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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Dein Volk zu Knechten gemacht; denn nur mit meiner
Hülfe konnte die Eroberung Acgyptens so schnell gelingen.
Jch habe Deine Tochter meine Sklavin genannt, habe
Deinen Sohn verbluten lassen und mit angesehen, wie
dieselbe Jungfrau, welche Du verfolgtest, zur glücklichen
Gattin eines Helden wurde. Du, Gestürzter, Sinkender,
sahest mich zum Reichsten und Mächtigsten meiner Lands-
leute werden; Du, Unglücklicher, mußtest mich -- und das
war meine schönste Rache -- vor unbezwinglicher Rührung
über Dein entsetzliches Schicksal weinen sehen! -- Wer
so, wie ich, das tiefste Elend seines Feindes nur um einen
Athemzug überleben darf, den preise ich glücklich, gleich
den seligen Göttern. Jetzt habe ich nichts mehr zu
sagen!" --

Phanes schwieg, die Hand auf seine Wunde pressend.
Kambyses schaute ihn staunend an, trat einen Schritt
vorwärts und wollte eben den Gürtel des Atheners be-
rühren, eine Handbewegung, welche der Unterzeichnung
eines Todesurtheils gleichgekommen wäre 115), als seine
Blicke auf die Ehrenkette fielen, welche er dem Athener
zum Lohn für die Klugheit, mit der er die Unschuld der
Nitetis bewiesen, um den Hals gehängt hatte. Die Erin-
nerung an das Weib seiner Liebe und den Dank, welchen
er dem seltnen Manne für zahllose Dienste schuldete, be-
sänftigte seinen Groll und ließ seine zum Zeichen des
Todes erhobene Hand sinken. Während einer Minute
stand der strenge Herrscher dem ungehorsamen Freunde
zaudernd gegenüber, dann erhob er abermals, einer schnellen
Eingebung folgend, seine Rechte, wies mit derselben auf
den Ausgang des Hofes hin und rief: "Der Dank, den
ich Dir schulde, und die Freundschaft, der ich Dich werth
gehalten, retten Dein Leben, welches Du durch Ungehorsam

Dein Volk zu Knechten gemacht; denn nur mit meiner
Hülfe konnte die Eroberung Acgyptens ſo ſchnell gelingen.
Jch habe Deine Tochter meine Sklavin genannt, habe
Deinen Sohn verbluten laſſen und mit angeſehen, wie
dieſelbe Jungfrau, welche Du verfolgteſt, zur glücklichen
Gattin eines Helden wurde. Du, Geſtürzter, Sinkender,
ſaheſt mich zum Reichſten und Mächtigſten meiner Lands-
leute werden; Du, Unglücklicher, mußteſt mich — und das
war meine ſchönſte Rache — vor unbezwinglicher Rührung
über Dein entſetzliches Schickſal weinen ſehen! — Wer
ſo, wie ich, das tiefſte Elend ſeines Feindes nur um einen
Athemzug überleben darf, den preiſe ich glücklich, gleich
den ſeligen Göttern. Jetzt habe ich nichts mehr zu
ſagen!“ —

Phanes ſchwieg, die Hand auf ſeine Wunde preſſend.
Kambyſes ſchaute ihn ſtaunend an, trat einen Schritt
vorwärts und wollte eben den Gürtel des Atheners be-
rühren, eine Handbewegung, welche der Unterzeichnung
eines Todesurtheils gleichgekommen wäre 115), als ſeine
Blicke auf die Ehrenkette fielen, welche er dem Athener
zum Lohn für die Klugheit, mit der er die Unſchuld der
Nitetis bewieſen, um den Hals gehängt hatte. Die Erin-
nerung an das Weib ſeiner Liebe und den Dank, welchen
er dem ſeltnen Manne für zahlloſe Dienſte ſchuldete, be-
ſänftigte ſeinen Groll und ließ ſeine zum Zeichen des
Todes erhobene Hand ſinken. Während einer Minute
ſtand der ſtrenge Herrſcher dem ungehorſamen Freunde
zaudernd gegenüber, dann erhob er abermals, einer ſchnellen
Eingebung folgend, ſeine Rechte, wies mit derſelben auf
den Ausgang des Hofes hin und rief: „Der Dank, den
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[168/0178] Dein Volk zu Knechten gemacht; denn nur mit meiner Hülfe konnte die Eroberung Acgyptens ſo ſchnell gelingen. Jch habe Deine Tochter meine Sklavin genannt, habe Deinen Sohn verbluten laſſen und mit angeſehen, wie dieſelbe Jungfrau, welche Du verfolgteſt, zur glücklichen Gattin eines Helden wurde. Du, Geſtürzter, Sinkender, ſaheſt mich zum Reichſten und Mächtigſten meiner Lands- leute werden; Du, Unglücklicher, mußteſt mich — und das war meine ſchönſte Rache — vor unbezwinglicher Rührung über Dein entſetzliches Schickſal weinen ſehen! — Wer ſo, wie ich, das tiefſte Elend ſeines Feindes nur um einen Athemzug überleben darf, den preiſe ich glücklich, gleich den ſeligen Göttern. Jetzt habe ich nichts mehr zu ſagen!“ — Phanes ſchwieg, die Hand auf ſeine Wunde preſſend. Kambyſes ſchaute ihn ſtaunend an, trat einen Schritt vorwärts und wollte eben den Gürtel des Atheners be- rühren, eine Handbewegung, welche der Unterzeichnung eines Todesurtheils gleichgekommen wäre 115), als ſeine Blicke auf die Ehrenkette fielen, welche er dem Athener zum Lohn für die Klugheit, mit der er die Unſchuld der Nitetis bewieſen, um den Hals gehängt hatte. Die Erin- nerung an das Weib ſeiner Liebe und den Dank, welchen er dem ſeltnen Manne für zahlloſe Dienſte ſchuldete, be- ſänftigte ſeinen Groll und ließ ſeine zum Zeichen des Todes erhobene Hand ſinken. Während einer Minute ſtand der ſtrenge Herrſcher dem ungehorſamen Freunde zaudernd gegenüber, dann erhob er abermals, einer ſchnellen Eingebung folgend, ſeine Rechte, wies mit derſelben auf den Ausgang des Hofes hin und rief: „Der Dank, den ich Dir ſchulde, und die Freundſchaft, der ich Dich werth gehalten, retten Dein Leben, welches Du durch Ungehorſam

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/178>, abgerufen am 10.05.2024.