werde ich nie vergeſſen, daß ich Deiner Huld mein Leben verdanke. Sei glücklich und lerne das, was Dir vor Allem abgeht: ‚Mäßigung!‘“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/179>, abgerufen am 09.05.2024.